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Kein Platz für ObdachloseSchule zieht Zaun gegen Obdachlose

Ein Gymnasium in Hamburg-St.Pauli hat einen Obdachlosen­schlafplatz auf dem Gelände mit einem Zaun abgesperrt. Anwohner protestieren dagegen.

Nicht warm, aber trocken: eingezäunter Obdachlosen-Schlafplatz am Struensee-Gymnasium Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Überdacht und mitten im Ausgeh-Kiez – die Arkaden der Struensee-Schule sind ein guter Aufenthaltsort für Obdachlose in Hamburg. Doch seit kurzem ist dieser Ort für sie versperrt. Die Schule hat einen Gitterzaun installieren lassen. Abgerissene Plakate erinnern an den Unmut von Kiez-Bewohnern darüber, dass die Obdachlosen ausgesperrt werden. Auf einem grünen Karton steht: „Ey Nachbar – Zaun weg = etwas cooler hier“.

Schulleiter Frank Berend ist erkennbar angefasst wegen der Kritik. „Wir haben das Problem, dass hier offen Drogen konsumiert werden“, berichtet er fröstelnd auf der Straße. Es sei Crack geraucht und Heroin aufgekocht worden. Der Platz sei vermüllt, in den Eingangsbereich der Schule sei gepinkelt worden. Die Fünft- und Sechstklässler hätten Angst, auf dem Weg zum Spielplatz hier vorbeizugehen.

„Natürlich sind trockene Stellen, wo man schlafen kann, dünn gesät“, räumt der Schulleiter ein. Deshalb habe er auch dafür plädiert, die obdachlosen Menschen am Rande des Schulgeländes zu dulden, nachdem die Schule zum Winterhalbjahr 2020 hierher gezogen war. „Die Menschen dort vertreiben, wollte ich in der kalten Jahreszeit nicht“, schrieb Berend den Eltern in einem Brief.

Das sei zunächst auch gut gegangen, doch nach einigen Wochen habe es zunehmend Streit und Pöbeleien unter den dort lebenden Obdachlosen gegeben. Nicht akzeptabel sei, dass der Hausmeister tätlich angegriffen wurde. Der Mann hatte Drogenkonsumenten aufgefordert, den Platz zu verlassen. Das brachte ihm einen Faustschlag gegen den Kopf und eine Einlieferung ins Krankenhaus ein.

Eine Koexistenz funktioniere nicht

Immer wieder hätten er selbst und der Hausmeister „Wege gesucht, wie eine Koexistenz vielleicht möglich sein könnte“, schildert Berend. Sie hätten die Menschen vor Schulbeginn geweckt und gebeten zu gehen. Bei Drogenkonsum hätten sie die Polizei informiert. Es habe sich aber gezeigt, dass eine Koexistenz auf der Basis einfacher Regeln mit den oft suchtkranken Menschen nicht funktioniere.

„Ihnen einfach diesen Platz zuzubilligen, löst das Problem der Menschen nicht“, schreibt Berend. Sie benötigten dringend Einzelfallbetreuung, Suchtberatung, Hilfe bei der Wohnungssuche. „Dies kann die Schule nicht leisten“, sagt Berend. Sie sei zuallererst für ihre Schülerinnen und Schüler verantwortlich.

Natürlich sind trockene Stellen, wo man schlafen kann, dünn gesät

Frank Berend, Schulleiter desStruensee-Gymnasiums

„Ein Zaun kann nie eine Lösung sein und ist ein schlimmes Signal“, sagt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt, einem Projekt der Diakonie. „Obdachlose zu vertreiben – das geht nicht.“ Karrenbauer sieht in dem Zaun aber auch einen Hilferuf. In allen Stadtteilen nehme die Verelendung der Menschen auf den Straßen zu. „Das führt immer öfter zu Konflikten mit An­woh­ne­r:in­nen – und das ist kein Wunder“, sagt er.

Im Fall des Struensee-Gymnasiums äußert sich der sichtbar gewordene Protest für die Obdachlosen gegen die Schule. Ein langes Transparent der Ultras St. Pauli forderte: „Weg mit den Zäunen!“ Jemand machte sich auch ans Werk und öffnete ein Element des Zauns.

Schulleiter erklärt sich gesprächsbereit

Schulleiter Berend will die Fläche in Zukunft nutzen, um Fahrradständer aufzubauen. Solche gibt es bereits auf der anderen Seite an der Einfahrt zum Schulhof, auf ähnliche Weise eingezäunt wie die Arkaden. Am gestrigen Nachmittag wollte er sich mit Vertretern von Hinz&Kunzt und Anwohnerinitiativen treffen, um deren Meinung zu hören. „Ich bin da sehr gesprächsbereit“, versichert er. Zumal die Befassung mit Obdachlosigkeit ja auch ein Bildungsthema sei.

Das Dilemma des Struensee-Gymnasiums wirft ein Schlaglicht auf die Situation in der Großstadt. Die Sozialbehörde geht von rund 7.000 Wohnungslosen in Hamburg aus. 5.000 davon sind öffentlich-rechtlich untergebracht, 2.000 leben auf der Straße, sind also obdachlos. Für sie gibt es bisher nur eine Unterkunft im Rahmen des Winternotprogramms, das aber nicht von allen Obdachlosen angenommen wird.

„Städtisch finanzierte Straßensozialarbeiterinnen und -arbeiter suchen obdachlose Menschen gezielt auf, um sie auf Angebote hinzuweisen“, teilt die Sozialbehörde auf taz-Anfrage mit. In Hamburg gebe es das ganze Jahr über ein breit aufgestelltes umfangreiches Hilfesystem für obdachlose Menschen.

Karrenbauer findet, dass das nicht reicht. Es sei an der Zeit, dass die Stadt dezentrale Unterkünfte schaffe, „die so ausgestaltet sind, dass die Menschen diese auch annehmen“, sagte Karrenbauer. Dafür müssten alle Beteiligten an den Tisch.

Ein Anfang könnte der „Housing First“-Ansatz sein, bei dem Menschen zunächst mit einer eigenen Wohnung versorgt werden, bevor ihre anderen Probleme angegangen werden. Ein Projekt mit 30 Plätzen hat der Senat gerade ausgeschrieben. Es soll in diesem Jahr starten.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Auf Seiten der Schule vermag ich kein Fehlverhalten erkennen, es wurden lediglich einfachste Anforderungen gestellt, die nicht erfüllt wurden. Auch Schüler haben ein Recht auf eine adäquate und sichere Umgebung, wenn dies augenscheinlich nicht mehr gewährleistet ist, dann geht es halt nur mit dem Zaun. Es steht den protestierenden Anwohnern frei ihre Hinterhöfe, Eingänge etc. zu öffnen, solange es keine adäquate Obdachlosenversorgung gibt.

  • Wir sind hier in Hamburg wo grüne Senatoren auch mal kein Geld mehr für Obdachlosenunterkünfte haben, aber...Porsche fahren.

  • Ein Schelm wer böses denkt. Natürlich sind die Anwohner gegen den Zaun - die haben schlicht keine Lust drauf dass die Obdachlosen stattdessen vor deren Häusern nächtigen...

  • Würde ich wollen dass mein Kind jeden Tag an suchtkranken Obdachlosen vorbei geht? Möchte ich, dass in meinen Hauseingang gepinkelt wird? Sicher nicht. Das ist nicht Aufgabe der Schule, Obdach für Obdachlose zur Verfügung zu stellen.

    • @Holger Steinebach:

      "Würde ich wollen dass mein Kind jeden Tag an suchtkranken Obdachlosen vorbei geht?"

      Kinder wachsen in der Realität auf, nicht in eine Rosawattebauschwolkenwelt. Man kann versuchen, dem entfliehen, indem man in ein Provinzkaff ohne Drogen und Armut zieht und den Kindern nichts davon erzählt, wie schlecht manches in unserer Welt ist. Oder man kann mit Kindern über die Dinge sprechen, die sie sehen und wahrnehmen und die Teil unserer Realität sind. Ich bin mir sicher, dass diese Kinder wenn sie groß sind eher etwas dafür tun werden, dass die Welt besser und gerechter wird, als Kinder, denen eine heile Welt vorgegaukelt wurde und die gelernt haben, die Augen vor der Realität zu verschließen.

      Mich hat es sehr berührt, dass sich viele aus der Nachbarschaft der Schule sich auf die Seite der Obdachlosen und gegen den Zaun gestellt haben. Das wäre sicher nicht überall so gewesen

      Natürlich löst ein entfernen des Zauns nicht die Probleme der betroffenen Menschen, natürlich brauchen wir Maßnahmen wie Housing First. Aber Zäune und Vertreibung lösen eben auch keine Probleme und das ausgerechnet Gynasiasten als Botschaft mitzugeben finde ich bei allen praktischen Erwägungen, die vielleicht für einen Zaun sprechen, zutiefst unpädagoogisch.

      • @Ruediger:

        Deine guten Absichten und Gedanken in Ehren.

        Wenn allerdings die Schüler vor ihrem Schuleingang über Fäkalien, Heroinspritzen und zugedröhnte Personen steigen müssen, ist irgendwo eine Grenze des Zumutbaren erreicht.

        Den Kindern ein Mindestmaß an Sicherheit und Sauberkeit zu gewähren, heißt nicht, ihnen eine "heile Welt vorzugaukeln".

  • einen schulleiter an den pranger zu stellen ...

    welcher für den schutzraum von schülern verantwortlich ist, ist armselig.

    auch hintz&kunz wählen sich den falschen sündenbock aus.

    • @adagiobarber:

      Lesen sie den Hintz&Kunz-Artikel noch einmal. Meiner Meinung nach wird der Schulleiter keineswegs zum Sündenbock.

      Im Gegenteil sagt dort ja der Sozialarbeiter, dass er “die politisch Verantwortlichen in der Pflicht” sieht.