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Kai Wegner und der CSD in BerlinEröffnungsrede umsonst geschrieben

Der Regierende hält keine Ansprache beim diesjährigen CSD. Vorausgegangen war eine Debatte über eine vom Senat vertrödelte Bundesratsinitiative.

Grüßaugust: Senatschef Kai Wegner (CDU, M.) zusammen mit Sozialsenatorin Cansel Kizitepe (SPD) beim CSD 2023 Foto: Imago/epd

Berlin taz | Seit Wochen schwelt ein Streit um die Frage, ob Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den diesjährigen Christopher Street Day (CSD) mit einer Rede eröffnen soll oder nicht. Nach einem Treffen mit Ver­tre­te­r:in­nen des CSD-Vorstands am Donnerstag steht fest: Wegner wird die Parade am Samstag in einer Woche nicht eröffnen. Wie Senatssprecherin Christine Richter sagte, werde er aber an der CSD-Parade teilnehmen.

Eigentlich ist die Eröffnung der Parade durch den jeweiligen Senatschef oder die Senatschefin inzwischen fester Bestandteil der europaweit größten Veranstaltung der LGBTIQ*-Community. Auch Wegner hatte im vergangenen Jahr den CSD mit einer Eröffnungsansprache bedacht.

Der Stein des Anstoßes in diesem Jahr: In besagter Rede von 2023 hatte der Regierende vollmundig versprochen, sich für eine Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes um den Schutz von queeren Menschen einzusetzen. Allein, von der entsprechenden Bundesratsinitiative, die Wegner anschieben wollte, haben die Ber­li­ne­r:in­nen seither nichts mehr gehört.

Zum Unmut der CSD-Organisator:innen, die dem CDU-Politiker daher im Mai die Pistole auf die Brust setzten. Konkret heißt es in einem Forderungskatalog des CSD-Trägervereins: „Auf Worte müssen nun Taten folgen. Auf Bundesebene blockiert insbesondere die CDU das Vorhaben.“ Es sei an der Zeit, dass Wegner den Druck auf die eigene Partei erhöhe.

Wegners Darstellung „nicht glaubhaft“

Bis Mitte Juli gab man Wegner Zeit, „einen verbindlichen Plan vorzulegen“, wie „und vor allem wann“ diese und fünf weitere Kernforderungen umgesetzt werden. Erst danach wollte der Vorstand des Berliner CSD entscheiden, wer die Demonstration in diesem Jahr eröffnet.

Wie der Tagesspiegel berichtet, hatte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) zwar Anfang der Woche ein Papier für eine entsprechende Bundesratsinitiative vorgelegt. Das war dann wohl aber nicht nur zu spät, sondern auch etwas zu dünn. Zumal von der ebenfalls geforderten Weiterentwicklung der Maßnahmen gegen Hasskriminalität inklusive Sicherstellung der Finanzierung nach wie vor nichts zu sehen ist.

Nun folgte also die Entscheidung: Wegner eröffnet den CSD nicht. Das Treffen am Donnerstagnachmittag sei konstruktiv verlaufen, sagte Senatssprecherin Richter. Zum Gesprächsverlauf gab es ansonsten keine weiteren Informationen. Dem Vernehmen nach soll der Regierende Bürgermeister erklärt haben, sich nicht unter Druck setzen zu lassen.

Marcel Voges vom CSD-Vorstand sagte dem Tagesspiegel, Wegner habe dann mitgeteilt, keine Ansprache halten zu wollen. Auch der Verein habe sich das unter diesen Rahmenbedingungen nicht vorstellen können. „Der Regierende Bürgermeister hat uns nicht glaubhaft darstellen können, dass es entscheidende Fortschritte bezüglich unserer Forderungen gibt.“ (mit dpa)

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3 Kommentare

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  • Der Regierende Bürgermeister Berlins muss nicht nach jeder Pfeife tanzen. Er muss sich dann aber auch nicht wundern, dass Anbiederung ohne Substanz zurückgewiesen wird.

    Inhaltlich sagt Art. 3 GG im ersten Satz schon alles. Alle Menschen gleiches Recht. Darauf pfropfte man in Teil 2 die ausdrückliche Nennung von Frauen auf, was historisch verständlich und hilfreich war. Auch die Art Auflistung in Teil 3 hat historischen Hintergrund u.a. in der Ausgrenzung jüdischer Menschen hierzulande.



    Ich bin hin und her gerissen: Natürlich diskriminiert man bitte auch niemanden, weil Orientierung dies oder das.



    Ab wann aber wird es eine ellenlange Auflistung aller möglichen Varianten von Diskriminierung, die eigentlich aus dem prägnanten 3,1 abgeleitet im Gesetzesblatt stehen müssten, nicht im Grundgesetz?



    Das ist nicht rhetorisch gefragt, das sehe ich als schwer zu lösen.

    Wegener hingegen sehe ich als opportunistischen Stadtrandpopulisten, der Kreide versucht hat zu kauen.

    • @Janix:

      Nein Ihre Antwort ist wirklich nicht rhetorisch sondern polemisch gemeint. Queere Menschen genießen im Moment eben keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor Diskriminierung weil im Satz 3 des 3. Artikels GG eben die sexuelle Orientierung ausdrücklich nicht erwähnt wird.

      • @Grusel:

        Doch, genießen sie. Vielleicht noch nicht überall in jedem oberbayerischen Dorf auch tatsächlich, aber juristisch doch.



        Nicht alles muss ausdrücklich in der Verfassung stehen (da gibt es noch andere Artikel, die qualvoll eher jesuitischer Kasuistik gleichen, inzwischen). 3,1 sagt eigentlich alles.

        Und ich meine, was ich schreibe. Sie doch hoffentlich auch. Es ist eine Aporie.