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Kanzler Scholz reist nach VietnamHoffnung für Trinh Xuan Thanh

Am Sonntag fliegt Bundeskanzler Olaf Scholz nach Vietnam. Dabei dürfte es auch um den 2017 von Berlin nach Hanoi entführten Trinh Xuan Thanh gehen.

In einem politischen Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt: Trinh Xuan Than im August 2017 Foto: Kham/reuters

Berlin taz | Auf dem Weg zum G20-Gipfel macht Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag einen Zwischenstopp in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Ihn wird eine Wirtschaftsdelegation begleiten. Oder besser gesagt: Scholz begleitet deutsche Firmen, die in der Sozialistischen Republik Geschäfte machen wollen. Dazu sind Politiker als Türöffner nützlich.

Scholz trifft Vietnams Premierminister Pham Minh Chinh sowie den Chef der Kommunistischen Partei und damit praktisch mächtigsten Mann im Land, Nguyen Phu Trong. Doch der Besuch ist heikel.

Seit 2017 der vietnamesische Geheimdienst mitten in Berlin einen Mann entführt und verschleppt hat, ist das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Vietnam getrübt. Das Entführungsopfer, der frühere Wirtschaftsfunktionär Trinh Xuan Thanh, sitzt noch immer in Hanoi in Haft. 2018 wurde er wegen mehrerer Wirtschaftsvergehen in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt. Nach jahrelanger Einzelhaft teilt er sich seit 2021 eine Zelle mit 25 Männern.

Deutschland hat die zwischenstaatlichen Beziehungen nach der Entführung zunächst auf Eis gelegt, inzwischen sind sie wieder einigermaßen normalisiert. Der Besuch von Scholz nährt nun allerdings die Hoffnung, dass nun endlich auch Bewegung in den Fall von Trinh Xuan Thanh kommt. Kann er auf seine Freilassung hoffen? Lässt das Regime in Hanoi ihn bald zu seiner Familie nach Deutschland ausreisen? Es gibt Indizien, die dafür sprechen – und es gibt Indizien, die dem entgegenstehen.

Ausreise schon bald?

Im nächsten Jahr, so heißt es, soll auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Vietnam reisen. Und Vietnams Außenminister Bui Thanh Son soll Berlin einen offiziellen Besuch abstatten. So viel Reisediplomatie ohne die Freilassung des Entführten ist kaum denkbar.

Zudem konnten vor zwei Wochen zwei deutsche Diplomaten Trinh Xuan Thanh endlich in der Haft besuchen. Zuvor hatte Vietnam der deutschen Botschaft Haftbesuche verwehrt. Bei früheren Haftentlassungen von vietnamesischen Gefangenen nach Deutschland ging ein Botschaftskontakt der Ausreise immer unmittelbar voraus. Der ist notwendig, um die Ausreisepapiere zu fertigen.

Ein Vietnamese aus Berlin mit guten Kontakten zum Hanoier Innenministerium will zudem erfahren haben, dass Trinh Xuan Thanh vor dem Botschaftsbesuch von der vietnamesischen Polizei besucht wurde. Er habe unterschreiben müssen, dass er im Falle einer Ausreise nach Deutschland über die Entführung schweigt, sagt der Mann, der anonym bleiben will. Die Aussage lässt sich unabhängig nicht überprüfen.

Ein anderer in Berlin lebender Vietnamexperte hält hingegen eine Ausreise von Trinh Xuan Thanh zum jetzigen Zeitpunkt für wenig wahrscheinlich. Er verweist darauf, dass die Entführung von Vietnams Innenminister To Lam beauftragt wurde. Der hatte ihn höchstpersönlich in der slowakischen Hauptstadt Bratislava in Empfang genommen. Und er ist noch im Amt.

Parteichef Nguyen Phu Trong, den Scholz am Sonntag trifft, habe gefordert, den nach Deutschland geflohenen Trinh Xuan Thanh unter allen Umständen in Vietnam vor Gericht zu bringen. Für den Experten ist darum eine Haftentlassung von Trinh Xuan Thanh undenkbar, solange die beiden noch im Amt sind.

„Meine Hoffnung auf Freilassung meines Mandanten besteht nach wie vor“, sagt Trinh Xuan Thanhs Anwältin Petra Schlagenhauf der taz. „Aber sicher bin ich erst, wenn er in Schönefeld aus dem Flugzeug steigt.“

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