Kampf gegen hohe Mieten: Ist das Wucher oder was?
Die Zukunft der Mietpreisbremse ist ungewiss. Aber es gibt zwei andere Gesetze, mit denen Vermieter für zu hohe Mieten bestraft werden können.
Wer sein Auto ins Halteverbot stellt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Mitarbeiter*innen vom Ordnungsamt ziehen durch die Straßen, um Knöllchen zu verteilen. Die Bundestagsabgeordnete Caren Lay findet, bei Wohnungen müsste das genauso sein. „Wer zu teuer vermietet, sollte auch mit einem Bußgeld rechnen“, sagt die wohnungspolitische Sprecherin der Linken der taz.
Vor drei Wochen startete die Linkspartei einen Mietwucher-Check für vier Städte: Berlin, Leipzig, Freiburg und Hamburg. Wer einige Angaben zu Wohnort, Miethöhe, Baujahr des Hauses und Ausstattung macht, kann mit ein paar Klicks herausfinden, ob die Miete womöglich überhöht ist. Das Besondere ist: Bei Verdacht auf Überhöhung kann man auf Wunsch eine Meldung an das zuständige Wohnungsamt abschicken. Das Amt ermittelt dann, die Mieter*innen müssen nicht selbst die Konfrontation suchen.
Die erste Bilanz kann sich sehen lassen. Fast 15.000 Mal wurde der Rechner benutzt. 633 Meldungen wurden laut Linkspartei an die zuständigen Wohnungsämter geschickt. Besonders häufig genutzt wurde der Rechner in Berlin (6.393), gefolgt von Hamburg (4.061), Leipzig (2.441) und Freiburg (1.653).
Die Linke gibt mit dem Mietwuchercheck nicht nur praktische Hilfe, sie macht auch auf ein bekanntes Problem aufmerksam – das angesichts der unklaren Zukunft der Mietpreisbremse an Bedeutung gewinnt. Diese läuft Ende 2025 aus und es ist unklar, ob die Union ein Interesse hat, sie zu verlängern.
Vermieter ins Gefängnis?
Aber es gibt zwei weitere Gesetze, die sich mit zu hohen Mieten beschäftigen. Nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes handelt ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen […] unangemessen hohe Entgelte fordert“. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine verlangte Miete um 20 Prozent teurer ist als eine ortsübliche Vergleichsmiete und der Vermietende das geringe Angebot vergleichbarer Wohnungen ausnutzt. Für diese Ordnungswidrigkeit drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro.
Wenn eine Miete sogar 50 Prozent höher liegt und eine Zwangslage bewusst ausgenutzt wird, ist das nach Paragraf 291 des Strafgesetzbuches Wucher. Diese Straftat kann neben Geldstrafen auch mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren sanktioniert werden. Umgangssprachlich wird in beiden Fällen von Mietwucher gesprochen, auch wenn das aus juristischer Sicht nicht korrekt ist. Fest steht: Für Vermieter*innen könnte es bei überhöhten Mieten teuer werden – in der Theorie.
In der Praxis kommen beide Paragrafen kaum zur Anwendung. In Berlin gab es laut Staatsanwaltschaft im Jahr 2023 wegen Wucher (Paragraf 291 des Strafgesetzbuch) nur fünf Verfahren, die zu einer Anklage oder einem Strafbefehl führten. Und diese fünf Verfahren betreffen alle Arten von Wucher, zum Beispiel auch Kreditwucher. Mietwucher wird nicht eigenständig erfasst.
Auch Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zieht nur selten Konsequenzen nach sich. In Hamburg gab es 2024 bis einschließlich Oktober nur drei Anzeigen wegen Mietpreisüberhöhung, teilte die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der taz mit. In Berlin wurden von Anfang Juni bis Ende Oktober 2024 nur 35 Anzeigen erfasst. Bis Mitte November stieg die Zahl sprunghaft auf 123 Fälle an – was vermutlich auf den Mietwucherrechner der Linken zurückgeht. In keinem Bezirk wurde bislang ein Bußgeldverfahren eingeleitet, teilte die Senatsverwaltung der taz mit.
Doch nicht in allen Städten ist die Bilanz so schlecht. Die Stadt Frankfurt am Main mache „schon seit Langem vor, wie man auch bei der jetzigen Rechtsgrundlage gegen Mietwucher vorgehen kann“, sagt Caren Lay.
Vorbild Frankfurt
Laut Daniela Hirchenhain, Mitarbeiterin des Wohnungsamts Frankfurt und zuständig für Mietpreisüberhöhung, gingen im Jahr 2023 bei der Stadt 212 Hinweise auf Mietpreisüberhöhung ein. Also deutlich mehr als in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Konkret sieht das Vorgehen der Stadt so aus. Mieter*innen können dem Amt per Post, telefonisch oder über ein Onlineformular ihren Verdacht auf eine überteuerte Miete mitteilen. Dafür müssen sie einige Angaben machen, zu Größe, Lage, Miethöhe, Ausstattung und Baujahr des Hauses.
Die Mitarbeiter*innen des Wohnungsamtes prüfen dann die Angaben und gleichen sie mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ab. „Bestätigt sich der Anfangsverdacht, dann ermitteln wir“, erklärt Hirchenhain. Zunächst erfolge ein Besuch bei den Mieter*innen, dann werde der Vermietende kontaktiert. „Wir informieren diese über die Gesetzeslage und versuchen eine Reduzierung der Miete und Rückzahlungen zu vereinbaren“, sagt Hirchenhain. „Von der kleinen Tante Emma über Vielfacheigentümer und den privaten Wohnungskonzern ist alles dabei“, sagt sie. Bußgelder seien aber nicht zwingend.
Im vergangenen Jahr wurden 13 Bußgelder verhängt. In 21 Fällen gab es gütliche Einigungen, bei allen wurde die Miete nicht nur abgesenkt, sondern der Mehrbetrag auch rückerstattet. In einem Fall wurde zum Beispiel die Miete einer 3-Zimmer-Wohnung um 196 Euro monatlich reduziert und 10.000 Euro zurückgezahlt, berichtet Hirchenhain. Auf ein Bußgeld wurde verzichtet, weil der Vermieter sich sofort einsichtig zeigte.
Kommt es zu keiner Einigung, bleibt der Gerichtsweg – und das gestaltet sich schwieriger. Der Knackpunkt sei, einem Vermieter nachzuweisen, „dass er ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen bewusst ausgenutzt hat“, erklärt Hirchenhain. Mieter*innen müssen dann detailliert darlegen, wie viele Wohnungen sie angeschaut haben, welche Rolle der Mietpreis spielte, ob sie andere Optionen hatten. „Sie müssen im Prinzip nachweisen, dass sie keine andere Ausweichmöglichkeit hatten. Im Gegensatz dazu müssen Vermietende weniger darstellen, wie sie zu ihrer Mietpreisgestaltung gekommen sind“, kritisiert Hirchenhain. 2023 und 2024 landeten nur zwei Fälle vor Gericht.
Bei der FDP versandet
Diese schwierige Ausgangslage geht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2004 zurück, das die Anforderungen hochschraubte. Seither sei der Paragraf weitgehend wirkungslos geworden, beklagen Mieterschützer*innen. Seit Längerem wird deshalb eine Reform des Paragrafen 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes diskutiert. Im Februar 2022 hatte der Bundesrat eine erfolgreiche Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, um den Paragrafen zu reformieren. Das Bußgeld sollte verdoppelt und die juristische Anwendung vereinfacht werden.
Doch der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sah keinen Handlungsbedarf, das Vorhaben versandete. „Die Bundesratsinitiative zu Wuchermieten hätte eine parlamentarische Mehrheit finden können. Aber sie wurde nie auf die Tagesordnung gesetzt“, kritisiert Caren Lay. Die Linke hat für Donnerstag eine mietenpolitische Debatte im Bundestag beantragt, um auf die Bekämpfung von Mietwucher und ein sozialeres Mietrecht aufmerksam zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken