Kampf um Verschlüsselung: Eine seltsame Achse des Guten
Apple weigert sich, ein iPhone zu knacken, und bekommt dafür Lob von Google. Will man sich allein auf solche Verteidiger der Privatsphäre verlassen?
Das verschlüsselte iPhone eines mehrfachen Mörders wird Anlass für die neueste Runde in einem alten Kampf. Die Frage, um die es geht: Wie viel Einfluss hat die Regierung auf die Produktionsweise der Unternehmen, wenn es zu polizeilichen Ermittlungen kommt und um die nationalen Sicherheit geht? Die Entscheidung wird weitreichende Folgen für den Datenschutz von Millionen, wenn nicht Milliarden NutzerInnen haben – aber auch für das Geschäftsmodell der großen Technologiekonzerne.
„Apple hat sich entschieden, die Privatsphäre eines toten Isis-Terroristen für schützenwerter zu halten als die Sicherheit des amerikanischen Volkes.“ Der republikanische Senator Tom Cotton aus Arkansas ist erbost, weil Apple sich weigert, dem FBI mit einer faktisch für alle iPhones nutzbaren Hintertür dabei zu helfen, die Daten dieses einen Geräts sicherzustellen.
Senator Cotton übersieht aber in seinem Statement nicht nur, dass es in dem Fall nicht um die Privatsphäre einer einzelnen Person geht. Für Apple geht es auch um die Glaubwürdigkeit gegenüber der eigenen Kundschaft.
In der Post-Snowden-Ära kann es sich das Unternehmen nicht erlauben, den Eindruck zu erwecken, staatlichem Begehren auf die Daten der NutzerInnen devot zu entsprechen. Der ohnehin nicht gute Leumund der US-amerikanischen Technologiekonzerne war schließlich noch einmal schlechter geworden, als bekannt wurde, wie willig die meisten von ihnen mit der NSA kooperiert hatten.
Unverschlüsselte Daten ohne Ende
Die Einführung einer Verschlüsselung, die Apple keinen direkten Zugriff auf die geschützten Daten mehr gewährte, war die Folge der gestiegen Sensibilität bei den Kunden. Eine neue Nachfrage bestimmte einfach das Angebot. Der Datenpool, der dem Unternehmen unabhängig davon zur Verfügung steht, ist trotzdem unfassbar groß.
Ebenfalls völlig unberührt von Verschlüsselungen bleiben Bewegungsdaten, Anruflisten und dergleichen, Daten also, die zum Kern des Ermittlungsrepertoires der Sicherheitsbehörden gehören. Erst in einem zweiten Schritt, nach der Identifizierung von Verdächtigen, oder, wie im Falle des Terroristen von San Bernardino, eines offensichtlichen Täters, geht es um den direkten Zugriff auf dessen Telefon.
Müsste Apple nun wirklich bei der Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen kooperieren, würde eine gefährliche Präzedenz geschaffen. Wie groß die Bedrohung ist, zeigt, dass selbst Google-Chef Sundar Pichai Stellung für Apple nahm. Ebenso reagierte WhatsApp, immerhin im Besitz von Facebook. Microsofts Satya Nadella deutete auf Twitter eine ähnliche Position an.
Apple als Herold der Freiheit
Diese kommerziellen Datensammler sind nun aber nicht auf einmal zu einer Achse des Guten geworden. Weiter sind die Daten ihrer NutzerInnen wesentlicher Teil des Geschäftsmodells. Das aber kann nur funktionieren, wenn das Vertrauen der NutzerInnen in die Unternehmen nicht unter eine bestimmte Schwelle sinkt – und offenbar ist die strategische Einschätzung der Technologiekonzerne inzwischen die, dass bestimmte Prinzipien des Datenschutzes konstitutiv für dieses Vertrauen der Kundschaft sind.
Edward Snowden ist sich der Ironie der Situation bewusst. Auf Twitter kommentiert er lakonisch: „Das FBI erschafft eine Welt, in der die Bürger sich darauf verlassen, dass Apple ihre Rechte verteidigt statt genau andersherum.“
Genau andersherum sollte es sein, denn der Schutz der Privatsphäre sollte in einer Demokratie ein viel zu hohes Gut sein, als dass er einfach dem gelegentlichen Zusammenfallen mit ökonomischen Interessen irgendwelcher Konzerne überlassen werden könnte. Solange die Legislative aber von Männern wie Senator Cotton aus Arkansas bestimmt wird, ist das immer noch besser als nichts.
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