Karneval der Kulturen in Berlin: Erinnerungen an Köln werden wach
Beim Kreuzberger Karneval am Wochenende wurden zahlreiche Frauen sexuell genötigt. Mehrere Tatverdächtige wurden festgenommen.
Die Vorfälle ereigneten sich laut Polizei an allen Abenden des langen Pfingstwochenendes von Freitag bis Montag. Täglich waren bei dem Kreuzberger Fest Zehntausende Menschen unterwegs. Die Polizei hält es für möglich, dass sich noch weitere Opfer melden.
Mindestens vier verdächtige Männer seien bisher bekannt, so die Polizei. Zwei polizeibekannte 17-jährige Jugendliche mit türkischer Nationalität und einen 14-jährigen Jugendlicher nahm die Polizei bereits Samstag fest. Der 14-Jährige habe vermutlich eine deutsche Nationalität und eine ausländische Herkunft. Verdächtig ist außerdem ein 40-jähriger Türke.
Sieben weiterere Verdächtige wurden bei dem Fest wegen Trickdiebstählen mit Antanzen ohne sexuelle Nötigung festgenommen. Zudem wurden elf weitere mutmaßliche Diebe gefasst. Diese 18 Verdächtige haben aber nichts mit den sexuellen Übergriffen zu tun.
Vor einer Bühne eingekreist
Die Taten erinnern an die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht. Dort waren über Stunden hinweg zahlreiche Frauen von Männern, die zumeist aus Nordafrika stammten, sexuell belästigt und bedrängt und auch bestohlen worden.
Die Frauen sind zwischen 16 und 48 Jahre alt. Einige hätten ausgesagt, sie seien mit mehreren Freundinnen unterwegs gewesen, denen das gleiche passiert sei, wie Neuendorf sagte.
Die Opfer sagten aus, dass sie beim Tanzen vor einer Bühne von je einer Gruppe von etwa zehn Männern angetanzt, eingekreist und bedrängt worden seien. Versuchten Frauen, vor der Gruppe zu fliehen, wurden sie immer wieder zurückgezogen. Die Männer fassten die Frauen im Intimbereich an- an der Brust, am Po oder im Schritt. Körperliche Verletzungen erlitt nach Angaben der Polizei keine Frau.
Ein Vorfall, bei dem eine 17-jährige und eine 18-jährige Frau am Samstagabend bedrängt und bestohlen wurden, wurde schnell bekannt, weil die Polizei einschritt und dazu eine Pressemitteilung am Sonntag herausgab. Ein 16 Jahre altes Opfer vom Freitagabend meldete sich erst am Samstag über seine Mutter bei der Polizei.
In beiden Fällen hatten Männer von außen eingegriffen und die Frauen befreit. Der 27-jähriger Mann filmte und griff ein, obwohl ihn die Täter aggressiv verscheuchen wollten. Der Film soll ausgewertet werden. Über den Freitagabend sagte ein Polizeisprecher: „Ein Zeuge hat sich eingemischt und ist sehr resolut dazwischen gegangen und hat gesagt: „Ich rufe die Polizei“ und so die Situation gerettet.“
Ermittlungsgruppe „Antänzer“
Andere Frauen wandten sich an den nächsten Abenden direkt an Polizisten. Zwei Frauen gaben Anzeigen erst am Ende des Wochenendes über das Internet ab, offenkundig nach entsprechenden Berichten in den Medien.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) verurteilte die sexuellen Übergriffe: „Dieses erniedrigende und frauenverachtende Vorgehen ist ebenso abstoßend wie kriminell.“ Er forderte weitere mögliche Opfer dringend auf, sich bei der Polizei zu melden.
Henkel erklärte, das Phänomen der sogenannten Antänzer habe in Deutschland deutlich zugenommen. „Die Berliner Polizei nimmt dieses Problem sehr ernst und hat bereits am 1. April 2016 eine sechsköpfige Ermittlungsgruppe „Antänzer“ gegründet.“
Unterscheiden muss man nach Einschätzung der Polizei zwischen dem reinen „Antanztrick“ von organisierten Taschendieben, mit dem Opfer abgelenkt und bestohlen werden sollen und der Belästigung, Bedrängung und Erniedrigung von Frauen durch größere Männergruppen, bei der es vorrangig nicht um Diebstahl geht – auch wenn nebenbei gestohlen wird. Allerdings gebe es Überschneidungen und Vermischungen zwischen den Tätergruppen, hieß es. Die neue Ermittlungsgruppe „Antänzer“ gehe gegen das gesamte Phänomen vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin