Kanadas Premier Trudeau zu Trump: He can talk
Der kanadische Premier Justin Trudeau schweigt 20 Sekunden lang, als er sich zu US-Präsident Trump äußern soll. Das hat was – aber ist auch feige.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: So haben es die Älteren in deitschen Landen noch in ihre zarten Kehlchen hineingestopft bekommen. Viel oder gar schön zu sprechen galt als schwach; und das Ideal des streng riechenden Schweigers am Tresen, das in den 1980er Jahren als Abgrenzung gegen das Gelaber der Hippies noch mal hochkam, geriet dem des wehrmächtigen Großvatertypus gefährlich nahe.
War allerdings tatsächlich Mut gefragt, wurde die Sache mit dem Schweigen schon schwieriger. Schweigen ist ja immer auch ein Nichtereignis – und was es heißt, das auf eine Bühne zu bringen, bei der TV-Gelder im Spiel sind, bekam einmal das ZDF zu spüren.
1979 hatten Redakteure des Mainzer Senders einen TV-Beitrag des Kabarettisten Gerhard Polt zensiert: Polt hatte eine Anspielung auf einen Meineid des CSU-Politikers Friedrich Zimmermann gemacht. Für die Zensur rächte sich Polt ein Jahr später, als ihm in Mainz der Deutsche Kleinkunstpreis verliehen wurde.
25 Minuten teure Sendezeit verschwieg er, sagte nur Sachen wie, dass es vom Standpunkt einer Rechtsabteilung am besten sei, wenn in Beiträgen überhaupt keine Namen genannt würden.
Bisschen Schmiere
Wenn nun der kanadische Premier Justin Trudeau vom ZDF gezählte 23 Sekunden in die Kameras schwieg, als er am Dienstag gefragt wurde, was er von US-Präsident Trumps jüngsten Terrorakten hielte, dann kann das natürlich als spontane Reaktion begeistern. Trudeaus gequältes Zögern und die etwas unappetitlich verstärkten Seufzer grenzten allerdings an Schmierentheater; und was er dann, ohne Trump beim Namen zu nennen, doch sagte, war unbefriedigend.
Denn Justin Trudeau hat eine Rechtsabteilung. Er ist kein tränengegaster oder wie ein Kalb beim Rodeo von einem Bullenknie totgedrückter einfacher Bürger. Trudeau muss nicht cool sein, weil jede rebellische Reaktion einen Schlag mit dem Knüppel nach sich zöge. Er könnte sagen, was ist: Deswegen genießen demokratisch gewählte Repräsentanten Immunität – damit sie das Maul aufmachen können.
Dass Trudeau im Weiteren seine Landsleute aufforderte, vor ihrer eigenen Tür zu kehren, was Rassismus angehe, anstatt nur mit „Entsetzen und Bestürzung“ auf die USA zu blicken, war dann so sprichwörtlich korrekt wie sein Schweigen. Aber es gibt keine Weisheiten, die immer und für jeden gelten. Sagen wir heute einfach: Reden ist gut, Schweigen ist feige, Antifa ist Gold.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung