KOALITIONSVERHANDLUNGEN: ROT-ROT WILL BERLIN TATSÄCHLICH SANIEREN: Rechnen lernen mit der PDS
Aufsehen erregen die Berliner Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und PDS weit über die Hauptstadt hinaus. Und bemerkenswert ist dieses Bündnis ja in der Tat: Elf Jahre nach dem Zusammenbruch der von der Mehrheit ihrer Bürger und Nachbarn immer als unerträglich empfundenen DDR ermöglichen die Wähler der Exstaatspartei, wieder Einfluss und Posten zu übernehmen. Nicht diese totalitäre Vergangenheit der PDS, sondern ihre außenpolitische Haltung war das Haupthindernis für die PDS auf dem Weg in den Senat. Das Nein zum Krieg in Afghanistan stellt für den Bundeskanzler die größere Versündigung an den Grundwerten unserer Demokratie dar als die historische Verantwortung für den Bau der Mauer. Das ist wirklich bemerkenswert.
Genutzt hat die Intervention des Kanzlers bekanntlich nichts. Der für alle Beteiligten peinliche Versuch der SPD, eine so genannte Ampelkoalition mit den widerstrebenden Milieuparteien FDP und Grünen zu bilden, hat auch dem überzeugtesten Antikommunisten klar gemacht: Ohne die PDS kann man in Berlin heute nicht mehr regieren. Interessant ist jetzt nicht mehr, ob, sondern wie die PDS denn tatsächlich regieren wird – gemeinsam mit der SPD, ihrem Wunschpartner auf allen Ebenen. Seit dem Wochenende gibt es erste Hinweise, wo die rot-rote Reise für Berlin hingehen wird.
Eine Bewerbung für die Olympischen Spiele wird es nicht geben. Olympia war für Berlin nie ein realistisches Projekt, noch nicht einmal eine Hoffnung – sondern ein Fetisch. CDU, SPD und FDP wollten mit dem Großereignis Westberliner Minderwertigkeitskomplexe gegenüber westdeutschen Zentren kompensieren. Ebenfalls Reflexen verhaftet, feierte die alternative Szene das Scheitern der ersten Bewerbung wie einen Sieg. Ausgerechnet die PDS beendet jetzt die Neuauflage des alten Olympia-/Anti-Olympia-Wahnsinns mit dem rationalen Argument der Finanzlage.
Auch an anderen Punkten haben sich SPD und PDS geeinigt: Das rot-rote Berlin wird Schönefeld zu einem internationalen Großflughafen ausbauen und die Länderfusion mit Brandenburg anstreben. Hier war es vor allem die PDS, die lang kultivierte Ressentiments gegen diese notwendigen Projekte zu überwinden hatte. Koalitionsverhandlungen mit der Aussicht auf Ämter sind dabei augenscheinlich hilfreich. Die schwerste Prüfung für Rot-Rot steht allerdings noch aus: Wird man zu einer Finanzpolitik der gesicherten Zahlen kommen oder wird man weitermachen mit der alten Berliner Praxis der schöngerechneten Haushalte? Auch hier sind es bisher vor allem die Verhandlungsführer der PDS, die auf harte Zahlen drängen.
ROBIN ALEXANDER
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