Kandidatur für Linkenvorsitz: Reichinnek tritt gegen Wissler an
Die Expertin für Frauenpolitik Heidi Reichinnek kandidiert für den Linken-Parteivorsitz. Sie will für Feminismus und für soziale Themen kämpfen.
„Wenn wir die Krise unser Partei überwinden wollen, muss sich die vielbeschworene Erneuerung auch im Parteivorstand wiederspiegeln“, schreibt Reichinnek in einer Presseerklärung. Es brauche Menschen, die die Sprache der Leute sprechen, für die man Politik machen wolle. Viele Menschen fühlten sich von der Politik nicht mehr vertreten, gingen nicht mehr zu Wahl. Genau diesen Personen müsse die Linke zeigen, dass man für sie da sei.
Reichinnek nennt soziale Gerechtigkeit als zentrales Anliegen der Linkspartei. Sie sieht aber auch die Klimafrage als soziale Frage und die Linkspartei an der Seite von sozialen Bewegungen, ob für Frieden oder für Klimagerechtigkeit.
Damit versucht Reichinnek genau wie Wissler eine Brücke zu schlagen zwischen verschiedenen Themen und Milieus, die von manchen in der Linkspartei in der Vergangenheit als Gegensätze behandelt wurden.
Favoritin der Fraktionsspitze
Während Wissler als Favoritin der Bewegungslinken ins Rennen geht, einer Parteiströmung, die stark auf die Verankerung der Partei in sozialen Bewegungen setzt, gilt Reichinnek als Kandidatin der Fraktionsspitze.Auf taz-Anfrage äußerte sich Reichinnek dazu nicht.
Mit der Unterstützung der beiden Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch und deren Mehrheitsbündnis in der Fraktion war Reichinnek im Herbst in den Fraktionsvorstand gewählt worden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt erst einen Monat im Bundestag saß.
Die 34-Jährige Politikwissenschaftlerin und Nahostexpertin, die zuletzt in der Jugendhilfe arbeitete, ist in Sachsen-Anhalt geboren und aufgewachsen. Sie studierte zunächst in Halle-Wittenberg, später in Marburg und arbeitete dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt des Auswärtigen Amtes zu Islamismus und Salafismus in den arabischen Transformationsgesellschaften.
2015 trat Reichinnek in die Linkspartei ein, seitdem ging es für sie in der Partei steil nach oben: Ab 2016 vertrat sie die Linke im Stadtrat von Osnabrück, ein Jahr später wurde sie zur Landessprecherin der Linksjugend solid und 2019 zur Landesvorsitzenden der Linken in Niedersachsen gewählt. 2021 zog sie über die Landesliste in den Bundestag ein.
Wissler, die zwar ebenfalls neu im Bundestag ist, aber zuvor dreizehn Jahre lang Fraktionsvorsitzende in Hessen war, ist klar die erfahrenere Politikerin. Sie ist jedoch angeschlagen durch Sexismusvorwürfe in ihrem Landesverband, denen sie angeblich nicht konsequent genug nachgegangen sei. Hinzu kommt der desolate Zustand der Partei, die zuletzt mehrere Wahlniederlagen verkraften musste.
Reichinnek verspricht in ihrer Bewerbung, den Stimmen der Mitglieder mehr Gehör zu verschaffen. Außerdem stehe sie für eine feministische Partei: „Das Eintreten für Feminismus heißt auch, unsere eigenen Probleme in den Griff zu bekommen“, schreibt Reichinnek.
Am Dienstag dieser Woche hatten auch der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann und der Europaabgeordnete Martin Schirdewan ihre Kandidatur bekannt gegeben. Schirdewan hatte der taz erklärt, er könne sich gut vorstellen die Partei gemeinsam mit Wissler zu führen. Der ehemalige Vorsitzende der Linken Bernd Riexinger warb gegenüber der taz ebenfalls für Wissler und Schirdewan als künftige Parteivorsitzende: „Ich traue es Janine Wissler und Martin Schirdewan zu, die Partei zu führen und gegenüber der Fraktion als politisches Zentrum zu stärken.“
Die Delegierten der Basis werden vorraussichtlich am 25.Juni darüber abstimmen, welches Duo die Linkspartei künftig führt.
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