Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee: Marineaufgebot gegen Saboteure
Erneut sind Untersee-Datenkabel in der Ostsee beschädigt worden. Nun soll Militär gegen die russische Schattenflotte helfen.
Dieses Mal ist eins von fünf Kabeln in der Ostsee beschädigt, am ersten Weihnachtstag schreckte dies zunächst Finnland und Estland auf. Denn dort wurde die Unterbrechung des Stromkabels Estlink 2 zuerst bemerkt. Später wurden auch Störungen bei drei finnisch-estnischen Telekommunikationskabeln gemeldet – und wieder an dem einen, das nach Deutschland führt.
Beim letzten Vorfall Mitte November hatte es fast noch forsch gewirkt, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sofort von Sabotage ausging. „Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind“, sagte er damals. Schwedische Zeitungen erklärten derweil, warum es nicht unbedingt Sabotage sein muss, wenn ein Kabel kaputt geht. Dann stellten aber auch die schwedischen Ermittlungsbehörden klar, dass sie wegen des Verdachts auf Sabotage ermitteln.
Schweden war in den November-Fällen zuständig, weil beide Schäden – betroffen war auch ein Datenkabel zwischen Schweden und Litauen – in der schwedischen Wirtschaftszone verursacht worden waren. Die Ermittlungen dauern übrigens noch an. Unter Verdacht geriet der unter chinesischer Flagge fahrende Frachter „Yi Peng 3“.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Nato sagt Unterstützung zu
Auch für die Kabelbrüche an Weihnachten wird nun ein Schiff verantwortlich gemacht: Der Öltanker „Eagle S“, der unter der Flagge der Cookinseln fährt. Der finnische Premierminister Petteri Orpo stellte sofort eine Verbindung her, die bislang so direkt nicht vorkam: Die „Eagle S“ sei Teil der sogenannten russischen Schattenflotte, die in der Ostsee Sabotageakte ausführe.
Finnland bekam am Freitag umgehend Hilfe von Nato-Generalsekretär Mark Rutte zugesagt. Via X kündigte Rutte an: „Die Nato wird ihre Militärpräsenz in der Ostsee verstärken.“ Auch der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur hatte zuvor auf derselben Onlineplattform geschrieben, dass Estland eine Marinepatrouille in die Region schicke.
Wie Finnland geht auch die EU-Kommission offiziell davon aus, dass die „Eagle S“ Teil der Schattenflotte Russlands ist. „Wir verurteilen jegliche absichtliche Zerstörung von Europas kritischer Infrastruktur scharf“, hieß es in einer Mitteilung. Die Schattenflotte bedrohe die Sicherheit und die Umwelt, während sie Russlands Kriegskasse fülle. Die EU-Kommission kündigte weitere Maßnahmen inklusive Sanktionen an, die auf die Flotte zielen.
Experten fordern mehr Überwachung
Dass Finnland anders als früher äußerst schnell und entschlossen reagierte, bestätigte ein Experte für Seerecht dem finnischen Rundfunk Yle. „Nicht zuletzt die finnischen Behörden haben sowohl schnell als auch ziemlich mutig agiert, um das verdächtige Fahrzeug für weitere Untersuchungen in finnische Gewässer zu bringen“, sagte Henrik Ringbom von der Universität Åbo Akademi. Das sei nicht einfach zu bewerkstelligen und nicht ganz unproblematisch. „Ich halte es für eine sehr gute Entwicklung, dass man so schnell agiert.“
Als Teil der russischen Schattenflotte gelten Schiffe, die das internationale Seerecht nutzen, um etwa Öl aus Ostseehäfen des vom Westen sanktionierten Russland durch die Ostsee in die Welt zu schaffen. Sie sind oft älter, fahren unter wechselnden Flaggen, in schwer zu durchschauenden Besitzverhältnissen und ohne Versicherung. Bis auf die Kontrolle wegen Versicherungsverstößen haben die Anrainer bislang wenig Handhabe gegen das bekannte Problem.
Nach den jüngsten Vorfällen fordert ein Experte für Infrastruktur auf See die Ostseeländer nun auf, diese Schiffe besser zu überwachen. „Fahrzeuge, die mit der sogenannten Schattenflotte in Verbindung gebracht werden und die zu Sabotageakten überredet werden können, sollten unter Bewachung stehen und fotografiert werden, sobald sie den Öresund durchfahren“, sagte Hans Liwång von der schwedischen Verteidigungshochschule in Stockholm gegenüber Yle. Bislang gibt es lediglich den Beschluss der Anrainerstaaten, russische Öltanker regelmäßiger auf Versicherungsnachweise zu kontrollieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel