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Justizmord in IranOhne rechtsstaatliche Standards und unter Folter

Mojahed Kourkour wurde für den Tod eines Jungen bei den „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten 2022 hingerichtet. Dabei gibt es Beweise für seine Unschuld.

Iranische Zeitungen, welche den Tod von Aktivistin Mahsa Amini, die zuvor im Iran verhaftet wurde, thematisieren Foto: Wana News Agency

Berlin taz | Erneut ist ein Protestierender der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung in Iran hingerichtet worden: Mojahed Kourkour gehörte der ethnischen Minderheit der Lur an und war nach den Protesten, ausgelöst durch den Tod von Jina Mahsa Amini, verhaftet worden. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem Justizmord und werfen der internationalen Gemeinschaft Mittäterschaft durch Schweigen vor.

Kourkour wurde am 20. Dezember 2022 von Angehörigen der Revolutionsgarde festgenommen. Die iranischen Behörden machten ihn für den Tod des zehnjährigen Kian Pirfalak verantwortlich, der bei Protesten in der Stadt Izeh erschossen worden war. Der Fall hatte für weltweite Empörung gesorgt.

Amnesty International liegen Informationen vor, nach denen Mojahed Kourkouri nicht an dieser Protestveranstaltung teilgenommen hat. Auch Recherchen und Augenzeugenberichte belegten früh, dass das Kind durch Schüsse iranischer Sicherheitskräfte getötet wurde und die Familie des getöteten Jungen wies die Vorwürfe gegen Kourkour ebenfalls öffentlich zurück.

Moujahed Kourkouri wurde gefoltert und unter Druck gesetzt, um ein Geständnis zu erzwingen

Trotzdem wurde er in einem Verfahren verurteilt, das laut Menschenrechtsgruppen keinerlei rechtsstaatlichen Standards entsprach. Er wurde gefoltert und unter Druck gesetzt, um ein Geständnis zu erzwingen, welches kurz nach seiner Festnahme über staatliche Medienkanäle ausgestrahlt wurde. Auf einem Video ist er im Bett liegend mit einem blutigen und bandagierten Arm zu sehen, berichtet Amnesty International.

„Mojahed war ein weiteres Opfer eines Regimes, das Angst durch Terror ersetzt hat“, sagt Mariam Claren von der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help, die sich für politische Gefangene in Iran einsetzt, in einer Pressemitteilung. „Seine Hinrichtung ist ein Justizmord. Und die internationale Gemeinschaft trägt eine Mitverantwortung, wenn sie weiter schweigt.“

Mit Kourkour sind inzwischen mindestens elf Personen im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten seit Herbst 2022 hingerichtet worden. Dutzenden weiteren droht derzeit die Exekution. Laut Angaben von Menschenrechtsorganisationen hat die Islamische Republik allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 mehr als 550 Menschen hinrichten lassen.

Innerhalb der Gefängnismauern regt sich jedoch Widerstand. Seit Ende Januar 2024 treten jeden Dienstag politische Gefangene in inzwischen mehr als 30 Haftanstalten in den Hungerstreik – als Protest gegen die Hinrichtungen und die systematische Unterdrückung.

HÁWAR.help fordert angesichts der Eskalation klare Konsequenzen für das Regime in Iran: keine diplomatische Normalisierung ohne verbindliche Menschenrechtsklauseln, politische und wirtschaftliche Sanktionen sowie eine Außenpolitik, die Menschenrechte nicht länger außen vor lässt. „Die Zivilgesellschaft in Iran braucht internationale Solidarität, keine Appeasement-Politik“, so Claren. „Menschenrechte sind nicht verhandelbar – auch nicht in diplomatischen Hinterzimmern.“

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8 Kommentare

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  • Linke sollten hier Solidarität zeigen.

    Das Scheitern der iranischen Revolution und der Sieg der Mullahs ist einer der großen Schandflecken der linken Bewegungen.

    Hätte die internationale Linke die Iraner damals unterstützt, dann wäre das Regime in Iran nicht existent. Jetzt geht es darum die iranische Mehrheitsbevölkerung, welche das Regime übrigens nicht will, dabei zu unterstützen sich zu befreien.

    Damit werden dann auch Houthis, Hamas, Hisbollah fallen, ernähren sich diese doch vom Iran, Drogenhandel und früher von Syrien.

    Natürlich muss auch Katar genannt werden, doch ist dieses Ländle unwichtig, wenn der Iran weg ist.

    • @ToSten23:

      Die iranische Revolution war aber immer ein islami(sti)sches Projekt, nie ein linkes. Tudeh als Vasallen der Sowjetunion und Volksmujaheddin als Volksverräter hätten da nichts hinbekommen, was nicht genau so schlecht wie die "islamische Revolution" geworden wäre.

  • In der Türkei wie auch im Iran gilt: Eine klare Verurteilung durch Politik und Zivilgesellschaft ist notwendig und wichtig. Stärkt Zivilgesellschaft und Exilkräfte. Aber setzt die Themen auch auf die politische Agenda und gibt Ihnen genug Raum! Das ist beides sehr wichtig. Beide Staaten hängen politisch und gesellschaftlich maßgeblich von der Unterstützung des Westens ab. Eine Schwächung dieser Unterstützung schwächt die Regime in beiden Ländern.

  • Mal abwarten, wann Trump sowas in den USA umsetzt. Irgendein Protestierender wird ja wohl einen Militärangehörigen angreifen können - dann folgen die Konsequenzen des Faschismus.

  • Mittäterschaft durch Schweigen. Das ist ziemlicher Unsinn!!

  • Noch ein Grund mehr, den Mullahs nicht auch noch weitere Machtoptionen in der Region zu erhalten. Meine iranischstämmigen Freunde sind jedenfalls überzeugt, dass das Regime nicht reformierter ist, sondern nur durch ausländische Hilfe kollabiert werden kann. Sonst wird es ihrer Meinung nach immer schlimmer werden.

  • Wenn die Familie die Hinrichtung nicht will dann wird im Iran eigentlich nicht hingerichtet. Schon interessant zu sehen wie die Diktatur nicht einmal mehr die eigenen Gesetze befolgt.

    • @Machiavelli:

      Wobei es in einer Diktatur sehr einfach ist, der Familie auszureden, gegen die Hinrichtung zu sein. Vielleicht sind die aber auch Anhänger des Systems. Nicht alle sind immer gegen die Diktatoren. Ich weiß, so ein Argument hat in Deutschland Tradition - aber dem ist nicht so.