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Kannibalen-Prozess in DresdenSachse zerstückelte gebürtigen Polen

Das Landgericht Dresden verurteilt einen Ex-LKA-Beamten in zweiter Instanz nicht zu „lebenslänglich“. Eine Revision ist möglich.

Der Angeklagte bei Prozessbeginn im November Foto: dpa

Dresden taz | Das Landgericht Dresden hat das erstinstanzliche Urteil gegen den sogenannten Kannibalen vom Glimmlitztal in der Tendenz bestätigt. Eine Strafkammer verurteilte den ehemaligen Kriminalbeamten Detlev G. wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu einer Gesamtstrafe von acht Jahren und sieben Monaten. Sie setzte sich damit über den Bundesgerichtshof hinweg, der ein erstes ähnliches Urteil aus dem Jahr 2014 moniert und den Fall ans Landgericht zurückverwiesen hatte. Bei Mord sei nur lebenslänglich möglich, hatten die Karlsruher Richter argumentiert.

Der jetzt 57-jährige G., vor seiner Tat Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts, entdeckte vor zehn Jahren sadomasochistische Neigungen. Im Keller der von ihm gepachteten Pension im Glimmlitztal richtete er einen SM-Raum ein. Über eine Internetplattform lernte er Männer mit kannibalistischen Anliegen kennen, die sich von ihm schlachten und aufessen lassen wollten.

Dennoch zögerte er zunächst, als am 4. November 2013 der aus Polen stammende 59-jährige Geschäftsmann Wojciech S. aus Hannover erschien, um zu sterben. Dann aber gab G. dessen dringendem Wunsch nach, zerstückelte die Leiche und vergrub die Teile auf dem Grundstück. Zwei Wochen später wurde er verhaftet. Das Gericht sah bei G. ein Motiv sexueller Lustbefriedigung als erwiesen an. Leichenteile soll er allerdings nicht verzehrt haben. Anders als andere Details des Verbrechens ist der Moment der Tötung von Wojciech S. nicht durch Videos des Angeklagten belegt. Das Gericht bezweifelte dessen Version, das Opfer habe sich in seiner Abwesenheit erhängt.

Trotz der Verurteilung wegen Mordes begründete der Vorsitzende Richter, warum wie schon beim ersten Prozess nicht die von der Staatsanwaltschaft und dem BGH geforderte lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wurde. Das Einverständnis und der „unbedingte Wille“ des Getöteten schränkten die Mordmerkmale ein. Es handele sich um einen „Grenzbereich von Strafnormen“, sagte der Vorsitzende Richter.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Dresdner Staatsanwaltschaft kommentierte die Urteilsbegründung als „nicht unvernünftig, aber nicht rechtskonform“. Auch die Verteidigung ließ eine erneute Revision offen.

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5 Kommentare

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  • 6G
    64457 (Profil gelöscht)

    Ist die Überschrift jetzt eine ironische Reaktion auf die Forderung, Nationalitäten zu nennen? Hier ist sie ja nun wirklich nicht relevant und Fremdenfeindlichkeit kann man als Motiv ja nun echt ausschliessen. Oder soll das eine Steilvorlage für die "Deutsche machen so was auch"-Verfechter sein?

    • @64457 (Profil gelöscht):

      Also der Kannibale von Rothenburg hat seinen Film bekommen, Menschenessen ist in BRD nix neues. Hier ist's halt mal ne rein osteuropäische Geschichte.

  • Warum enthaltet ihr der Onlinegemeinde eigtl. die Überschrift der Printausgabe vor, die da lautet: "Kannibalen-Sachse

    zerstückelt gebürtigen Polen"

    Wollt ihr nur am Kiosk mit der BILD konkurrieren?

  • Kann verstehen, dass man als Richter in der Konstellation von "lebenslang" zurück schreckt. Die Version des Angeklagten, der Tote habe sich letztlich selbst getötet, mag unglaubwürdig sein. Sauber widerlegt ist sie wohl nicht. In so einer Indiziensache die Höchststrafe zu verhängen ist nicht einfach. Gut, dass wir in D. keine Todesstrafe mehr haben.

  • Das stelle ich mir nicht ganz einfach vor, poshum festzustellen, ob der Getötete Mann tatsächlich einen "unbedingte[n] Wille[n]" hatte zu sterben und ob er tatsächlich sein "Einverständnis" zum Mord gegeben hat. Die Grenze zwischen sexueller Fantasie und realer Erwartung sind schließlich selbst für die Beteiligten mitunter kaum erkennbar. Gut möglich, dass das Opfer bis zuletzt geglaubt hat, das Ganze wäre nur ein schräges Spiel und jede Art von Zustimmung nur ein Text, der zu einer Rolle gehört.