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Kandidatin für Berlin-WahlFrüher taz, jetzt AfD

Sibylle Schmidt lebte ein Sponti-Leben, war in der SPD. Bei den Berlin-Wahlen im September kandidiert sie für die Alternative für Deutschland.

Am 18. September will die AfD in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Mit Sibylle Schmidt? Foto: dpa

Berlin taz | Die Ber­li­ner SPD muss im Wahl­jahr einen spek­ta­ku­lä­ren Über­tritt zur AfD hin­neh­men. Si­byl­le Schmidt, eh­ren­amt­li­che Par­tei­funk­tio­nä­rin mit lin­kem Le­bens­lauf, ist aus der SPD aus­ge­tre­ten und kan­di­diert zur Ab­ge­ord­ne­ten­haus­wahl im Sep­tem­ber für die AfD. In Kreuz­berg be­wirbt sie sich um ein Di­rekt­man­dat.

Das ist ein er­staun­li­cher Wan­del. Schmidt ist Ur­kreuz­ber­ge­rin. In den 1980ern be­trieb sie einen be­kann­ten Kon­zert­club, war in der Kreuz­ber­ger Spaß­par­tei „KPD/RZ“ aktiv und mach­te zwi­schen­zeit­lich für die taz Mar­ke­ting. Kurz vor dem Mau­er­fall or­ga­ni­sier­te sie in der DDR Punk-Kon­zer­te und er­öff­ne­te spä­ter in Ber­lin-Mit­te die „Tanz­schu­le Schmidt“, die in Wirk­lich­keit ein Club war.

Kurz: Si­byl­le Schmidt hat einen wasch­ech­ten lin­ken Spon­ti-Le­bens­lauf. Ihre Kan­di­da­tur für die AfD ist al­ler­dings keine iro­ni­sche Spon­ti-Ak­ti­on, son­dern ernst ge­meint. Wie kommt es, dass Schmidt im Sep­tem­ber bei der AfD auf zwei Ber­li­ner Wahl­lis­ten steht?

Bald in der BVV?

Schmidt ist noch nicht Mit­glied in der Par­tei. Dass sie für die AfD ein Man­dat er­ringt, ist aber durch­aus mög­lich. Den di­rek­ten Ein­zug ins Ab­ge­ord­ne­ten­haus hält sie zwar selbst für aus­ge­schlos­sen. Al­ler­dings hat sie Chan­cen, in die Be­zirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) von Fried­richs­hain-Kreuz­berg ein­zu­zie­hen. Auf die­ser AfD-Lis­te steht sie auf Platz vier.

Im Früh­ling hatte Si­byl­le Schmidt noch meh­re­re SPD-Äm­ter inne: Vor­stands­mit­glied der Ar­beits­ge­mein­schaft Selb­stän­di­ge (AGS), Vor­stands­mit­glied im Orts­ver­ein „Koll­witz­platz“ im Prenz­lau­er Berg und Mit­glied im Fach­aus­schuss für In­ne­res, einem par­tei­in­ter­nen Ex­per­ten­gre­mi­um. All das gab Schmidt auf, um für die AfD an­zu­tre­ten.

„Es fühlt sich gut an, aus der SPD aus­ge­tre­ten zu sein“, sagt Schmidt der taz. „Ich habe im April dem Lan­des­ver­band mit­ge­teilt, dass ich seine blau­äu­gi­ge In­nen­po­li­tik nicht wei­ter mit­tra­gen kann.“ Was die AfD an­geht, hat sie ehr­gei­zi­ge Pläne: „Ich gucke mir jetzt die AfD gründ­lich von innen an und brin­ge denen bei, wie man sich mä­ßigt.“ Sie be­wun­de­re diese Leute „für ihren Mut, in der Flücht­lings­kri­se trotz Ge­gen­winds das Not­wen­di­ge“ aus­zu­spre­chen.

Für „not­wen­dig“ hält Si­byl­le Schmidt etwa, über eine aus ihrer Sicht fal­sche Flücht­lings­po­li­tik zu spre­chen. In der SPD sei das nicht mög­lich. In der Par­tei gehe es immer um Wah­len und deren Vor­be­rei­tung, was in­halt­li­che Dis­kus­sio­nen ab­wür­ge. Somit, glaubt Schmidt, ver­lie­re man die Wäh­ler. Die „Ur­sprungs­be­völ­ke­rung“ brau­che eine Atem­pau­se, sagt Schmidt. Den Flücht­lings­strom be­zeich­net sie als eine „aus dem Ruder ge­lau­fe­ne Face­book­par­ty“.

Das sind Po­si­tio­nen, die ver­mut­lich in der SPD nicht nur Ein­zel­ne ins­ge­heim ver­tre­ten, hat doch der ehe­ma­li­ge Neu­köll­ner Be­zirks­bür­ger­meis­ter Heinz Busch­kow­sky in sei­ner Rolle als ver­meint­li­cher Ta­bu­bre­cher bis heute eine in­of­fi­zi­el­le Fan­ge­mein­de in der Par­tei. Die Frage ist: Wie kam die SPD über die Jahre mit der Funk­tio­nä­rin Si­byl­le Schmidt zu­recht, deren po­li­ti­sche Mei­nung sich nicht über Nacht ge­än­dert haben dürf­te?

Tabu-Thema Flüchtlingspolitik

Der erste Aus­lö­ser, sich von der SPD ab­zu­wen­den, seien die Morde bei Char­lie Hebdo An­fang 2015 ge­we­sen, sagt Schmidt. Über is­la­mis­ti­schen Ter­ror habe man im SPD-Aus­schuss für In­ne­res nicht spre­chen kön­nen.

Die Kan­di­da­tur für die AfD ist of­fen­bar auch eine Art Ab­rech­nung mit Kreuz­berg. „Ich habe hier Frau­en auf dem Spiel­platz er­lebt, die mit mir nicht spre­chen durf­ten. Kopf­tü­cher sind kein Ac­ces­soire, son­dern damit zeigt der Mann, dass er seine Frau oder Toch­ter im Griff hat“, sagt sie. Wegen der hohen Mie­ten lebt sie in­zwi­schen mit ihrer Fa­mi­lie in Ber­lin-Ste­glitz, po­li­tisch or­ga­ni­siert war sie in der SPD zu­letzt in Prenz­lau­er Berg. Hinzu kommt ein per­sön­li­ches fa­mi­liä­res Drama um Dro­gen. Die SPD-Dro­gen­po­li­tik hält sie für zu lax.

Flo­ri­an Dör­stel­mann, bei der Ber­li­ner SPD der Vor­sit­zen­de des Fach­aus­schus­ses In­ne­res, weist die Vor­wür­fe zu­rück: „Dass man bei uns nicht über mög­li­che Pro­ble­me der Mi­gra­ti­on reden könne, ist voll­kom­men falsch.“ Im Gre­mi­um müsse man aber eine große Band­brei­te an The­men ab­de­cken und auch ju­ris­ti­sche As­pek­te be­rück­sich­ti­gen. „Si­byl­le Schmidt war ziem­lich fi­xiert auf das Mi­gra­ti­ons­the­ma“, sagt Dör­stel­mann.

Die SPD-Kul­tur aus lang­wie­ri­ger Gre­mi­en­ar­beit, fes­ten Ta­ges­ord­nun­gen und So­wohl-als-auch-Kom­pro­mis­sen ist nicht je­der­manns Sache. Schwer vor­stell­bar, dass Sy­bil­le Schmidt da je­mals rich­tig hin­ein­ge­passt hat. Beim Tref­fen spru­deln ihre Er­zäh­lun­gen aus ihr her­aus, sprung­haft wech­selt sie die The­men. Sie sagt, dass sie in der SPD immer wie­der „tolle und in­tel­li­gen­te Leute ge­trof­fen“ habe. Die hät­ten sie so lange in der Par­tei ge­hal­ten.

Niedergang der Volkspartei

Si­byl­le Schmidts klei­ne Kar­rie­re in der SPD er­zählt auch etwas über den Per­so­nal­not­stand der Par­tei. Die Mit­glie­der­zahl der Ge­samt­par­tei hat sich seit 1990 auf 440.000 mehr als hal­biert, aber die klein­tei­li­ge und auf­wen­di­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ist gleich ge­blie­ben. Al­lein in Ber­lin müs­sen Hun­der­te Pos­ten in di­ver­sen Gre­mi­en alle zwei Jahre neu be­setzt wer­den. Von den 17.000 Ber­li­ner Mit­glie­dern seien nur rund 10 Pro­zent be­reit, eh­ren­amt­li­che Ämter an­zu­neh­men, sagen Funk­tio­näre. Viel Aus­wahl gibt es also nicht mehr.

Se­ve­rin Höh­mann, der als stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der mit Si­byl­le Schmidt im SPD-Orts­ver­ein „Koll­witz­platz“ saß und bei der Wahl im Herbst für ein Di­rekt­man­dat kan­di­diert, sagt: „Man ist heute in der Par­tei schnel­ler mit eh­ren­amt­li­chen Funk­tio­nen dabei, weil die SPD nicht mehr so viele ak­ti­ve Mit­glie­der hat. In der Regel sor­tiert sich das Per­so­nal aber nach einer ge­wis­sen Zeit und ab einer be­stimm­ten Ebene.“

Und er übt Kri­tik an sei­ner Par­tei mit Blick auf Si­byl­le Schmidt: „In der SPD gibt es auf der Funk­tio­närsebene si­cher­lich viele, für die for­ma­le Fra­gen sehr wich­tig sind: Stimmt die Aus­ge­wo­gen­heit bei Per­so­nal­pa­ke­ten, stimmt die Quote. Dabei rückt an­fangs viel­leicht der Blick in den Hin­ter­grund, wofür die Per­son in­halt­lich steht.“ In sei­ner Ab­tei­lung wurde wegen der Quote hän­de­rin­gend eine Frau für den Vor­stand ge­sucht.

Rät­seln in der SPD

Den po­li­ti­schen Wan­del von Si­byl­le Schmidt kann sich Höh­mann nicht er­klä­ren, ge­nau­so wenig wie An­ge­li­ka Sy­ring, die Lan­des­vor­sit­zen­de der Selb­stän­di­gen-Ver­ei­ni­gung der SPD. „Der Ge­sin­nungs­wan­del von Frau Schmidt ist mir nicht auf­ge­fal­len. Sie hat sich nie dazu ge­äu­ßert, be­zie­hungs­wei­se sie muss ihre wahre Mei­nung gut ver­bor­gen haben“. Sy­ring meint aber aber auch: „Wir sind eine Volks­par­tei, bei uns kann jede Mei­nung ver­tre­ten wer­den.“

Sy­ring hatte Si­byl­le Schmidt zur Bei­sit­ze­rin im Lan­des­vor­stand der Ar­beits­ge­mein­schaft Selb­stän­di­ge ge­macht: „Damit sie ein­ge­bun­den ist und nicht quer­schießt.“ „Ein­bin­den“ ist bei Par­tei­en ein be­lieb­tes Mit­tel, um Ruhe her­zu­stel­len – man gibt schwie­ri­gen Par­tei­mit­glie­dern Pos­ten, damit sie be­schäf­tigt sind und sich Mehr­heits­be­schlüs­sen beu­gen müs­sen. Bei Si­byl­le Schmidt hat es of­fen­sicht­lich nicht funk­tio­niert.

Til­man Fich­ter, SPD-Mit­glied, Ve­te­ran der 68er-Stu­den­ten­be­we­gung und einst füh­ren­des Mit­glied im So­zia­lis­ti­schen Stu­den­ten­bund SDS, kennt Si­byl­le Schmidt gut. Er sieht sie nicht als Mi­gran­ten­fein­din, son­dern er­klärt sich ihre Ein­stel­lun­gen durch per­sön­li­che Be­trof­fen­heit und „po­li­ti­sche Ziel­lo­sig­keit“. „Ich kenne sie als an­ge­neh­me und lei­den­schaft­li­che Zeit­ge­nos­sin“, sagt er.

Sie habe einen an­de­ren Zu­gang zu ge­sell­schaft­li­chen Pro­ble­men als die „po­li­ti­sche Klas­se der SPD“. „Es wäre sehr be­droh­lich, wenn die lin­ken Par­tei­en sol­che Leute ver­lie­ren wür­den.“

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21 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Letzten Endes kann sich jeder für jede Partei aufstellen lassen und für Mandate kämpfen. Das ist Demokratie. Mir ist eine Person mit Spontihintergrund lieber als Rechtsauslager. Bei der Wahl wird die AfD sowieso abschmieren, weil das Volk keine AfD in Regierungsverantwortung will. Es gehört zu den Übeln einer großen Koalition. dass die Opposition keinen Raum mehr hat, vor allem, wenn die Kanzlerin eine solche Politik fährt, den Koalitionspartner partiell links zu überholen. dass der linken Opposition die Luft zur Opposition fehlt.

  • 1G
    1326 (Profil gelöscht)

    Die böse AfD ist nur das Symptom, nicht die Ursache für einige Dinge, die derzeit völlig aus dem Ruder laufen.

     

    Aber Ursachen-Analyse wird vermieden.

  • Von der heutigen SPD zur AfD ist ja nicht wirklich ein großer Schritt. SPD-Denker wie Sarrazin haben doch schon früh die rassentheoretischen Grundlagen der AfD zusammengeschmiert. Er konnte dabei auf diverse pseudowissenschaftliche Machwerke zurückgreifen, die schon den Nationalsozialisten damals zum Durchbruch verholfen haben. Seine besondere Leistung liegt hier insbesondere im Ersetzen des Wortes "Jude" durch "Muslim".

    Und - von einer "Unterwanderung" der taz mit heimlichen AfD-Anhängern, war doch ohnehin schon länger auszugehen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Bin ich der einzige der den Eindruck hat das Georg Pazderski auch der zwillingsbruder von Stephan Mappus sein könnte?

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    Leider muss ich gerade auch als Linker feststellen, dass die Linke insgesamt bei den Topthemen Migration, Islamismus und Terrorismus kläglich versagt hat. Im Sinne einer falsch verstandenen PC werden Probleme weder benannt noch offen ausdiskutiert. Wen wundert es dann, dass einzelne politisch denkende Menschen in anderen, manchmal auch unappetitlichen, Organisationen Betätigung suchen.

    • @33324 (Profil gelöscht):

      Es ist nie zu spät. Und so langsam tut sich da ja auch was.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Rainer Seiferth:

        Ja ganz langsam und bevor man zur eigentlichen Diskussion kommt musste man sich jahrelang mit Leuten aus dem eigenen Lager keilen,...

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Sie meinen mit der "eigentlichen Diskussion" den Versuch, die einen Schwachen gegen die anderen Schwachen in Stellung zu bringen?

          Das hat Wagenknecht drauf, und ihr Lebensgefährt auch. Ob das eine Errungenschaft für die Linke ist - eher nicht.

  • "…Was die AfD angeht, hat sie ehrgeizige Pläne: „Ich gucke mir jetzt die AfD gründlich von innen an und bringe denen bei, wie man sich mäßigt.“ Sie bewundere diese Leute „für ihren Mut, in der Flüchtlingskrise trotz Gegenwinds das Notwendige“ auszusprechen.…"

    Wahnhaftes & aber klar - groß&artig!

    Wenn schon - denn schon!

     

    &

    Alt-SDSler Tilmann Fichter?

    Bitte Herr Fichter -

    "…Sie habe einen anderen Zugang zu gesellschaftlichen Problemen als die „politische Klasse der SPD“. „Es wäre sehr bedrohlich, wenn die linken Parteien solche Leute verlieren würden.“

     

    Radab-Variante Balin! - wa!

    kurz - Steigbügel - statt -

    Den Rand halten!

    Na Servus!

    Wünsche alles Schlechte!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Anstatt andauernd über die Bösartigkeit der AfD zu berichten sollte man endlich mal mit etwas Selbstreflexion beginnen und sich fragen warum linke Parteien seit bald einer Dekade kontinuierlich an Zustimmung verlieren.

    Bloß nicht darüber nachdenken was im eigenen Lager daneben geht, lieber das 1001. mal die Anderen angreifen!

    Guckt euch doch mal die Gurkentruppen an die da im Rennen sind! Eine unwählbare Linke die erklärtermaßen lieber aus der Opposition pöbelt als selber zu regieren, eine grüne Verbotspartei deren Hauptthema von der CDU geklaut wurde und mit der SPD eine Arbeiterpartei in einem Land in dem Arbeiter grade noch 25% der Bevölkerung ausmachen, tendenz sinkend.

     

    Und dann die Themen, ohh die Themen. Niemand außerhalb der weit linken Echokammer glaubt das gegenderte Sprache, zusätzliche Rechte für intersexuelle Menschen und vegetarische Verpflegung in staatlich getragenen Kantinen in irgend einer Form wichtig sind. Sich mit solchen Luxusproblemen zu beschäftigen verstärkt nur den Eindruck das Linke automatisch auch realitätsferne Traumtänzer sind, die sich um die spießigen Probleme des Durchschnittsbürgers nicht kümmern.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Die braun-beige grundierte AfD erhält reichlich Zustrom aus allen möglich gesellschaftlichen Schichten und politischen Heimaten von Leuten, die sich durch ihre bisher favorisierten Parteien nicht (mehr) vertreten fühlen. Diese Wechselwähler nur einfach als braun-beige abzukanzeln wird sie in ihrem Vorsatz, AfD zu wählen, doch nur bestärken. Einige dieser Wechselwähler bezeichnen sich selbst als "strategische Wähler" (egal, ob das nun wirklich so schlau ist, oder wohl eher nicht) und wollen mit ihrem Kreuz ein dickes Ausrufezeichen setzen, ein "nicht-mehr-weiter-so-wie bisher" und geben damit den Ball zurück an die Macher und Denker von CDU, SPD, Grüne und Linke, sich einen Kopf zu machen, was sie bisher falsch gemacht oder (noch mehr) wen sie bisher vernachlässigt haben. So gibt es z.B. Juden und Schwule, die sich wegen der schon pathologischen diesbezüglichen Feindseligkeit von Leuten aus muslimischen Gesellschaften und Ländern ernsthaft berechtigte Sorgen um ihre Sicherheit machen. Frauen (nicht nur traditionelle Kampfemanzen) machen sich Sorgen um den Erhalt der mühsam errungenen Frauenrechte und Freiheiten angesichts eines vormodernen archaischen Frauenbildes und patriarchalischen Familienbildes, das mit muslimischen Einwanderern ins Land kommt. Und nicht zuletzt die spätestens jetzt sichtbare massive und kampfbereite Erdogan-Gemeinde in Westeuropa, insbesondere in Deutschland, ist wenig vertrauenerweckend.

  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Früher taz, jetzt AfD. Ja mei, wenn man sich verbessern kann.

  • Dank Erfahrung in der SPD Plagiatur steht in ihrer Vita sicher "Ich war nie in der SPD."

  • Was ist daran schon ungewöhnlich? Die ganz Extremen machen doch sehr oft eine 180 Grad- Wedung: Mahler, Gedeon, Oberlercher, Rabehl und diese ganzen Leute. Ich bin totsicher: Hätte Meinhof, Ensslin oder Baader überlebt, einer der 3 wäre heut garantiert Holocaustleugner oder stockkonservativ.

    (Extreme) Politik wird doch niemals aus ideologischen Gründen betrieben. Immer ist es ein nihilistisch-antibürgerlicher Zug, der die Leute vorantreibt. Warum sollte Mahler auch ab den 80er-Jahren noch linksextremistisch sein? Da konnte er schlicht und einfach keine Rolle mehr ausfüllem. Eben, es muss halt immer eine große Rolle für die Wichtigtuer sein, das ist ihr eigentlicher Antrieb. Diese Selbstdarsteller haben doch noch nie Politik aus ideologischen Motiven betrieben. Das tuen bestenfalls Menschen, die wirklich unter prekären Arbeitsbedingungen leiden müssen. Bebel z.B., der ja noch selbst Arbeiter war oder Mielke, der aus einem wirklich proletarischem Kiez stammt.

    Diese ex-SPD Tante will einfach nur wieder provozieren und das kann man heutzutag auf der rechten halt einfacher als auf der linken.

    Dass ihr ganzes linke Getue in den 70ern reine bürgerliche Maskerade war, wird jetzt sichtbar.

    • @Rudolf Ditzen:

      Na, wer schon die SPD als linksextrem einstuft, kann ja auch nicht ganz objektiv sein.

  • ich sehe das ganz ähnlich wie Filou Sophia. Wobei ich glaube, dass die Wähler der SPD noch in viel stärkerem Maße in der Innen- und Zuwanderungspolitik AfD-nah sind als die Funktionäre. Das Hauptproblem der SPD wird aber im Artikel ganz gut beschrieben. Da diskutieren Leute sehr abgehoben über Randthemen und natürlich gibt es die üblichen Tabus - und merken gar nicht, wie weit sie von der Basis weg sind. Es gab da ja auch vor 1/2 eine Situation in Essen, wo die Führung ganz überrascht war, was da auf einmal passiert. Und Essen hat so einen hohen Ausländeranteil, dass ich nicht an Rassismus der Leute glaube, denen es zu viel wurde. Sondern dass sie schlicht nicht mehr gehört werden.

     

    Bitter nur, dass es eine AfD neuer Prägung werden musste, die diese Leute aufsaugt. Unter Lucke hätte man das noch gerade ertragen können, aber jetzt legt man sich mit offenen Rassisten ins Bett.

  • Sie habe einen anderen Zugang zu gesellschaftlichen Problemen als die „politische Klasse der SPD“

     

    Was soll das denn bitte schön heißen?

  • Der Bedeutungsverlust der SPD ist angesichts ihrer historischen Leistungen sehr bedauerlich, jedoch wegen ihres seit 15 Jahren mangelhaften Einsatzes für einfache Arbeiter leider nur allzu gut verständlich.

     

    Die CDU wildert durch die Konkurrenz der SPD in der Mitte längst im AfD-Territorium. CDU-Politiker wie Wolfgang Bosbach machen sich die erfolgreichen anti-islamistischen Parolen der "Alternative für Deutschland" zu eigen und betreiben damit Wahlkampf, obwohl Kanzlerin und Bundespräsident islamkritische politische Entscheidungen sowieso nicht absegnen werden.

     

    Das Vakuum im linken politischen Spektrum und die populäre Islam- und Ausländerfeindlichkeit im rechten bergen grosse Gefahr für die multikulturelle Gesellschaft und den inneren Frieden in Deutschland.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Die Querfront kam nicht aus dem Nichts. Integrationsprobleme sind für die Linke darum schwierig zu diskutieren, weil eben nicht nur die Sicht der einen Seite allein interessiert, sondern das Gesamtbild und die Strukturen im Wandel der Zeit. Aber gerade darin liegt eben auch die Chance auf greifende Lösungen und friedliches Miteinander.

    • 3G
      34970 (Profil gelöscht)
      @24636 (Profil gelöscht):

      Über die Querfront zu deren polit. Arm ich auch die AfD zähle wird viel zu wenig berichtet. Mir bestätigte sich zum Beispiel das auch Skinheads (die angeblich nicht politischen ) eine gelebte Querfront bilden weil sich dort auch rechtes Gedankengut breit machen kann. "Sind ja alles Kumpels da und jedem seine Meinung." Reichsbürger, Schwarzer Block und die Truther zusammen mit ihren deutschen Vertretern rund um Andreas Popp bilden ein Almagalm das kollektive Gehirnwäsche betreibt. Die eine Unsicherheit in der Bevölkerung schaffen in der alles und nichts war ist und jeder am Ende alles akzeptiert. Auch Nazis an der Macht. Das ist die reale Gefahr die von der Querfront ausgeht.

  • Seid Ihr verrückt geworden?

     

    Die AfD heute ist nicht mehr die Lucke-Partei (die war schon schlimm genug) und das kann jeder wissen, der nur ein bisschen die überregionale Presse verfolgt hat oder einmal auf einer AfD Watch Seite vorbeigeschaut hat. Wer trotz der Rechtsentwicklung, trotz einer Patriotischen Plattform mit widerwärtig völkischer Ausrichtung, trotz Spaltung der BaWü Landtagsfraktion wg. unzureichender Distanzierung vom Antisemitismus und Auflösung des saarländischen Landesverbands wg. Kontakten mit Rechtsextremen als "Linke" für diese Partei kandidiert, bei der muss Vieles in den letzten Jahren passiert sein.

     

    Statt sich auf die Suche danach zu machen und dabei die ganze gesellschaftliche Entwicklung in den Blick zu nehmen, reduziert Ihr die ganze Ursachensuche auf die Defizite in der SPD.

    Das kann doch wohl nicht wahr sein!

     

    Was für ein schlechter und dummer Artikel.