piwik no script img

Kaiser's Tengelmann vor ZerschlagungAngestellte sind „am Boden zerstört“

Die Gespräche zur Rettung von Kaiser's Tengelmann sind gescheitert. Bald soll die Supermarktkette aufgespalten werden. Die Zukunft der Belegschaft ist unklar.

Bald sollen hier die Lichter ganz ausgehen: Kaiser's-Filiale in Essen Foto: dpa

Mülheim/Köln dpa/afp | Hiobsbotschaft für die 15.000 Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann: Nach gescheiterten Rettungsverhandlungen soll die verlustreiche Supermarktkette zerschlagen werden. Der Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub rechnet mit dem Verlust einer „großen Zahl“ von Arbeitsplätzen. „Leider müssen wir davon ausgehen, dass für zahlreiche Filialen kein Supermarktbetreiber gefunden werden kann“, erklärte er am Donnerstagabend. Bundesweit beschäftigt Kaiser's Tengelmann noch rund 15.000 Menschen in über 400 Filialen.

Die Nachricht sorgte bei der Belegschaft der Supermarktkette für Entsetzen. „Wir waren guter Dinge, jetzt sind wir am Boden zerstört“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Kette in Nordrhein-Westfalen, Rainer Schroers, den Ruhr Nachrichten. „Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Das ist ein Horrorszenario.“

Bei den Rettungsverhandlungen zwischen Tengelmann, Edeka und Rewe war es darum gegangen, dass Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka Kaiser's Tengelmann doch noch wie geplant übernehmen kann. Dafür war ein Kompromiss mit dem Konkurrenten Rewe nötig, dies scheiterte aber. Haub sprach von einer „sehr enttäuschenden Nachricht“.

Nach dem Scheitern der Gespräche sollen bereits ab der kommenden Woche für das Kaiser's-Filialnetz der Vertriebsregion Nordrhein sowie die Fleischwerke in Viersen, Donauwörth und Perwenitz Interessensbekundungen am Markt eingeholt werden. Die „Verwertungsphase“ der Vertriebsregionen München und Berlin solle zeitverzögert starten, hieß es. Haub erklärte, er habe die Geschäftsführung von Kaiser's Tengelmann beauftragt, in umfassende Sozialplanverhandlungen einzutreten.

Seit Wochen gab es Verhandlungen zur Rettung von Kaiser's Tengelmann. Grund waren erhebliche Probleme bei der geplanten Übernahme durch Edeka. Doch hatten auch zwei Krisengipfel zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe sowie Vertretern der Gewerkschaft Verdi keine Lösung gebracht. Bei einem Treffen in der vergangenen Woche hatten sich die Beteiligten eine Frist bis zum nächsten Montag gesetzt, um zu einer Lösung zu kommen.

Streit um Ministererlaubnis

Rewe spielte eine Schlüsselrolle bei den Gesprächen. Rewe sowie Norma und Markant hatten gegen eine Ministererlaubnis zur Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka geklagt. Mit dieser hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Veto des Bundeskartellamts gegen die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ausgehebelt.

Wegen der Klagen konnte Edeka Kaiser's Tengelmann nicht wie geplant übernehmen. Die wirtschaftliche Lage der Supermarktkette hatte sich in den vergangenen Wochen zunehmend verschlechtert. In Krisentreffen war versucht worden, doch noch eine Lösung zur Rettung von Kaiser's Tengelmann zu finden. Dafür hätte Rewe die Klagen zurückziehen müssen.

Am Donnerstagabend aber erklärten Tengelmann, Edeka sowie Rewe die Verhandlungen für gescheitert. Die Konzerne wiesen sich gegenseitig die Schuld am Scheitern der Gespräche zu.

Haub erklärte, die Kläger seien nicht bereit gewesen, „konstruktiv an Lösungen zu arbeiten“ und ihre Beschwerden zurückzuziehen. Rewe-Chef Alain Caparros warf Haub und Edeka-Chef Markus Mosa vor, diese hätten sich auf Kosten der Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann „verspekuliert“. Es gebe bis jetzt kein ernsthaftes, überprüfbares und rechtlich umsetzbares Angebot an Rewe für eine konstruktive Lösung.

Suche nach einer „tragfähigen Lösung“

Edeka erklärte: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass Rewe an keiner Lösung im Rahmen der Ministererlaubnis interessiert war.“ Entgegen allen öffentlichen Verlautbarungen in der Vergangenheit sei Rewe offenbar nicht bereit, zu den gleichen Bedingungen wie Edeka zumindest Teile von Kaiser's Tengelmann zu erwerben und die Mitarbeiter entsprechend abzusichern.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel pocht auch nach den gescheiterten Verhandlungen über eine Rettung von Kaiser's Tengelmann weiter auf einen Kompromiss. Er appelliere nochmals, „dass sich alle Beteiligten ernsthaft bemühen sollten, eine tragfähige Lösung für die Zukunft“ der knapp 16.000 Mitarbeiter zu finden, erklärte der SPD-Chef in Berlin. Ein Scheitern der Verhandlungen wäre erschütternd für die betroffenen Mitarbeiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Gestern noch fällte das BVG ein Urteil mit der Begründung "die internationale Verlässlichkeit Deutschlands und Europas insgesamt" stünde auf dem Spiel.

    Es scheint also für Richter gewisse Spielräume zu geben, wenn so ein hohes Gut wie die "deutsche Verlässlichkeit" geschützt werden muss.

    Schade das 15.000 Arbeitsplätze für das OLG Düsseldorf offenbar kein so hohes Gut waren.

  • Hoffentlich ist diese Berg-und-Tal-Bahn-Fahrt bald zuende!

     

    Eben noch war Euphorie (die taz hat ausführlich berichtet). Nun ist zur Abwechslung mal wieder großes Jammern angesagt. So geht das nun schon über Monate. Was das mit Menschen macht, um deren Existenzbasis es geht, ist denen, die da medienwirksam agieren, offenbar völlig wurscht. Hauptsache, sie können einen Schaukampf liefern, über den berichtet wird in allen Tageszeitungen.

  • An diesem Desaster tragen alleine der Wirtschaftsminister und die Gewerkschaften die Schuld, da es während den ursprünglichen Verhandlungen durchaus Alternativen gab. Diese hätten jedoch eine geringere Gewerkschaftsbindung und eine geringere Arbeitsplatzsicherheit bedeutet. Nach dem Scheitern der Gespräche ist nunmehr vollkommen offen, was mit den Arbeitsplätzen passiert. Ein vollkommen misslungenes Glanzstück. Bleibt die Frage der Kanzlerkandidatur.

    • @DiMa:

      Wie bitte? Ich verstehe nicht: Welche "Frage"?