Keine Abtreibungen mehr in Flensburg: Der Glaube ist nicht das Problem
In einem neuen kirchlichen Krankenhaus soll es keine Abtreibungen mehr geben. Aber es sind längst nicht nur konfessionelle Träger, die so handeln.
Z wei kirchliche Träger planen ein ökumenisches Krankenhaus und weigern sich, dort weiter Abtreibungen durchzuführen. Es wäre aber verlogen, sich jetzt über konfessionelle Kliniken aufzuregen. Denn sie sind nicht die Einzigen, die so handeln.
Unikliniken sehen sich außerstande, neben den Spätabbrüchen von behinderten Kindern die ganz normalen Abtreibungen durchzuführen. Und zahlreiche Kliniken in privater oder städtischer Trägerschaft machen Schwangerschaftsabbrüche nach ihren ganz eigenen Regeln.
Manche verweigern einer Frau den Schwangerschaftsabbruch, wenn dies bereits ihr zweiter ist. Sehr viele wollen nur bis zur 10. Schwangerschaftswoche operieren, obwohl es bis zur 14. erlaubt wäre. Das dann ausschließlich in Vollnarkose und nicht unbedingt mit der schonenderen Absaugmethode, weil der Chef nur Ausschabung gelernt hat
Und zwischendurch fällt der Eingriff aus, weil es gerade niemanden in der Gynäkologie gibt, der will. Oder einen leitenden Arzt, der es verbietet, wie vor drei Jahren im wendländischen Dannenberg. Darüber hatte sich die niedersächsische Gesundheitsministerin empört – aber dazu geschwiegen, dass in ihrem Bundesland Frauen bis zu 150 Kilometer für den Eingriff fahren müssen.
Schwangerschaftsabbrüche sind keine Kassenleistung
Verantwortlich für solche Zustände ist nicht der Glaube, sondern das deutsche Abtreibungsrecht. Das erlaubt nicht nur dem oder der einzelnen Ärzt*in, Abtreibungen aus Gewissensgründen abzulehnen, sondern bietet Kliniken einen Freifahrtschein, nach Gutdünken zu handeln. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland eine Straftat, daher keine Kassenleistung, weswegen die Kliniken auch nicht dazu verpflichtet werden können.
Das führt dazu, dass bundesweit die Zahl der Praxen und Kliniken sinkt, die Abbrüche durchführen. Wer ein Interesse daran hat, dass Frauen gut und wohnortnah versorgt werden, wenn sie ein Kind nicht bekommen wollen, muss das Gesetz ändern, sprich den Paragrafen 218 abschaffen. Der Vorschlag der Bundesregierung, die Mediziner*innenausbildung zu verbessern, greift zu kurz.
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