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Kataloniens UnabhängigkeitsbewegungPuigdemont will wieder antreten

Der seit 2017 im Exil lebende ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont will zurück ins Amt. Am 12. Mai wird in Katalonien gewählt.

Carles Puigdemont bei einer Pressekonferenz im Rathaus von Elna, Frankreich, am 21. März Foto: Agencia EFE/imago

Madrid taz | Carles Puigdemont will zurück. Der seit November 2017 im Brüssler Exil lebende ehemalige Präsident der katalanischen Regierung, der Generalitat, will wieder ins Amt. Das kündigte der 61-Jährige am Donnerstagabend in der Kleinstadt Elna im französischen Teil Kataloniens unweit der Grenze zu Spanien an. „Ich habe beschlossen, bei der nächsten Wahl zum katalanischen Parlament zu kandidieren“, sagte er vor mehreren Hundert Anhängern seiner Partei „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) in einer Ansprache im Rathaus. Sein Ziel sei es nach wie vor „den Unabhängigkeitsprozess zum Erfolg zu führen.“

Die Wahlen zum Autonomieparlament Kataloniens finden am 12. Mai statt. Die derzeitige Minderheitsregierung unter der ebenfalls nach Unabhängigkeit von Spanien strebenden Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) hatte sie vorgezogen, als die Haushaltsverhandlungen scheiterten.

Sollte er eine Mehrheit im neugewählten Parlament hinter sich vereinen, die ihn zum Präsidenten wählt, werde er „das Exil dauerhaft verlassen, um persönlich an der Sitzung teilzunehmen“, sagte der ehemalige Präsident. „Ich werde diese Gelegenheit nicht aus Gründen des persönlichen Wohlergehens verstreichen lassen“, erklärte Puigdemont unter tosendem Applaus.

Puigdemont hatte nach einem von Madrid untersagten Referendum über die Loslösung Spaniens sowie der umgehend wieder ausgesetzten Erklärung der Unabhängigkeit das Land verlassen. Seine Regierung war zuvor von Madrid aufgelöst worden. Puigdemont, der vielen bis heute als der „legitime Präsident Kataloniens“ gilt und mittlerweile EU-Parlamentarier seiner JxCat ist, wird von der spanischen Justiz seither wegen Aufstand gesucht.

Bereit, sich der Gefahr einer Verhaftung auszusetzen

Außerdem wird gegen ihn im Zusammenhang mit Protesten wegen Terrorismus ermittelt. Ein anderer Richter beschuldigt ihn gar des Hochverrats. Sobald das von der spanischen Linksregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez auf den Weg gebrachte Amnestiegesetz für mehrere Hundert Unabhängigkeitsaktivisten in Kraft tritt, werden diese Verfahren alle eingestellt werden müssen.

Wenn alles läuft wie vorgesehen, wird dies vor dem Zusammentreten des neuen katalanischen Parlaments in der zweiten Junihälfte der Fall sein. Wenn nicht, sei Puigdemont bereit, sich der Gefahr einer Verhaftung auszusetzen, sagt sein Anwalt Gonzalo Boye.

„Damit keine Zweifel aufkommen und niemand spekuliert: Ich habe beschlossen, von der Liste für die Wahlen zum Europäischen Parlament zurückzutreten“, erklärte Puigdemont. „Dass es klar ist: die Wahlen zum katalanischen Parlament sind meine Priorität. Ich geh auf's Ganze“, fügte er bei seinem Auftritt in Elna hinzu.

Puigdemont wirbt für gemeinsame Liste der Unabhängigkeit

Die Kleinstadt ist für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung symbolträchtig. Hier war einst nach dem faschistischen Putsch und anschließendem Bürgerkrieg in Spanien ein Konzentrationslager für Flüchtlinge aus Katalonien und dem restlichen Spanien, und 2017 wurden hier die Urnen für das Unabhängigkeitsreferendum zwischengelagert, bis sie trotz einer groß angelegten Geheimdienst- und Polizeiaktion erfolgreich über die Grenze geschmuggelt wurden.

Puigdemont warb bei seiner Rede für eine breite, gemeinsame Liste aller Parteien und Organisationen, die für die Unabhängigkeit eintreten, wie dies 2015 der Fall war. Der derzeitige katalanische Präsident und Spitzenkandidat für ERC, Pere Aragonès, lehnte dies umgehend ab. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie die einflussreichen Unabhängigkeitsorganisationen der katalanischen Zivilbewegung, die Katalanische Nationalversammlung und Omnium Cultural sich positionieren werden.

Umfragen gibt es bisher wenige. Denen zu Folge würden die Sozialisten des in Spanien regierenden Pedro Sánchez die Wahl gewinnen. Doch die Unabhängigkeitsparteien hätten gemeinsam die Möglichkeit auf eine Mehrheit im Parlament. Stärkste Kraft in diesem Lager ist bisher ERC vor JxCat. Doch das war vor Puigdemonts Auftritt in Elna.

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4 Kommentare

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  • Die grundlegende Frage bez.der Unabhängigkeit Kataloniens ist ein politischer Souveränitätskonflikt.

    Über das spanische Parlament wăre eine Änderung des Status Quo nur zu erreichen, wenn die Kosten des Prestigeverlustes des Zentralstaats und der nationalen, spanischen Bevölkerungsmehrheit höher wären als der Macht- und Finanzkraftverlust. Die Verfassungsänderung ist daher zwar ein beliebter, aber recht zynischer Vorschlag.

    Das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung und konkret das Recht auf ein ausgehandeltes Referendum, welches seit etwa 2012 von etwa zwei Drittel der Bevölkerung Kataloniens gefordert wird, ist in Anbetracht der Tatsache daß die Befürworter der Unabhängigkeit seit 2015 die Mehrheit des katalanischen Parlamentts stellen, nicht auf Dauer in einem demokratischen Umfeld zu verweigern.

    Ich denke, daß bei diesem Konflikt die EU (als auch der Europarat) im Sinne der demokratischen Grundwerten der EU und zum Wohle aller Betroffenen auf den Zentralstaat behutsam aber bestimmt einwirken muss.

    • @Priest:

      Die EU hat keine Kompetenz sich in innere Angelegenheiten eines Mitgliedes einzumischen. Dies hat Herr Puigdemont zwar stets behauptet, ist von der EU jedoch stets zurück gewiesen worden. Angesichts weiterer schlummernder Konflikte (Frankreich, Italien, Belgien) ist diese klare Abgrenzung auch nicht verwunderlich.

      An die EU sollten keine Forderungen herangetragen werden, die sie nicht erfüllen kann. Das schürt nur Hoffnungen und führt zu Enttäuschungen. Das müssen die Spanier unter sich ausmachen.

      • @DiMa:

        Wenn die inneren Angelegenheiten elementare Grundrechte und deren Verletzungen (Operación Catalunya, Catalan Gate Pegasus-Spionage) betreffen, hat die EU sowohl Kompetenzen (zumindest über den EuGH) als auch Pflichten (politische Einflußnahme gibt es immer und überall!).



        Die "Provokation" des unilateralen Referendums oder die darauffolgenden "Polizeieinsätze" und "richterliche Bestrafung der sog.Rebellen" (z.B. die von A.I. kritisierte U-Haft der beiden Jordis) als Verletzung des Rechtsstaates zu beurteilen, ist scheinbar Ansichtssache, aber vor allem Politik.

  • Das Regionalparlament bleibt weiterhin frei die Frage der Unabhängigkeit unzuständig. Wenn er sich darum kümmern wollen würde, dann müsste er sich ins spanische Parlament wählen lassen und dort eine Verfassungsänderung vorantreiben.

    So wiederholt sich das Ganze allenfalls wieder und bereits beim letzten Mal hatte er stets öffentlich betont, gegebenfalls auch ins Gefängnis zu gehen.