Kehrmonopol ist abgeschafft: Wettbewerb, marsch!
Seit dem 1. Januar haben Schornsteinfeger in Deutschland Konkurrenz. Die Preise sind nun flexibler, Hausbesitzer müssen sich selbst um Termine kümmern.
BERLIN taz | Manchmal ist der Schornsteinfeger ein Glücksbringer. „Nein, Sorgen machen müssen Sie sich nicht“, sagt der Schornsteinfeger, der im Heizungskeller eines Einfamilienhauses in Brandenburg steht. „Die Gasheizung ist völlig in Ordnung, die Abgaswerte sind gut.“ Die Miene des Hausbesitzers hellt sich auf. „Ich dachte schon, dass man die Anlage bald austauschen muss; sie wurde ja schon kurz nach der Wende eingebaut.“
Nee, ein paar Jahre mache die noch, erzählt der etwa 40-jährige Schornsteinfeger, während er seine Messgeräte wieder einpackt. Auch wenn neue Anlagen bessere Heizwerte hätten, lohne sich ein Austausch in diesem Falle wohl noch nicht.
„Muss ich noch aufs Dach?“, fragt der Schornsteinfeger, „heizen Sie noch mit Öfen?“ „Nein, nur der Kamin wird ein paarmal im Jahr benutzt.“ „Aber hoffentlich mit gut abgelagertem Holz“, sagt der Schornsteinfeger lachend und setzt hinzu: „Das gucke ich mir an.“ Beide Männer schleppen eine Stehleiter ins Obergeschoss des Hauses, wo sich eine Luke zum Dachboden befindet. Dort schlüpft der Schornsteinfeger hindurch, und wenig später ist er auf dem Dach.
Er gilt als Glücksbringer und taucht etwa auf Hochzeiten auf: der Schornsteinfeger, auch Kaminkehrer oder Schlotfeger genannt. Seit wann und warum der schwarze Mann als Glücksbringer gilt, ist allerdings nicht bekannt. Rationaler Kern dieses Volksglaubens dürfte die tatsächliche Wirkung der Tätigkeit des Kaminkehrers sein: Wird ein Schornstein regelmäßig gereinigt, bleibt er gut durchlässig.
Damit Menschen in Räumen, in denen mit offenem Feuer geheizt wird, nicht ersticken oder ihre Lungen schädigen – das extrem gefährliche Kohlenmonoxid ist geruchslos –, ist es notwendig, dass der Rauch gut abzieht. Wichtig ist zudem, dass Rußpartikel vom Innern des Schornsteins regelmäßig gelöst werden. Geschieht das nicht, können diese Partikel Feuer fangen, was einen gefährlichen Schwelbrand zur Folge hätte. All dies half der Schornsteinfeger jahrhundertelang zu verhindern. Damit vereitelte er Unglück – man kann also sagen: Er brachte Glück. (rot)
Dann grollt ein paarmal ein dumpfes Poltern durchs Haus; der Mann auf dem Dach klopft mit einer schweren Kugel, die an einem langen Seil hängt, den Schornstein aus. „Sie verwenden gutes Holz, wenig Ruß“, sagt der Schornsteinfeger, als er wieder unten ist. „Da muss ich nächstes Jahr vielleicht mal nicht aufs Dach.“ Nach einer Dreiviertelstunde ist der Besuch des Schornsteinfegers beendet, der insgesamt etwa 60 Euro kosten wird.
Gebietsmonopol wurde aufgehoben
Einmal pro Jahr kommt der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister ins Haus und überprüft die Heizungsanlagen – sozusagen der TÜV für Heizung und Schornstein. Mit der entsprechenden Regelung will der Staat nicht nur für Brandschutz sorgen, sondern auch die Umwelt schützen. Wenn beispielsweise die Abgaswerte einer Heizung nicht in Ordnung sind, kann eine Reparatur oder gar ein Austausch der Heizungsanlage angeordnet werden.
Seit dem 1. Januar aber ist vieles anders: Jetzt fällt das Gebietsmonopol der Bezirksschornsteinfeger. Das bedeutet: Hausbesitzer können die obligatorische Abgasüberprüfung ihrer Heizungen und das Reinigen der Kamine auch von anderen Schornsteinfegern oder anderen geeigneten Handwerksmeistern durchführen lassen, die beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle registriert sein müssen. Diese müssen dann allerdings dem Bezirksbevollmächtigten – so heißt der Bezirksschornsteinfeger fortan – nachweisen, dass alle nötigen Überprüfungs- und Wartungsarbeiten fristgerecht ausgeführt wurden.
Für bestimmte hoheitliche Aufgaben, etwa das Erstellen eines Feuerstättenbescheides, bleibt aber der Bezirksverantwortliche zuständig; er soll in Zukunft etwa alle dreieinhalb Jahre die Brandsicherheit einer Heizungsanlage eines Hauses überprüfen.
Mit dem Schornsteinfegermonopol fällt eines der letzten Monopole im deutschen Handwerkswesen – während es im Gesundheitswesen, etwa bei Apotheken, noch große vor Wettbewerb geschützte Bereiche gibt. Die Befürworter der Liberalisierung – die FDP kämpfte seit Jahren dafür – erhoffen sich durch zunehmende Konkurrenz sinkende Preise für die Verbraucher. Dadurch könne sich in Zukunft „ein reger Qualitäts- und Preiswettbewerb entwickeln, und das ist gut so“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP).
Keine langfristigen Kehrverträge abschließen
Hauseigentümer könnten nun für manche Tätigkeiten ihren Schornsteinfeger frei wählen; der Preis für die Leistungen sei frei verhandelbar und nicht an die bisherige Gebührenordnung gebunden. Mit der Öffnung der Schornsteinfegerbezirke setzt Deutschland auch die in der Europäischen Union vorgeschriebene Dienstleistungsfreiheit um.
Ob es aber tatsächlich zu geringeren Kosten für Hausbesitzer in Deutschland kommt, ist derzeit nicht abzusehen. Branchenkenner erwarten nämlich zu Beginn keinen großen Wettbewerb; schließlich gibt es nicht viele Schornsteinfegermeister, die keinen eigenen Kehrbezirk haben und etwa bei anderen Schornsteinfegern angestellt sind. Auch dürfte es sich für Schornsteinfeger kaum lohnen, innerhalb Deutschlands wild durch die Gegend zu fahren und Aufträge in fernen Gebieten anzunehmen, da in diesem Falle die Anfahrtswege zu zeitaufwändig und zu teuer sind.
Einige Schornsteinkehrer versuchen bereits jetzt, Haubesitzer für langfristige Kehraufträge zu gewinnen. Verbraucherschützer raten davon aber ab, weil die Entwicklung des Marktes im Moment nicht vorhersehbar ist. Bei einer langfristigen Bindung könnten Verbraucher also kräftig draufzahlen, deshalb sollten sie Kehraufträge besser nur einzeln vergeben.
Für die Hausbesitzer allerdings ändert sich etwas: Sie müssen sich fortan selber darum kümmern, dass ein Schornsteinfeger kommt und die notwendigen Arbeiten durchführt. Verpassen sie das, drohen Bußgelder von bis zu 5.000 Euro. Immerhin können sie nun die Termine mit dem Schornsteinfeger frei wählen. Vorbei also die Zeit, als irgendwann ein Zettel im Briefkasten lag, auf dem der Bezirksschornsteinfeger seinen obligatorischen Besuch zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach anordnete – wobei er sich in der Regel verhandlungsbereit gezeigt haben dürfte.
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