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Kampagnen-Gründerin über Grundeinkommen„Wir wollen, dass es vorangeht“

Hamburg soll es mit dem Grundeinkommen wenigstens versuchen, findet eine dortige Initiative. Und wirbt dafür nun mit dem Film „Free Lunch Society“.

Volksbegehren erwünscht: Plakataktion der Volksinitiative „Hamburg soll Grundeinkommen testen!“ im Juli 2023 Foto: dpa | Ulrich Perrey
Interview von Wilfried Hippen

taz: Laura Brämswig, warum beginnen Sie ihre Unterschriftenkampagne mit einer Filmvorführung?

Laura Brämswig: Weil der Film „Free Lunch Society“ wunderbar zu unserem Thema passt. Die Mitbegründerin unserer Initiative Joy Ponader tritt sogar selber darin auf – es gibt also auch noch eine persönliche Verbindung.

ta­z: Was für ein Film ist es?

Brämswig: Ich würde ihn als Dokumentation beschreiben: Er begleitet Menschen, die sich für das Grundeinkommen einsetzen. In dem Sinne dokumentiert er auch deren Meinungen. Aber für mich ist er kein Propagandafilm. Er will die Leute nicht überzeugen, sondern erzählt stattdessen, was in den vergangenen Jahrzehnten zum Thema Grundeinkommen passiert ist.

taz: Heraus gekommen ist „Free Lunch Society“ im Jahr 2016. Ist der Film heute noch aktuell?

Brämswig: Ja, denn es hat sich leider seitdem politisch nur wenig verändert. Das ist auch der Grund, warum wir unsere Kampagne gestartet haben: Wir wollen, dass es jetzt vorangeht.

taz: Haben Sie selbst beim Ansehen etwas erfahren, das Sie noch nicht gewusst hatten?

Bild: privat
Im Interview: Laura Brämswig

*1989, hat Politologie sowie Sozial-, Wirtschafts- und Kulturpsychologie studiert. Sie ist Mitgründerin der Initiative „Hamburg testet Grundeinkommen“.

Brämswig: Ja, zum Beispiel dass es in den USA schon in den 1960er-Jahren unter Präsident Lyndon B. Johnson politische Überlegungen zum Thema Grundeinkommen gab. Ich war sehr überrascht darüber, dass dies gerade in solch einem extrem kapitalistischen System möglich war.

taz: Welchen politischen Ansatz verfolgt Ihre eigene Initiative, „Hamburg testet Grundeinkommen“?

Brämswig: Es geht dabei um eine politische Entscheidung, die man nur gesamtgesellschaftlich umsetzen kann. Und deshalb wollen wir eine direktdemokratische Abstimmung. Wir haben einen Gesetzentwurf geschrieben, durch den ein Modellversuch in Hamburg umgesetzt werden soll. Dafür haben wir ein Volksbegehren gestartet, und wir sind jetzt in der Phase des Sammelns von Unterschriften.

taz: Wie geht es weiter?

Brämswig: Zwischen dem 20. August und dem 30. September können Menschen dafür unterschreiben, dass es einen Volksentscheid geben soll, bei dem parallel zur Bundestagswahl ganz Hamburg darüber entscheiden kann: Wollen wir als Stadtgemeinschaft diesen Modellversuch durchführen? Dies wäre das erste Mal, dass Menschen in Deutschland auf Wahlzetteln über so etwas abstimmen können.

taz: Gibt es in anderen Ländern Erfolge solcher Experimente?

Brämswig: Ja, das spannendste Beispiel ist ein Modellversuch, der in Katalonien kurz vor dem Start steht. An ihm werden viele Menschen teilnehmen und dabei werden auch verschiedene Varianten getestet. Und das wurde von der katalanischen Regierung in Auftrag gegeben.

Die Filmvorführung

Screening „Free Lunch Society: Komm komm Grundeinkommen“: Do, 8. 8., 18.30 Uhr, Hamburg, 3001-Kino, Schanzenstraße 75. Eintritt frei

taz: Aber Ergebnisse gibt es noch nirgends?

Brämswig: Doch, es gab einen Modellversuch in Finnland, der inzwischen abgeschlossen ist. Da bekam eine Gruppe ein bedingungsloses Grundeinkommen, die Kontrollgruppe die normalen Sozialleistungen. Man hat herausgefunden, dass die Leute in beiden Gruppen gleich schnell Arbeit gefunden haben. Aber die mit dem Grundeinkommen waren gesünder, hatten weniger psychische Probleme, waren glücklicher. In der neoliberalen Presse stand dann, dass der Versuch gescheitert sei: Weil nicht mehr Menschen Arbeit gefunden haben. Aber wenn man überlegt, dass es den Staat das Gleiche gekostet hat, es den Menschen aber effektiv besser ging, dann ist das eigentlich ein Erfolg für die Gesellschaft.

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15 Kommentare

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  • Ob man nun 'für' oder 'gegen' das BGE ist, ist doch vollkommen egal, denn in absehbarer Zeit wird es kaum noch Lohnarbeit für die Bürger geben. Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, dann sind 70 bis 80 Prozent aller Arbeitsplätze durch Maschinen besetzt. Momentan wehren sich doch nur noch diejenigen Leute gegen das BGE, die an dem Niedriglohnsektor (und der Ausbeutung von Menschen und dem Planeten) sehr viel Geld verdienen. In einer Welt voller Maschinen, Computer, Automaten, Regelungstechnik, Roboter und demnächst auch Künstliche Intelligenz (KI), wird der Mensch als Arbeitskraft überflüssig werden. Ein echtes BGE wird es aber wohl tatsächlich erst dann geben, wenn die Wirtschaft sagt, dass es keine Arbeitsplätze für den Bürger mehr gibt, da der nur noch ein unnötiger Kostenfaktor ist und die KI jetzt sogar schon die anspruchsvolleren Jobs übernimmt. Bis dahin braucht der Kapitalismus aber noch billige und willige Homo sapiens, damit das klimaschädliche "Monopolyspiel" Wirtschaftswachstum nicht ins Stocken gerät.

    • @Ricky-13:

      Wir hatten das glaube ich schon mal diskutiert: Ich halte das für Quatsch. Wir können jederzeit beliebig viele weitere Bullshit Jobs erschaffen. Außerdem können wir Menschen und ökologische Grundlagen so stark schädigen, dass man sich sehr personalaufwändig um sie kümmern muss (Care-Arbeit).

      Ein Beispiel ist die Tabakindustrie: Seit Jahrzehnten hochautomatisiert, schafft sie wohl unterm Strich durchaus Arbeitsplätze, weil ihre Produkte (und auch der Tabakanbau) einfach viele Leute kaputt machen.

      Die Inkas kannten das Rad und haben es nur in Spielzeug verbaut. In China hat man schon Hunderte von Jahren vor uns das Schießpulver gekannt - und daraus nur Feuerwerk, keine Waffen gemacht. Das Prinzip der Dampfmaschine war schon im antiken Griechenland bekannt.

      Es gibt keinen Automatismus in Sachen Automatisierung - und außerdem ist Automatisierung auch nur ein Teilaspekt von Produktivitätsgewinnen in der Wirtschaft.

      Das BGE muss trotzdem kommen, weil wir ohne weder mit der Ökologischen Krise noch mit dem Neofaschismus fertig werden können.

      • @Eric Manneschmidt:

        Natürlich 'können und werden' sich die Oberen Zehntausend weitere neue "Bullshit"-Jobs ausdenken, mit denen sie die kleinen Leute beschäftigen, damit der Bürger auch ja nicht darüber nachdenkt, dass er am Nasenring durch die Manege der Reichen gezogen wird.

        Mir ging es auch eher darum, mal zu zeigen, wo wir mit der Technik schon sind, denn technisch gesehen braucht man jetzt schon immer weniger Menschen als Arbeitskraft. Bank- und Sparkassenangestellte werden doch jetzt schon eingespart, denn ein Computer ist schneller und günstiger als ein Sparkassenangestellter, der Räume benötigt, Urlaub haben möchte und nicht bereit ist 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr zu arbeiten. Und das ist nur ein Bespiel, und dann auch noch aus einem Bereich der eine gewisse Schulbildung voraussetzt und kein Hilfsarbeiterjob ist.

        Das BGE würde den Bürgern endlich die Angst nehmen, vor Hunger und vor Obdachlosigkeit. Aber das ist wohl nicht im Sinne der Oberen Zehntausend. Irgendwann wird das BGE aber kommen, denn wenn sogar die USA und die asiatischen Länder vom BGE reden, dann können wir es hier in Europa nicht ewig wegdiskutieren – auch wenn es einige gerne möchten.

  • Ich mache einfach mal die Modellrechnung:



    Grundeinkommen 1200€ für einen Single.



    (Und - man bedenke, es gibt dann NUR das uns sonst nichts, eine Mietzuschüsse, keine Erstausstattung usw. - man will ja mit den Kosten für die Behörde das BGE finanzieren):



    Miete in einer Stadt mindestens 600€



    Krankenversicherung ca. 200€



    Öffis + Internet: 75€



    Bleiben also fürs Leben noch satte 315€ - für Essen, Strom, Teilhabe usw.

    Aber derjenige kann ja in die Uckermarck, wenn Berlin oder München zu teuer ist.

    • @Sandra Becker:

      Das BGE ermöglicht sicherlich kein Leben im Luxus, aber vielleicht für Hartz5/Bürgergeldempfänger mal ein Leben in Würde - und dann wären die Sätze in Art. 1 GG endlich mal nicht nur hohle Worte.

      Wir schleppen zwar unsere "Volksvertreter" (die nur noch auf dem Schoß der klimaschädlichen Wirtschaft sitzen) mit dicken Diäten und Ministergehältern (im Grunde ist das ja auch ein BGE) durch ihr Leben, aber für arme Menschen haben wir nichts übrig, denn die sollen gefälligst (mit der Androhung einer Sanktion) für ein 'Ei und ein Butterbrot' arbeiten gehen, damit der Klimawandel noch mehr CO2 zum Wachsen bekommt. So wird es auf Dauer aber nicht mehr funktionieren; das wird uns der Klimawandel irgendwann schon klar machen. Das BGE ist auch keine intellektuelle Spielerei von einigen Akademikern, sondern eine Notwendigkeit, damit es nicht eines Tages zu einem Aufstand der Besitzlosen kommt.

    • @Sandra Becker:

      Nun ja, das GRUNDeinkommen heisst so, weil es eben nur Grundbedürfnisse abdeckt. Wohnen in der Schlossallee gehört eher nicht dazu.



      Ich halte es für ausreichend, ein WG-Zimmerchen von 14 qm finanziert zu bekommen, mehr habe ich auch nicht.

      Andererseits wäre es meiner Meinung nach angemessen, die Krankenversicherung steuerfinanziert zu organisieren (wie in Dänemark) und auch über einen gebührenfreien ÖPNV sollten wir diskutieren.



      Es ist also erstmal noch offen, was alles am Ende vom BGE zu bezahlen ist...

    • @Sandra Becker:

      Spätestens nach 6 Monaten wurd man feststellen, dass der Betrag nicht reicht (gleichzeitig werden nämlich Mieten und EH-Preise etc steigen). Und dann? (Altersversorge kommt ja schon gar nicht vor). Dann sollen die darauf verzichten, die arbeiten, denn die haben ja schon ein Einkommen.... ich verstehe wirklich nicht, warum dieser Blödsinn immer wieder ventiliert wird.

      • @Anboto:

        Komischerweise wird Ihre Prophezeiung in keinster Weise durch die Empirie gedeckt. Es gibt ja BGE-Pilotprojekte, die über viele Jahre laufen und es kommt einfach nicht zu dieser Hyper-Inflation.

        Woher nehmen Sie also Ihre Weisheiten?

        • @Eric Manneschmidt:

          Keine Weisheiten, nur gesunder Menschenverstand;-)! Bestimmte Entwicklungen lassen sich nun mal leicht vorhersagen. Und was die "Empirie" anbelangt: diese Projekte haben aufgrund ihrer extremen Beschränktheit nun



          wirklich keine große Aussagekraft.

        • @Eric Manneschmidt:

          Es kommt nicht zur Hyperflation, aber auch andere positive Effekte bleiben aus. Ja, die Menschen gaben an, glücklicher zu sein. Haben mehr mit BGE gearbeitet? Nein. Haben sie sich mehr ehrenamtlich betätigt? Nein.

          • @Sandra Becker:

            Ich muss zugeben: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Menschen möglichst viel arbeiten sollen und dabei möglichst unglücklich sein, dann ist das BGE sicherlich keine Option für Sie.

            Allerdings, bei aller Beschränktheit ihrer Aussagekraft (da gebe ich Anboto Recht): Gerade bei Pilotprojekten im Globalen Süden haben die Leute mit BGE sehr viel mehr "gearbeitet" (gegen Geld). Sie hatten erstens den Rücken frei und ein gewisses Wagniskapitel und zweitens, noch wichtiger, sie hatten endlich zahlungskräftige Kundschaft.

            Und was das "Ehrenamt" angeht (auch das müsste man genauer definieren): Auch das muss man sich leisten können. Sowohl finanziell als auch zeitlich.

            • @Eric Manneschmidt:

              Ich glaube nicht, dass man Erfahrungen aus dem globalen Süden einfach so auf unsere Verhältnisse übertragen kann. Die Rahmenbedingungen sind ja komplett andere. Dass das BGE im globalen Süden positive Auswirkungen hat, wundert mich jetzt überhaupt nicht.

              • @Anboto:

                Das war auch nicht mein Punkt. Sondern: Das BGE ermöglicht den Leuten im Globalen Süden u.a. mehr Erwerbsarbeit zu machen (auch bessere Gesundheit, weniger Schulabbrecher usw.).



                Bei uns im Norden kann es gar nicht darum gehen, noch mehr Erwerbsarbeit zu machen. Eher im Gegenteil, vor allem müssen wir mit der schädlichen Arbeit aufhören. Das BGE ermöglicht es uns, aus dem Hamsterrad - wenigstens ein Stück weit - auszusteigen und uns um andere Dinge zu kümmern.

                Das liest sich jetzt so, als ob Sie immerhin den Leuten im Globalen Süden ein BGE gönnen würden...?

                • @Eric Manneschmidt:

                  Mit gönnen hat das überhaupt nichts zu tun. Und natürlich ist unbestritten, dass ein BGE Vorteile hätte. Aber ich habe noch nie, nicht einmal, ein schlüssiges Konzept zu dessen langfristiger Finanzierung gehört. Und bin überzeugt, dass es keines gibt. Also sind das alles Hirngespinste und sonst nichts.

          • @Sandra Becker:

            Danke! Sehe ich genauso. Ohne Spesen nix gewesen. Ehrenamt machen genau dieselben, die es jetzt schon machen. Und die, die jetzt keines machen, machen es mit BGE auch nicht. Vielleicht keine Empirie, aber Lebenserfahrung.