Krieg in Syrien: Rebellen weiter zurückgedrängt
Assads Truppen und Verbündete kontrollieren fast ganz Ost-Aleppo. Zivilisten fliehen in den Westen. Die USA und Russland führen Militärgespräche.
Auch in der Wüstenstadt Palmyra im Osten des Landes und in der bislang vom „Islamischen Staat“ (IS) kontrollierten nordsyrischen Stadt Al-Bab unweit der Grenze zur Türkei eskalierten die Kämpfe.
Die vollständige Rückeroberung Aleppos durch die mit Unterstützung Russlands, Irans und der libanesischen Hisbollah-Milizen kämpfenden syrischen Regierungsstreitkräfte ist möglicherweise nur noch eine Frage weniger Tage.
Seit Beginn der syrisch-russischen Großoffensive Mitte November haben die diversen Oppositionsmilizen und die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbundene Rebellengruppe Dschabha Schamija (ehemals al-Nusra) nach weitgehend übereinstimmenden Angaben aus den verfeindeten Lagern inzwischen 90 Prozent der von vormals kontrollierten östlichen Stadtteile Aleppos verloren.
Die Aufständischen hätten nur noch ein kleines Gebiet im Ostteil der Stadt unter Kontrolle, erklärte ein Sprecher Dschabha Schamijas am Sonntag von der Türkei aus. Das Gebiet, in dem sich viele Zivilisten aufhielten, liege unter starkem Beschuss syrischer Regierungstruppen.
Russland und die USA beraten über Waffenruhe
Nach russischen Angaben kontrollieren die syrischen Truppen inzwischen 93 Prozent von Aleppo. Die Schiitenmiliz Hisbollah erklärte, ein Sieg in Aleppo stehe unmittelbar bevor.
Aus dem Ostteil der Stadt flohen nach russischen Angaben am Wochenende über 20.000 Zivilisten in den Westteil. Zudem hätten über 1.200 Rebellen ihre Waffen niedergelegt, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Militärministerium in Moskau. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte dagegen, zwar seien Hunderte Zivilisten geflüchtet, Rebellen hätten sich aber nicht ergeben.
In Genf berieten seit Samstag Diplomaten und Militärexperten Russlands und der USA über die Zielsetzung und Modalitäten einer Waffenruhe für Aleppo. Washington geht es dabei in erster Linie um die ungehinderte humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung, Moskau hingegen um den Abzug aller regierungsfeindlichen Milizen aus Aleppo. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.
In der Nacht zum Samstag verabschiedete die UNO-Generalversammlung mit 123 ihrer 193 Mitgliedsstaaten eine von Kanada eingebrachte Resolution, in der alle Kriegsparteien in Syrien und insbesondere in Aleppo aufgefordert werden, alle Kampfhandlungen sofort und bedingungslos einzustellen, die Belagerung von mindestens 18 syrischen Städten aufzuheben und die ungehinderte humanitäre Versorgung der Bevölkerung zuzulassen.
Gegen die Resolution stimmten 13 Staaten – darunter Russland, China und Iran. 36 Länder enthielten sich. Eine fast gleichlautende Resolutionsentwurf war vor zwei Wochen im UNO-Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas gescheitert.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Bei der internationalen Syrien-Konferenz der sogenannten „Freundesgruppe Syriens“ in Paris warf US-Außenminister John Kerry am Samstag der Führung in Damaskus Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Aleppo vor.
Gut 200 Kilometer südöstlich von Aleppo flammten am Wochenende die Kämpfe um die Oasenstadt Palmyra wieder auf. Am Freitag hatte der IS die Stadt zunächst erobert, wurde dann aber durch massive russische Luftangriffe wieder zum Rückzug gezwungen. Am Sonntagnachmittag gelang es dem IS offenbar, den Ort wieder einzunehmen.
Zum ersten Mal hatte der IS Palmyra im Mai 2015 erobert. Dort sprengten die Dschihadisten den Baaltempel, den Triumphbogen, und mehrere Grabtürme, die als Unesco-Weltkulturerbe eingestuft waren. Knapp ein Jahr später gelang syrischen Truppen die Rückeroberung. Es war einer der wichtigsten Erfolge der syrischen Armee im Kampf gegen den IS.
Die türkische Armee und syrische Rebellen drangen am Wochenende nach heftigen Kämpfen in die IS-Bastion Al-Bab vor. Die Stadt unweit der Grenze zur Türkei ist die letzte Hochburg des IS in der nordsyrischen Provinz Aleppo. Türkische Jets hätten den Angriff aus der Luft unterstützt, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London am Samstagabend.
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