Keine Beleidigung: Lieber Hund als Mensch
Ist ein Hund, wer Solidarität mit Israel zeigt? Das ist natürlich Quatsch. Und selbst wenn: Hund sein ist eine Ehre und eine Verantwortung.
D iese Woche habe ich Dutzende Zuschriften erhalten von Leuten, die sich als Muslime zu erkennen geben. Sie beschimpfen mich als „Hund“. Manche schreiben auch „H00nd“, mit zwei Nullen, was auch immer diese Schreibweise zu bedeuten haben soll, oder schicken mir Hunde-Emojis. Sie scheinen sauer zu sein, weil ich Solidarität mit Israel bekunde und die Hamas als Terrororganisation bezeichne.
Ich erzähle das meiner Hündin Frau Dr. Bohne. Sie schüttelt den Kopf. „Nicht Ihr Ernst!“, sagt sie. „Doch!“, antworte ich. „Sie bezeichnen mich tatsächlich als Hund.“ Mein Jagdterrier bellt verächtlich. „Ein Hund zu sein, ist eine Ehre, eine Auszeichnung, eine Verantwortung!“, sagt sie nun. „Wissen Sie, unter uns Hunden gibt es, wenn wir uns streiten, einen Spruch: ‚Sei nicht wie ein Mensch!‘ So sieht’s aus! Wenn überhaupt, ist ‚Mensch‘ ein Schimpfwort, nicht ‚Hund‘!“
Und dann kommt, was ich befürchtet habe: ein Vortrag über die menschliche Unzulänglichkeit. Frau Dr. Bohne findet dafür in der zurückliegenden Woche leider genug Material, um ihre Behauptung zu unterfüttern: die Gewalt in Israel, im Gazastreifen und im Westjordanland; der offen zur Schau getragene Antisemitismus in aller Welt, auch in Deutschland; als Gegenreaktion hier auch Rassismus; ein Angriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen; vorschnelle Schuldzuschreibungen; gescheiterte diplomatische Bemühungen; und so weiter. „Es möchte kein Hund so länger leben!“, zitiert Frau Dr. Bohne aus Goethes „Faust“.
Ich sehe mir noch einmal das Video von einer propalästinensischen Demo in Berlin an. „Free Palestine from German guilt“, skandiert da eine Gruppe, die sich politisch wohl links verorten würde. Mag sein, dass damit gemeint ist, Deutsche sollten nicht wegen ihrer Geschichte davor zurückscheuen, militärisches Vorgehen Israels gegen palästinensische Zivilisten zu kritisieren.
Sinnlosen Streit kann es bei Hunden nicht geben
Im Wesentlichen klingt es aber wie das rechtsextreme, AfD-mäßige „Ende des Schuldkults“. Links- und Rechtsextremisten vereint in Geschichtsvergessenheit, Unbildung und Dummheit! „Kein Hund würde so zweideutig kommunizieren!“, schimpft Frau Dr. Bohne.
„Berlin ist sowieso so eine Sache“, sagt sie. „Haben Sie gesehen, dass Aktivisten der ‚Letzten Generation‘ die Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz mit Farbe besprüht haben?“ Sie schüttelt ihren Kopf, dass ihre Öhrchen nur so hin und her fliegen. „Die Weltzeituhr! Ein Symbol! Ein Treffpunkt! Was soll das bringen, außer dass Leute sich ärgern?“
Ich muss ihr zustimmen, auch ich rege mich über solche Leute auf. Aber ein bisschen ärgere ich mich auch über ihre Selbstgerechtigkeit. „Für Leckerlis sind wir Menschen immer gut genug, nicht wahr?“, merke ich an. „Pah! Die Wahrheit ist, dass der Hund den Menschen skeptisch sieht. Nur aus Existenzgründen wahren wir eine gewisse Anhänglichkeit!“ Ich muss lachen.
„Sie geben also zu, dass ihr korrupte Wesen seid?“ Kaum habe ich das ausgesprochen, bereue ich es. „Dies ist eine gute Gelegenheit, den früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz zu erwähnen“, sagt sie. Der steht seit dieser Woche vor Gericht, weil ihm vorgeworfen wird, vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Bezug auf Postendeals gelogen zu haben.
Sollte er verurteilt werden, drohen ihm bis zu drei Jahre Gefängnis. „Und dann hat er möglicherweise noch ein Verfahren am Hals wegen Korruption!“ Triumphierend blickt sie mich an. „Also erzählen Sie mir nix von Hunde seien korrupte Wesen bla, bla!“
„Hunde sind also weder korrupt noch gewalttätig?“, frage ich sie. Einen Moment überlegt sie. „Ich will nicht sagen, dass wir frei von Fehlern sind“, räumt sie ein. „Aber im Wesentlichen: Ja, so ist es! Was Fressen angeht, ist das reine Überlebenssicherung. Grundsätzlich gilt: Ein kluger Hund bellt nie ohne Grund. Dann kann sinnloser Streit gar nicht erst entstehen!
Das sollten Menschen auch endlich beherzigen!“ Ich finde, sie hat recht. Ich werde „Hund“ ab sofort als Auszeichnung verstehen. Hunde sind doch die besseren Menschen.
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