Kaserne in Schleswig-Holstein umbenannt: Ehrung für NS-Offizier
Die Rettberg-Kaserne in Eutin trägt jetzt nicht mehr den Namen eines Kriegsverbrechers aus dem Ersten Weltkrieg. Sondern den eines Wehrmachtoffiziers.
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Kritiker*innen bemängeln, die Bundeswehr habe ein Übel gegen das nächste ausgetauscht: „Das ist ein Entlastungsnarrativ“, sagt Jakob Knab, der mit seiner „Initiative gegen falsche Glorie“ bundesweit viele Umbenennungen vorantreibt. Eine wichtige Frage in Bezug auf Herrmann lautet für ihn: „Hat Herrmann als Mitglied der SA 1934 am Boykott jüdischer Geschäfte teilgenommen?“
Die Bundeswehr zeichnet in einem Brief an die Initiative Ende Juni ein positives Bild ihres Kameraden: Herrmann gelte in Eutin als „integre Persönlichkeit“, schreibt ein Oberst aus dem Verteidigungsministerium. Anhaltspunkte dafür, dass er „schuldhaft in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen sein könnte“, gebe es nicht.
Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Linken, irritiert das Vorgehen: Dass die Rettberg-Kaserne nicht mehr nach einem kaiserlichen Militaristen und Kriegsverbrecher benannt ist, sei erst mal zu begrüßen. Dass jedoch „ein Offizier aus Hitlers Wehrmacht zum Namenspatron gemacht wird, zeigt dass die Bundeswehr nicht zu einem wirklichen Neuanfang bereit ist“.
Einwandfreie „nationalsozialistische Haltung“
Noch Anfang 1944 sei Herrmann eine einwandfreie „nationalsozialistische Haltung“ attestiert worden. Von ihm seien „keinerlei kritische Positionen gegen das NS-Regime bekannt“. Ihn mache „fassungslos“, dass man schon völlig zufrieden sei, wenn man bei den Namensgebern keine Belege für Kriegsverbrechen finde, sagt Korte. „Für eine demokratische Traditionsbildung kann das doch nicht ernsthaft reichen.“ Es gebe „jede Menge Alternativen“, etwa Namen aus dem Widerstand. „Aber offensichtlich war das nicht gewollt.“
34 Umbenennungen umfasst die Liste von Knabs Initiative seit 1995: Kasernen, Lehrsaalgebäude, Straßen. Sieben weitere folgen 2022, gleich drei davon in Kiel: Tirpitzhafen, Tirpitzmole und Scheermole.
Leicht tut sich die Bundeswehr dabei nicht. „Da wird meist eine ziemliche Hinhaltetaktik betrieben“, sagt Klaus Dieter Hartwig, Marinehistoriker in Kiel. Vor zwei Jahren hat er beim Landeskommando Holstein einen Vortrag gehalten. In der Diskussion habe ein Stabsbootsmann gesagt: „Dann können wir ja eigentlich niemanden nehmen, der in der Wehrmacht gedient hat.“ Hartwigs Meinung dazu ist klar: „Der Mann hatte Recht.“
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