Keine Nazis als Schöffen bei Gericht: Justizminister will Gesetz ändern
AfD und NPD rufen Anhänger:innen zur Mitarbeit in der Justiz auf. Der Justizminister will das durch Regeln zur Verfassungstreue verhindern.
In Deutschland wirken an Strafurteilen oft auch Laienrichter:innen mit, die Schöff:innen. Sie sollen die Lebensnähe der Justiz sicherstellen und haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter:innen. Bundesweit gibt es rund 40.000 Schöff:innen. Immer wieder rufen NPD und AfD ihre Mitglieder und Anhänger:innen dazu auf, Schöff:innen zu werden.
Als Schöff:in kann sich bei der Gemeinde bewerben, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und zwischen 25 und 70 Jahre alt ist. Als politische Ausschlussgründe stehen bisher im Richtergesetz nur, dass jemand „gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat“ oder als hauptberuflicher oder inoffizieller Mitarbeiter für die DDR-Stasi gearbeitet hat.
In einem Regelungsvorschlag des Justizministeriums, der der taz vorliegt, soll dieser Katalog nun um einen dritten Punkt erweitert werden. Als Schöff:in soll auch nicht berufen werden, wer „keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“.
Rechtslage bereits geklärt
Anlass war eine Anregung des damaligen Stuttgarter Landesjustizministers Guido Wolf (CDU) von Anfang 2021. Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nahm die Anregung auf und fragte bei den Bundesländern und juristischen Verbänden nach.
Die Rückmeldung war überwiegend positiv. Zwar bestehe kein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, schrieb zum Beispiel der Deutsche Richterbund, aber es spreche auch nichts dagegen.
Tatsächlich ist die Rechtslage längst geklärt. Denn das Bundesverfassungsgericht hat 2008 entschieden, dass für ehrenamtliche Richter:innen die gleichen Anforderungen an die Verfassungstreue gelten wie für hauptberufliche Richter:innen.
Anlass war der Fall von Oliver H., der bei der schwäbischen Nazirockband Noie Werte spielte und gleichzeitig als ehrenamtlicher Arbeitsrichter agierte. Die christliche Gewerkschaft CGM hatte ihn vorgeschlagen. Als er vom Landesarbeitsgericht Stuttgart seines Amtes enthoben wurde, klagte H. in Karlsruhe.
Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte seine Verfassungsbeschwerde ab. „Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, distanzierte Haltung gegenüber dem Staat und seiner Verfassung“, zitierten die Richter:innen ausgiebig aus ihrer eigenen Berufsverbote-Rechtsprechung der 70er-Jahre.
Diese Pflicht gelte auch, so Karlsruhe, für ehrenamtliche Richter. Denn am Arbeitsgericht bilden zwei Ehrenamtliche und ein Berufsjurist zusammen das „staatliche Gericht“. Der Staat habe „streng da-rauf zu achten“, dass keine Verfassungsfeinde zum ehrenamtlichen Richter ernannt werden.
Kein Ermessen bei fehlender Verfassungstreue
Auch Lambrechts Nachfolger als Bundesjustizminister, Marco Buschmann, hält es für sinnvoll, dies im Deutschen Richtergesetz ausdrücklich zu erwähnen. Eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz ist aber nicht geplant.
Die hessische Landesjustizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hatte zwar moniert, dass Buschmann nur eine „Soll“-Vorschrift vorschlage und keine „Muss“-Vorschrift. Im Bundesministerium sieht man darin keinen Unterschied. „Bei fehlender Verfassungstreue gibt es keinen Ermessensspielraum“, sagte ein Sprecher.
Eine Sollvorschrift könne aber verhindern, dass Angeklagte wegen eines übersehenen extremistischen Schöffen eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts rügen und später vielleicht mit einer Revision erfolgreich gegen ein Strafurteil vorgehen könnten. Buschmann wertet derzeit die Rückmeldungen zu seinem Regelungsvorschlag aus. Wann er einen formellen Gesetzentwurf einbringt, lässt das Ministerium noch offen.
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