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Kämpfe in der OstukraineKampfjets über Donezk

In der krisengeschüttelten Ostukraine gab es am Mittwoch erneut Kämpfe und Demonstrationen. Das Schicksal mehrerer OSZE-Beobachter ist weiterhin unklar.

Bei Luftangriffen sollen Fahrzeuge der Separatisten zerstört worden sein. Bild: dpa

DONEZK/MOSKAU dpa/afp | Die von Gewalt erschütterte ostukrainische Millionenstadt Donezk kommt nicht zur Ruhe. Kampfflugzeuge donnerten über die Industriemetropole, wie örtliche Onlineportale berichteten. In der Umgebung des Flughafens werde wieder gekämpft, teilte Bürgermeister Alexander Lukjantschenko am Mittwoch mit. Der künftige Präsident Petro Poroschenko sagte der Bild-Zeitung, die russisch geprägte Region befinde sich im Kriegszustand. Auch nach zwei Tagen fehlte von den verschleppten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) jede Spur.

Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums behauptete, die Mitarbeiter aus Estland, Dänemark, der Schweiz und der Türkei seien in der Gewalt prorussischer Separatisten. Ein Führungsmitglied der Regierungsgegner wies hingegen den Vorwurfe zurück. „Uns ist nichts bekannt über ihren Aufenthaltsort oder ihr Schicksal“, sagte Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax.

Ein Vertreter der benachbarten „Volksrepublik Lugansk“ sagte, die Beobachter befänden sich nicht in seiner Region. In einem früheren Fall hatten die Separatisten in der Stadt Slawjansk die Festsetzung von OSZE-Militärbeobachtern, darunter auch Deutsche, direkt eingeräumt und sie letztlich auf Vermittlung Russlands freigelassen.

Die prowestliche Führung geht in der Region mit einer „Anti-Terror-Operation“ gegen prorussische Kräfte vor, die weitgehend die Kontrolle über Donezk haben. Dabei sind in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen getötet und verletzt worden.

Bergleute demonstrieren gegen Militäreinsatz

Der Donezker Bürgermeister Lukjantschenko rief die Einwohner auf, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben sowie Fenster und Balkone zu meiden. Informationen über neue Opfer lagen zunächst nicht vor. Im Stadtzentrum von Donezk demonstrierten Hunderte, darunter Bergleute, gegen den Militäreinsatz.

Die Separatisten behaupteten, sie hätten den Flughafen zurückerobert. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Der Airport,der für die Fußball-Europameisterschaft 2012 modernisiert worden war, wurde bei den jüngsten Gefechten stark beschädigt, wie Amateurvideos zeigen.

Auch aus Slawjansk wurden wieder Schusswechsel gemeldet. Dabei seien sieben Zivilisten verletzt worden, darunter ein Kind, behaupteten die Separatisten. Ein Kindergarten sei stark beschädigt worden.

Der Militärexperte Dmitri Tymtschuk betonte, dass in den Reihen der Aufständischen mehrere Ausländer kämpften. So seien unter den Getöteten Serben sowie Russen aus der Konfliktregion Nordkaukasus, etwa aus dem früheren Kriegsgebiet Tschetschenien, identifiziert worden. Russland und die Separatisten wiederum behaupten, dass US-Söldner die Regierungstruppen unterstützen.

Bewährungsstrafen für Ex-Polizisten

Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) lehnten Aktivisten eine Auflösung ihres Protestlagers ab. „Der Maidan geht nicht auseinander, solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind“, betonten verschiedene Gruppen in einem Manifest. Gefordert wird unter anderem eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Tod von etwa 100 Demonstranten im Februar.

Ein Kiewer Gericht verurteilte zwei ehemalige Angehörige der Truppen des Innenministeriums wegen Misshandlung eines gefangenen Demonstranten zu zwei und drei Jahren Haft. Die Männer hatten einen Aktivisten im Zentrum von Kiew bei Minusgraden gezwungen, sich nackt auszuziehen. Ein Video der Erniedrigung hatte international für Empörung gesorgt. Das Gericht setzte die Strafe zu einem Jahr Bewährung aus, da die Angeklagten ihre Tat eingestanden und das Opfer den Peinigern verziehen hatte.

Vor der Präsidialverwaltung forderten Demonstranten die Regierung zu mehr Einsatz für eine Freilassung des Theaterregisseurs Pawel Jurow und des Künstlers Denis Grischtschuk auf. Die Männer sind seit mehr als einem Monat verschwunden und werden vermutlich in Slawjansk von Separatisten festgehalten.

Putin besucht Hollande

Trotz der Spannungen wegen des Ukraine-Konflikts wird Frankreichs Präsident François Hollande den russischen Präsidenten Wladimir Putin am 5. Juni im Elysée-Palast empfangen. Putin komme zu einem informellen Treffen mit Hollande nach Paris, teilte der Kreml am Mittwoch in Moskau mit.

Das Abendessen der beiden Präsidenten wird einen Tag vor der Teilnahme Putins und weiterer Staats- und Regierungschefs an den 70-Jahr-Feierlichkeiten zur Landung der Alliierten in der Normandie stattfinden. Hollande und Putin werden nach den Angaben aus Moskau über verschiedende internationale Fragen sprechen, „insbesondere über die Ukraine-Krise“. Das Zweiertreffen Hollandes mit Putin ist das erste persönliche Gespräch eines G-7-Staats- oder Regierungschefs mit dem russischen Präsidenten seit der Eskalation der Krim-Krise in der Ukraine.

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8 Kommentare

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  • Das Ukrainische Gambit: Krieg um Neurussland (2)

     

    Der in der taz zitierte "Militärexperte Dmitri Tymtschuk" ist bekannt für seine Propagandaarbeit ("Information Resistance") für die Kiewer Junta. Seine Elaborate sind hier http://sprotyv.info/ru und hier http://maidantranslations.com/ zu bewundern.

     

    Obwohl man sich um ein einigermaßen glattes Bild nach außen bemüht, schimmert immer wieder nationalistischer und rassistischer Ungeist durch. Gerade die Kommentare seiner Gefolgschaft bieten immer wieder das ein oder andere Highlight.

     

    Dass seine "Nachrichten" - und damit auch sein "Expertentum" - mit Vorsicht zu geniessen sind, erschliesst sich dem kritischen Leser recht schnell.

  • Das Ukrainische Gambit: Krieg um Neurussland (1)

     

    Für Poroshenko und die Kiewer Junta ist das Zeitfenster klein. Die Energiekrise beginnt im Juni: "The Real Energy Crisis Starts in June" http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140528010

     

    Bevor es in den Verhandlungen um die russischen Gaslieferungen zur Sache geht, versucht Banderastan, Fakten zu schaffen. Der Krieg gegen das abtrünnige "Neurussland" - die Regionen Donetsk und Slavyansk, die sich vor wenigen Tagen zur "Republik Novorossja" zusammengeschlossen haben - ist in vollem Gange. Heute wurde eine Schule, ein Kindergarten und mehrere PKW von ukrainischer Artillerie getroffen. Es handelt sich um einen Krieg gegen die Bevölkerung des Donbas, nicht um eine "Antiterror-Operation".

     

    Obwohl Banderastan dazu Panzer, Artellerie, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Dronen aufgeboten hat, sind die Erfolge bescheiden. Der seit Montag umkämpfte Flugplatz von Donetsk ist immer noch von Regierungstruppen nicht eingenommen. Die Frage ist, wann es sich nicht mehr lohnt, um die Ruinen zu kämpfen.

     

    War bislang die Teilnahme am bewaffneten Widerstand in "Neurussland" noch relativ gering, so dürfte sich das mit dieser Eskalation der Militäraktion ändern. Poroshenko wird sich nun nicht mehr die Mühe machen müssen, den Osten zu besuchen. Möchte er es doch tun, wird er dabei auf sichere Distanz zur dortigen Bevölkerung achten wollen. Vielleicht leihen ihm seien Oligarchenfreunde Ahmetow oder kolomoisky ein paar ihrer Arbeiter bzw. Schläger für einen Presseauftritt?

    • @h4364r:

      Soweit mir bekannt, unterstützt die Bevölkerung kaum die Teroristen im Osten, die von russischen Söldnern unterstützt werden. Die Kiewer Regierung ist keine Junta, sondern die Folgeregierung mit einem im ersten Wahlgang gekürten Präsidenten. Da der frühere Präsident die Ukraine aus gesundheitlichen Gründen verlassen hat, ist seine Ablösung rechtens. Es heißt, Wiktor Janukowycz hat sich in der Ukrine unwohl gefühlt. Wiktor Janukowycz ist durch goldene Wasserhähne und Korruption mit eigenem Schlossbau negativ ausgefallen.

      • @Gabriel Renoir:

        Janukowitsch ist nicht aus "gesundheitlichen Gründen" aus Kiew geflüchtet, sondern weil er sein Leben in Gefahr sah, da sich Swoboda und Konsorten nicht an das mit Steinmeier ausgehandlete Abkommen vom 21. Februar hielten. Klar war Janukowitsch, der nun in Rostow am Don herumsitzt, ein korrupter Oligarch, aber das unterschied ihn nicht von Achmetow, Poroschenko, Timoschenko usw., und es hatte den Westen nicht gestört, solange die Aussicht bestand, er würde das Assoziierungsabkommen unterschreiben.

        • @Der_Peter:

          Auf jeden Fall haben die Wahlen in der Ukraine gezeigt, dass die Faschisten kaum Stimmen bekommen haben, weniger als die NPD in Ostdeutschland. Von daher hat ein gewisser Klärungsprozess in der Ukraine stattgefunden. Der Protest ging gegen das Abkommen mit Russland los, das in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt war. Die EU stellt eine attraktivere Perspektive dar als Russland. Ob das wirtschaftlich richtig ist, keine Ahnung. Aber Russland lebt vor allem vom Rohstoffverkauf. Ansonsten liegt es mit seinem Bruttosozialprodukt auf Platz 8 weltweit, die EU hingegen auf Platz 1.

          • @Gabriel Renoir:

            Es ist sicherlich erfreulich, daß die ukrainischen Faschisten so wenig Stimmen bekommen haben. Es wäre gut gewesen, nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern auch gleich ein neues Parlament/eine neue Regierung zu wählen, denn angesichts der geringen Zustimmung, die Swoboda in der Bevölkerung hat, ist ihr Anteil an den Schlüsselpositionen im Staat viel zu hoch.

            • @Der_Peter:

              ich denke, Wahlen sind geplant. Auch in Russland wäre es mal gut, Wahlen durchzuführen, die nicht dauernd gefälscht werden. Von daher ist der Standard in der Ukraine deutlich höher. Fraglich, ob Putin bei echten Wahlen gewinnen würde.

              • @Gabriel Renoir:

                Na, Sie wissen ja gut Bescheid über die Wahlen in Rußland. Ich dachte immer, in diesem Thread ginge es um die Ukraine. Wie hoch der Standard dort sein wird, werden wir sehen, wenn wir uns die Wirkungs- und Werbemöglichkeiten der Partei der Regionen und der KP ansehen. Und ob mißliebige Kandidaten so wie bei der Wahl des Präsidenten mal einfach so zusammengeschlagen und zum Rückzug genötigt werden.