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Katalane Junqueras bleibt in HaftSpanien ignoriert EU-Recht

Das Oberste Spanische Gericht verurteilt den katalanischen EU-Abgeordneten Junqueras. Dabei genießt er laut dem Europäischen Gerichtshof Immunität.

Darf sein Amt nicht antreten: Gewählter EU-Vertreter Oriol Junqueras Foto: Paul White/ap

Madrid taz | Der ehemalige katalanische Vize­regierungschef und gewählte Europaabgeordnete Oriol Junqueras darf seinen Sitz in Brüssel am kommenden Montag nicht einnehmen. Das beschloss am Donnerstag der oberste Gerichtshof Spaniens. Die Richter werden dem Europaparlament mitteilen, dass Junqueras rechtskräftig verurteilt ist und damit keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden kann.

Junqueras war von derselben Kammer zusammen mit acht weiteren katalanischen Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten im Oktober zu 13 Jahren Haft wegen „Aufruhr“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ verurteilt worden. Der Grund: Die katalanische Regierung hatte 2017 trotz Verbot durch die Madrider Zentralregierung ein Referendum über die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region abgehalten.

Das oberste Gericht Spaniens widerspricht damit einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das kurz vor Weihnachten feststellte, dass Junqueras bereits seit Bekanntgabe des Ergebnisses der Europawahlen im vergangenen Mai Immunität als Europaparlamentarier genießt. Das Verfahren gegen ihn hätte ausgesetzt und er freigelassen werden müssen, um seinen Sitz einzunehmen.

Die Justiz verweigerte ihm dies bereits damals, in dem sie ihn nicht vor der spanischen Wahlbehörde den Amtseid leisten ließ. Jetzt heißt es in der Begründung des obersten Gerichts, die Hauptverhandlung sei einen Tag vor der Vereidigungs­zeremonie zu Ende gegangen.

EU-Recht steht über nationalem Recht

Damit stünde das Urteil über der Immunität des damals noch in Untersuchungshaft sitzenden Junqueras, der mittlerweile von der EU-Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz zum stellvertretenden Fraktionschef gewählt wurde. Das Absurde: Die hohen Richter selbst hatten den EuGH angerufen, um Junqueras’ Status klären zu lassen.

„Schande über die spanische Justiz“, twitterte Pere Aragonès, derzeitiger stellvertretender Regierungschefs Kataloniens und Mitglied der Republikanischen Linken (ERC), der Junqueras vorsteht. Der Richterspruch ist auch innenpolitisch brisant. Denn ERC verhalf Anfang der Woche dem Sozialisten Pedro Sánchez mit ihrer Stimmenthaltung ins Amt. Sánchez versprach im Gegenzug Dialog statt richterliche Aktionen.

„Es handelt sich nicht mehr um einen Konflikt zwischen Junqueras und dem Staat. Jetzt handelt es sich um einen Konflikt zwischen dem spanischen obersten Gerichtshof und dem EuGH“, erklärte die katalanische Justizministerin Ester Capella.

Eigentlich stehen europäische Urteile über denen der nationalen Justiz. Der einzige Weg, Junqueras rechtmäßig in Haft zu halten, wäre seine vorübergehende Freilassung, gefolgt von einem Antrag beim Parlament in Brüssel, seine Immunität aufzuheben. Der Fall Junqueras – und damit der Katalonienkonflikt – wird Europa wohl weiterhin beschäftigen.

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5 Kommentare

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  • Hoffentlich unternimmt die neue spanische Regierung auch rechtspolitisch einen Neuanfang. Die offenbar PP-nahen Richter hängen noch einer großspanischen Ideologie an, die den Herausforderungen der Moderne nicht entspricht.

  • Sanchez soll jetzt einfach die Richter wechseln...

    • @yurumi:

      Sánchez hat ab nächster Woche viele Möglichkeiten, Gerechtigkeit walten zu lassen. So könnte er etwa die zu Unrecht verurteilten Politiker begnadigen. und natürlich müssen die rechts tickenden Richter abgelöst werden. Aber will er das? Die republikanischen Katalanen haben ihm ins Amt verholfen und er wird sie bei allen Maßnahmen, die vom Parlament abgesegnet werden müssen wieder brauchen. Aber er will sich nicht die Finger verbrennen, es "drohen" ja in absehbarer Zeit neue Wahlen....

      • @nischu:

        Die Verurteilung dieser Politiker geschah NICHT zu Unrecht. Die Unabhängigkeit einer Comunidad Autónoma ist in der spanischen Verfassung nicht vorgesehen. Die Durchführung eines Referendum über die Unabhängigkeit (gegen die ausdrücklicher Anordnung der Zentralregierung) ist somit nach spanischem Recht illegal. Da für dieses Referendum Geld der Steuerzahler verwendet wurde ist der Strafbestand der Veruntreung öffentlicher Gelder dadurch erfüllt.

        Sie hatten außerdem Glück dass sie nur wegen Aufruhrs und nicht wegen Rebellion verurteilt worden sind (der Unterschied besteht darin dass bei der Rebellion die Gewalt geplant wäre), denn darauf stehen 25 Jahre Haft.

        Es stimmt zudem auch nicht dass eine Mehrheit der katalanischen Bevölkerung eine Unabhängigkeit überhaupt will (aktuell ist ca. 50 - 60 Prozent dagegen).

        Das Märchen der armen katalanischen Politiker, die für die Freiheit ihres "Volkes" kämpfen ist einfach unwahr. Sorry, Puigdemont

        • @Urhen:

          Tatsache ist es, dass diese "arme katalanische Politiker" die Mehrheit im katalanischen Parlament wieder haben.... also....