Keine Wahl von AfD-Stadtratsposten: Kandidat fällt immer wieder durch
In drei Bezirken fallen die AfD-Stadtratskandidaten in den Wahlen wiederholt durch. Nun will die AfD klagen. Andere Parteien sehen das gelassen.
In Spandau ist der AfD-Kandidat Andreas Otti nach Angaben der Grünen im Bezirk in elf Wahlgängen klar durchgefallen. Der Berufsoffizier soll jeweils nur etwa so viele Stimmen bekommen haben, wie die AfD Mandate hat. „Herr Otti war ja in der vergangenen Legislaturperiode bereits Stadtrat“, sagt Grünen-Fraktionschefin Dara Kossok-Spieß der taz. „Er hat es nicht einmal geschafft, innerhalb seines eigenen Ressorts den Überblick zu bekommen. Das wollen wir uns nicht ein zweites Mal leisten.“ Da sei es das kleinere Übel, dass ein von der SPD nominierter Stadtrat das freie Ressort zusätzlich mitverwalte, sagt die Grüne.
In Marzahn nominiert die AfD nahezu jeden Monat den Juristen Michael Adam als Stadtrat. Eine zu Beginn aufgestellte andere Kandidatin hatte ihre Kandidatur zurückgezogen, bevor diese zur Abstimmung kam. Wie in Spandau ist Adam jeweils sehr deutlich durchgefallen. Mal bekam er nicht einmal so viele Stimmen, wie sie die AfD auf sich vereint, mal waren es geringfügig mehr. Die Fraktionsvorsitzende der Tierschutzpartei, Inka Seidel, sagt: „Er hatte noch nie ein vergleichbares Amt inne. Mich hat er von seiner Biografie und seinen Reden her nicht davon überzeugt, dass er dafür geeignet ist.“
Das sieht auch Björn Tielebein, Fraktionschef der Linken, so: „Adam hat bei seiner Vorstellung deutlich gemacht, dass er den Bezirk nicht wirklich kennt. Seine Position zu Minderheitenrechten ist völlig inakzeptabel für jemanden, der Ordnungsstadtrat werden will.“ Adam hatte bei seiner Vorstellung auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) letzten Dezember den Eindruck erweckt, er wisse nichts von Anfeindung, Diskriminierung und Übergriffen gegen LGBTIQ-Personen. Adam bezweifle auch, dass die globale Erderwärmung menschengemacht ist. Auf Twitter hatte der Rechtsanwalt am Sinn der Corona-Impfung gezweifelt.
Die Ämter In den zwölf Berliner Bezirken wählen die jeweils 55 Bezirksverordneten das Bezirksamt. Das besteht inclusive BezirksbürgermeisterIn aus sechs StadträtInnen.
Die StadträtInnen Neben den auch für Wirtschaft und Finanzen zuständigen BezirksbürgermeisterInnen sind pro Bezirk je fünf StadträtInnen zuständig für die Ressorts Stadtentwicklung und Umwelt, für Jugend und Gesundheit, für Soziales, für Ordnung und für Schule, Kultur und Sport.
Die Wahl Abhängig vom Stimmenverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung BVV dürfen die Fraktionen einen oder mehrere StadträtInnen nominieren. Gewählt werden die StadträtInnen durch die BVV mit einfacher Mehrheit. Erhält ein Kandidat dort keine Mehrheit, geht das Vorschlagsrecht nicht an eine andere Fraktion über. (mai)
Er fiel immer deutlich durch
In Lichtenberg nominierte die AfD den früheren BND-Mitarbeiter Frank Elischewski mehr als ein Dutzend Mal. Er war in der letzten Wahlperiode schon einmal Stadtrat gewesen und von den anderen Parteien mit dem Miniressort „Regionalisierte Ordnungsangelegenheiten“ abgespeist worden. Elischewski fiel immer deutlich durch, kam oft auf geringfügig mehr Stimmen, als seine Fraktion aufbringen kann.
Dennoch hat die AfD hier wie in den anderen beiden Bezirken niemand anderen nominiert. „Ich kann niemanden aus der Partei wählen, der ein Björn Höcke angehört“, sagt der SPD-Bezirksverordnete und Kreischef von Lichtenberg, Erik Gührs, der taz. „Jeder, der Mitglied dieser Partei ist, macht sich mit diesem gemein.“ Elischewski hätte in der letzten Legislaturperiode als Stadtrat Bezirk und Land zudem Schaden zugefügt. „Er war dafür verantwortlich, dass die Kosten für das Tierheim für die öffentliche Hand gestiegen sind.“
Allerdings wackelt in Lichtenberg das Vorschlagsrecht für die AfD für einen Stadtrat. Der ehemalige linke Bezirksverordnete Roman Grabowski ist seit dem Frühjahr fraktionslos und liebäugelt mit einem Eintritt in die SPD. Sollte er sich dazu noch vor den Neuwahlen im Februar entschließen, geht das Vorschlagsrecht für den freien Stadtratsposten von der AfD an die SPD über.
Lediglich in Treptow-Köpenick wurde der von der AfD nominierte Stadtrat auch gewählt. Bernd Geschanowski, der bereits in der letzten Legislaturperiode Gesundheitsstadtrat war und überregional dadurch auffiel, dass er einem schwulen schwarzen Arzt die Ernennung zum Amtsarzt verweigerte, wurde im Februar im vierten Wahlgang zum Ordnungsstadtrat gewählt.
Aber nicht etwa, weil der gelernte Schiffsbauer die Verordneten der anderen Fraktionen fachlich besonders überzeugt hätte. Vielmehr hatte sich in den anderen Fraktionen denkbar knapp die Position durchgesetzt, dass die Wahl des AfD-Mannes das kleinere Übel wäre. Als größeres Übel sahen es viele Bezirksverordnete an, die Rechtspopulisten durch Nichtwahl ihres Kandidaten in ihrer Opferrolle zu bestärken.
Klage gelassen entgegen sehen
Die AfD sieht in der Nichtwahl der von ihr nominierten Kandidaten in den drei Bezirken eine „ungesetzliche Blockade durch die Vertreter der politischen Mitbewerber“ und hat nach eigenen Angaben eine gerichtliche Klage vorbereitet, die sie wohl am Mittwoch (23. November 2022) vorstellen will.
Einer solchen Klage sehen Vertreter anderer Parteien jedoch gelassen entgegen. „Die AfD hat das Recht, einen Kandidaten zu nominieren. Aber für mich als Bezirksverordnete gilt die freie Wahl“, sagt die Grüne Dara Kossok-Spieß aus Spandau. „Hier liegt keine ungesetzliche Blockade der demokratischen Fraktionen vor, sondern ein Führungsmangel des AfD-Kandidaten Otti. Ihm wurde seitens der anderen Fraktionen mehrfach signalisiert, er soll seine eigenen Ambitionen als Stadtrat zurückstellen, damit die AfD jemand anderen aufstellen kann.“
Ähnlich gelassen sehen es der Linke Tielebein aus Marzahn-Hellersdorf und der SPD-Politiker Gührs aus Marzahn-Hellersdorf: „Ich gehe davon aus, dass das Recht eines Bezirksverordneten, seine Entscheidungen frei und geheim zu treffen, durch ein Gericht nicht angetastet wird“, sagt Tielebein. Gührs ergänzt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gericht anordnet, jemanden zu wählen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier