piwik no script img

Kämpfe im syrischen Aleppo dauern an100.000 Zivilisten geflohen

Alle Bemühungen um eine neue Waffenruhe für Aleppo sind bislang gescheitert. Die Lage in den noch von den Rebellen besetzten Gebieten wird immer dramatischer.

Dieses Bild vom 8. Dezember zeigt, dass in dem Viertel al-Mashhad im Osten Aleppos kaum noch ein Stein auf dem andreren steht Foto: ap

Moskau dpa | In der nordsyrischen Stadt Aleppo fliehen immer mehr Menschen aus den schwer umkämpften schrumpfenden Rebellengebieten. Mittlerweile hätten 100.000 Zivilisten die noch von oppositionellen Milizen kontrollierten Viertel in Ost-Aleppo verlassen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Trotz einer von Russland verkündeten Waffenruhe gingen die Kämpfe in Aleppo weiter.

Truppen der Regierung hätten die Rebellengebiete mit Artillerie und aus der Luft angegriffen, meldete die Beobachtungsstelle. Aktivisten aus der Region berichteten am Morgen, es sei heftiger Gefechtslärm zu hören. Nach Angaben der Menschenrechtler beschossen zugleich Rebellen Viertel unter Kontrolle der Regierung und verbündeter Milizen.

Aleppo gehört zu den umkämpftesten Gebieten in dem fast sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg. Die Armee und verbündete Milizen aus Nachbarländern hatten in den vergangenen Wochen rund 80 Prozent der bisherigen Rebellengebiete in Ost-Aleppo erobert.

Syriens Führung hatte in dieser Woche erklärt, sie werde einer Waffenruhe erst zustimmen, wenn die Rebellen aus Aleppo abziehen. Die Regimegegner fordern, zunächst müssten Verletzte und Zivilisten unter Aufsicht der Vereinten Nationen die Stadt verlassen können.

Da die Viertel unter Kontrolle von Oppositionskräften seit Wochen blockiert sind, wird dort die humanitäre Lage immer dramatischer. Hilfsorganisationen und Aktivisten berichten von akutem Mangel an Trinkwasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung.

Einige Kämpfer sollen Waffen niedergelegt haben

Nach russischen Angaben verließen innerhalb von 24 Stunden rund 8.500 Menschen die Konfliktzone. Zudem hätten einige Kämpfer die Waffen niedergelegt, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Ein Sprecher der Rebellengruppe Nur al-Din al-Sinki, Jassir Jussif, erklärte hingegen, in den vergangenen 24 Stunden habe niemand die umkämpften Gebiete im Osten Aleppos verlassen. Russland ist ein Verbündeter Syriens und unterstützt die Regierungstruppen.

Die Menschenrechtsbeobachter erklärten, 70.000 Menschen seien in Gebiete Aleppos geflohen, die von Regimekräften beherrscht werden. Weitere 30 000 Menschen fanden demnach Zuflucht in Stadtviertel unter Kontrolle kurdischer Einheiten. In den verbliebenen Rebellengebieten hielten sich nach Schätzungen noch rund 120.000 Menschen auf.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Donnerstag gesagt, die Syriens Armee habe ihre Angriffe in Aleppo unterbrochen, um etwa 8.000 Zivilisten aus der Stadt zu bringen. Er kündigte zudem ein Treffen russischer und amerikanischer Experten für diesen Samstag in Genf an. Sie sollten ein Abkommen mit einer Lösung für Ost-Aleppo erarbeiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Was die dpa-Meldung nicht erwähnt, ist dass laut dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte auf der Flucht mehrere Hundert Menschen verschwunden sind! Soviel zu den "humanitären Korridoren", die das Regime und seine Helfershelfer versproche haben...

    http://www.tagesschau.de/ausland/aleppo-519.html

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Es ist beklagenswert, wie Zeid al-Hussein den UN Menschenrechtsrat und sein Büro zur PR-Abteilung für die "Rebellen" umfunktioniert hat. Leider nicht die einzige UN-Institution, deren Glaubwürdigkeit in den vergangenen Jahren gelitten hat. Am IStGH sehen wir gerade, wohin das führen kann.

       

      Zu den Vermissten:

      Ein Sprecher al-Husseins berichtet über die "Behauptung" (allegation) geflohener Familien, daß männliche Mitglieder auf der Flucht verloren gegangen seien. Dies ist, wie er selbst zugibt, kaum nachprüfbar aber der UN-Hochkommisar ist "tief betroffen" (deeply concerned). http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/media.aspx?IsMediaPage=true

       

      Die Tagesschau macht daraus dann eine quasi-Tatsache:

      "Hunderte Männer aus dem umkämpften Ostteil [Aleppos] [...] seien nach ihrer Flucht [...] unauffindbar, erklärte ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte"

      ... ÖR-Qualitätsjournalismus eben.

       

      Nun will ich nicht sagen es sei unwahrscheinlich, daß einzelne Flüchtende von den Regierungstruppen aus sehr nachvollziehbaren Gründen "etwas eingehender befragt werden".

      Das Haupthindernis für die Flucht aus den östlichen Stadtteilen Aleppos bleibt aber weiterhin die Gewaltandrohung der Rebellen. Das wollte nicht einmal die Tagesschau unter den Tisch fallen lassen.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        Ich denke wir wissen alle, was mit "etwas eingehender" Befragung gemeint ist.

        • @74450 (Profil gelöscht):

          Was meinen Sie denn, was mit gefangenen Islamisten in Mossul passiert?

           

          Einfach freilassen ist wahrscheinlich nicht ganz ungefährlich.

           

          Zeid al-Hussein ist ein sunnitischer Prinz. Dass er sich besonders für sunnitische "Rebellen" einsetzt, verwundert nicht.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      OK. Von mehreren 10.000 Menschen sind einige z.Z. nicht auffindbar. Da gibt es einige Möglichkeiten. Eine wäre, dass die Syrer nicht dümmer sind, als die Iraker. Sie prüfen, ob es sich vielleicht um verkappte Selbstmordattentäter handelt.

  • "Mittlerweile hätten 100.000 Zivilisten die noch von oppositionellen Milizen kontrollierten Viertel in Ost-Aleppo verlassen..."

    "In den verbliebenen Rebellengebieten hielten sich nach Schätzungen noch rund 120.000 Menschen auf..."

     

    Macht 220.000 auf knapp 14 qkm (und das inkl. der Grünanlagen und Industrieflächen).

    Gibt es bei der dpa eigentlich Taschenrechner ?

    • @jhwh:

      Puh, also zuerst zirkulierten Zahlen zwischen 200.000 und 300.000 in gesamt Ostaleppo, nach den Geländegewinnen der Regierung hieß es dann ca. 100.000 sind noch in den Gebieten der "Rebellen". Jetzt sind 100.000 weg und 120.000 irgendwie noch da...also mein Taschenrechner spielt da nicht mehr mit...