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KOMMENTAR FINANZTRANSAKTIONSSTEUERFaule Gegenargumente

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Weil es keine guten Gründe gegen die Finanztranaktionssteuer gibt, setzt die Regierung auf längst widerlegte Argumente, meint Malte Kreutzfeldt

E s kommt selten vor, dass ein politisches Instrument so viele Probleme gleichzeitig lösen kann wie die derzeit diskutierte Finanztransaktionssteuer. Sie würde mit einem Schlag große Summen in die leeren öffentlichen Kassen spülen. Sie würde kurzfristige Spekulation mit Finanzprodukten und Währungen unattraktiver machen und damit die Märkte stabilisieren. Und sie würde den Menschen das Gefühl geben, dass die Politik ihre Handlungsfähigkeit gegenüber den Märkten zurückerobert und die Verursacher der Krisen zumindest anteilig an den Kosten beteiligt.

Doch die Bundesregierung hat an mehr Gerechtigkeit, stabileren Märkten und volleren Kassen offenbar kein Interesse. Zwar werden auch in der Union die Stimmen lauter, die die Abgabe auf Finanztransaktionen unterstützen, doch die Kanzlerin lehnt sie weiterhin ab - mit Rücksicht auf die FDP und die Banken.

Dass weite Teile des Finanzsektors die geplante Steuer ablehnen und massive Lobbyarbeit dagegen betreiben, ist nachvollziehbar. Denn anders als die von der Regierung vorgeschlagenen Alternativen - die Bankenabgabe oder die ähnlich klingende, aber inhaltlich völlig andere "Finanzaktivitätssteuer" - würde die Finanztransaktionssteuer die Banken ernsthaft Geld kosten und einen ganzen Geschäftszweig - die kurzfristige Spekulation - unattraktiv machen. Das kann denen nicht gefallen, die daran gut verdienen.

Bild: taz

Malte Kreutzfeldt leitet das taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt

Weil die Gegner der Finanztransaktionssteuer ahnen, dass entgangene Gewinne aus schädlichen Geschäften kein besonders überzeugendes Argument sind, führen sie andere Gründe gegen die Steuer an - auch wenn diese vielfach unsinnig oder längst widerlegt sind. Dass etwa Kleinsparer oder Versicherungsnehmer besonders betroffen sind, ist absurd, denn bei langfristigen Anlagen fällt die minimale Steuer überhaupt nicht ins Gewicht. Dass die Steuer nur global funktionieren würde, ist ebenfalls widerlegt. Und dass sie technisch umsetzbar ist, hat inzwischen sogar der IWF bestätigt.

Richtig ist, dass eine gleichzeitige Einführung möglichst in der ganzen EU sinnvoll wäre. Doch hier gibt es bereits eine breite Mehrheit für die Steuer. Neben Großbritannien, wo sich in der neuen Koalition die Liberalen dafür und die Konservativen dagegen positioniert haben, kommt es entscheidend auf Deutschland an. Die Steuer mit Verweis auf die notwendige internationale Einigkeit abzulehnen und genau damit jene Einigkeit zu verhindern - mit diesem Trick darf die Regierung nicht davonkommen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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6 Kommentare

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  • M
    Marcus

    Wenn die Finanztransaktionssteuer wirkt, entschwindet die Bemessungsgrundlage - weil ja die kurzfristigen Spekulationen dann abnehmen. Dann ist aber auch der Ertrag wohl kaum so hoch wie erhofft.

     

    Zu befürchten ist aber vielmehr, dass sich die entsprechenden Geschäfte auf andere Plattformen (Dark Pools etc.) verlagern - die dann gar nicht erst einer wie auch immer gearteten Regulierung unterliegen.

     

    Transparenz, adieu!

  • H
    hto

    Gegenargument: Auch diese Steuer kann auf mehreren Wegen umgangen und ausgeschaltet werden - deshalb konsequente Verstaatlichung aller Banken.

  • AK
    Achim Koch

    Schaue trotz anderer politischjer Orientierung immer mal wieder gerne bei der taz rein. Aber Du meine Güte! Der Kommenar von Malte Kreutzfeldt ist an wirtschaftlicher Naivität wirklich kaum zu überbieten. Die Finanztransaktionssteuer ist ein weiteres Verdummungsprogramm der vereinten Politiker von rot über grün bis schwarz, das genausowenig funktonieren wird wie die Versuche, den schwachen Euro stark zu quatschen oder Staatsanleihen überschuldeter Länder am Markt zu platzieren. Zwar lassen sich Medien und Wähler vielleicht auf diese Weise verdummen - aber eben nicht die Kapitalanleger vom Versicherungskonzern bis zum engagierten Kleinsparer. Um den hoffnungslos naiven Ansatz von Herrn Kreutzfeldt zu komplettieren, empfehle ich für die neue Verdummungs-Steuer die Bezeichnung: "Böhse Speggulanden Belämpfungssteuer". Ja, so stellt sich Klein-Malte wahrscheinlich die böse Wirtschaftswelt vor.

     

    P.S. Ich handle meine Transaktionen dann eben über meine Bankzugänge in der Schweiz und Singapur. Steuerfrei!

  • H
    HamburgerX

    Der Hauptnachteil der Finanztransaktionssteuer ist, dass sie renditeschwache Anlagen relativ viel stärker besteuert als riskante Anlagen. Ich begreife schon deshalb nicht, wie man für diese Steuer sein kann, wenn man angeblich Spekulation bekämpfen will, aber das Zocken im Vergleich zu z.B. Investitionen in Geldmarktfonds belohnt. Höhere Transaktionskosten erhöhen außerdem - empirisch nachgewiesen - außerdem die Volatilität

     

    "Dass etwa Kleinsparer oder Versicherungsnehmer besonders betroffen sind, ist absurd, denn bei langfristigen Anlagen fällt die minimale Steuer überhaupt nicht ins Gewicht."

     

    Bei Riesterfonds drohen im Laufe der Zeit bis zu 10% Verlust durch die Steuer.

     

    "Dass die Steuer nur global funktionieren würde, ist ebenfalls widerlegt."

     

    Wo denn? In London gibt es so viele Ausnahmen doch gerade deshalb, weil sonst die Trades woanders stattfinden. Gegen den Euro wetten kann man auch in Tokio!

     

    Der Staat hat schon genug Steuern eingeführt. Es muss endlich ein Finanz-TÜV her, darum geht es.

  • M
    Marcus

    Wenn der Autor schreibt, mann könne "kurzfristige Spekulation mit Finanzprodukten und Währungen unattraktiver machen" - wie verträgt sich das mit der Hoffnung, aus der Besteuerung hohe Erträge zu erzielen? Wenn doch die Bemessungsgrundlage - das Volumen kurzfristiger, auf Arbitrage ausgerichteter Transaktionen - sich verringert, dürften auch kaum die sprudelnden Steuer(La)fontainen zu beobachten sein.

    Also entweder wirkt die Steuer und hemmt die Spekulation, oder sie spült Einnahmen in die von Politikern verwalteten Kassen, ohne die laufenden Geschäfte großartig zu beeinflussen.

    Tertium non datur.

  • WS
    Wilfried Stuckmann

    Dass nicht nur die verdummende Politik von Rot-Grün, die die Spekulationssteuer ja gerade abgeschafft hatte, nun die Finanztransaktionssteuer als Allheilmittel fordert, sondern nun auch die TAZ behauptet, diese Steuer könne „viele Probleme gleichzeitig lösen“, kann einen schon wütend machen. Eine Finanztransaktionssteuer kann vielleicht einigen Spekulanten die Lust an den alltäglichen Tradinggeschäften mit kleinsten Gewinnmargen verderben, die nur in der Summe lukrativ sind. Gegen die gewaltigen Spekulationen mit faulen Immobilienkrediten, die uns in die globale Finanzkrise gestürzt haben und nun Griechenland und den Euro zum Ziel haben, ist diese Steuer aber so wirksam wie ein Holzzaun aus dem Baumarkt gegen eine Panzerarmee.

    Einer der Hauptakteure der Finanzkrise, der Spekulant John Paulsen, soll ca. 3 Milliarden Dollar Gewinn gemacht haben, weil er darauf gewettet hat, dass die Immobilienkreditblase platzt. 0,05 % von dieser Summe, wie die derzeit höchsten Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer lauten, wären gerade mal 1,5 Millionen Dollar, außerdem nur in den USA zu besteuern, nicht bei uns. Aber selbst dann blieben Herrn Paulsen noch satte 2,985 Milliarden (!) übrig, sicher genug Anreiz, um seine Spekulationen weiter zu treiben. Nicht die Steuer auf die Spekulation ist die Lösung, sondern nur das gesetzliche Verbot dieser Art von Spekulation. Dass Credit-Default-Swaps, also eigentlich sinnvolle Kredit-Ausfall-Versicherungen, als Spekulationsobjekte frei verkäuflich sind auch für die, die gar nichts zu versichern haben, ist die kriminelle Perversion des Florians-Prinzips: Ich bete nicht, dass das Haus des Nachbarn abbrennt, sondern ich wette darauf und hetze die Brandstifter auch noch auf. Am Ende kassiere ich den gigantischen Wettgewinn und suche mir eine neue Wette. Bei Milliardengewinnen macht es auch nichts, ein paar Ratingagenturen zu schmieren, die entsprechende Gutachten veröffentlichen oder ein paar billige Journalisten, die willfährig über großzügige Pensionsregelungen in Griechenland geifern und so ihren preiswerten Beitrag zur Spekulationspropaganda leisten.

    Brüderle hat Recht, auch wenn er es anders meint, die Finanztransaktionssteuer ist eine „Illusionslösung“. Sie bringt dem Staat als Mitprofiteur einen vergleichsweise geringen Zugewinn, aber ändert an den skrupellosen Machenschaften der Spekulanten nichts, aber auch gar nichts.