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Justiz in RusslandOhne Wasser und Brot

Die ukrainische Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko könnte am Mittwoch zu 23 Jahren Haft verurteilt werden. Dagegen gibt es Proteste.

Solidaritätskundgebung für Nadeschda Sawtschenko am 6. März im Zentrum von Kiew. Foto: reuters

Berlin taz | Jeder neue Tag kann für Nadeschda Sawtschenko ihr letzter sein. Die ukrainische Kampfpilotin, die seit anderthalb Jahren in russischer Untersuchungshaft sitzt, ist am 3. März in einen trockenen Hungerstreik getreten. Bereits seit Ende Dezember weigert sie sich aus Protest gegen die Willkür der russischen Justiz feste Nahrung zu sich zu nehmen.

Das ist nicht die erste Nahrungsverweigerung seit dem Beginn ihres umstrittenen Prozesses am 22. September 2015. Sawtschenko ist wegen vorsätzlichem Mordes an zwei russischen Journalisten im Separatistengebiet Luhansk angeklagt. Die Hubschrauberpilotin kämpfte bei dem freiwilligen ukrainischen Bataillon Aidar gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Kiew wirft Moskau vor, die Pilotin entführt zu haben. Ihr drohen 23 Jahre Haft. Sawtschenkos Anwälte behaupten, belegen zu können, dass sich ihre Mandantin zum Zeitpunkt des Todes der Journalisten bereits in der Gewalt der pro-russischen Kämpfer befand.

Die Entscheidung, in trockenen Hungerstreik zu treten, fällte Sawtschenko am 3. März, nachdem die Gerichtsverhandlung abgebrochen wurde und auf den 9. März verlegt worden war. Der ukrainische Generalkonsul im russischen Rostow-am-Don Anatolij Moskalenko, der am Montag Nadeschda Sawtschenko in ihrer U-Haft besuchen konnte, berichtete dem Radio Swoboda, dass sich der Zustand der Inhaftierten sichtlich verschlechtert habe. „Wir haben versucht sie zu überreden wenigstens Wasser zu sich zu nehmen. Sie lehnt es aber kategorisch ab und ist entschlossen bis zum Äußersten zu gehen“, sagte er.

„Eine Farce von Kreml-Marionetten“

„Ich erkenne weder meine Schuld noch das Urteil noch das russische Gericht an“, heißt es im Schlusswort, dass Nadeschda Sawtschenko nach der abgebrochenen Gerichtsverhandlung via Facebook veröffentlicht hatte. „Es gibt in Russland keine Untersuchung und kein Gericht! Hier gibt es lediglich eine Farce von Kreml-Marionetten, und ich halte es für völlig überflüssig, meine Lebenszeit darauf zu verschwenden, daran teilzunehmen.“

Am vergangenen Wochenende hatten in mehreren ukrainischen, aber auch russischen und europäischen Städten Solidaritätskundgebungen für inhaftierte Kampfpilotin stattgefunden. Hunderte Intellektuelle weltweit, unter ihnen die Nobelpreisträger Swetlana Alexijewitsch (Belarus) und Elfriede Jelinek (Österreich), unterzeichneten einen Aufruf an die europäischen Staats- und Regierungschefs, in welchem sie „entschlossene Schritte zur sofortigen Freilassung von Nadeschda Sawtschenko“ fordern.

„Die russischen Machthaber missachten Bürgerrechte, internationales Recht und ihr eigenes Grundgesetz. Das spricht der internationalen Öffentlichkeit und den Minsker Friedensabkommen Hohn. Die Rettung Nadeschda Sawtschenkos ist ein Test für die Effizienz der internationalen Diplomatie und dafür, ob sie den europäischen Werten treu bleibt“, heißt es in dem offenen Brief.

Am Montag machte der Radio Swoboda Korrespondent Anton Naumljuk die letzte Bottschaft Sawtschenkos aus der U-Haft publik: „Ab jetzt bestimme ich, unter welchen Bedingungen ich dieses Gefängnis verlassen werde. Ich will der ganzen Welt zeigen, dass man Russland klein kriegen kann. Indem man keine Angst hat und standhält. Ob lebendig oder tot, ich habe bereits gewonnen. Mit der Ukraine in meinem Herzen“.

Am 8. März, den internationalen Frauentag, marschierten 500 Demonstranten vom Verteidigungsministerium zur russischen Botschaft in Kiew, um eine Petition zur sofortigen Freilassung der Pilotin an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu überreichen.

Der 9. März, der nächste geplante Gerichtsverhandlungstag, ist zu einem weltweiten Solidaritätstag mit Nadeschda Sawtschenko ausgerufen worden.

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14 Kommentare

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  • Der größte Teil der deutschen Presse hat mittlerweile gemerkt, dass mit der theatralischen Selbstinszenierung einer ukrainischen Faschistin kein Blumentopf zu gewinnen ist. Warum muss dann die TAZ mit der reißerischen Überschrift „Ohne Wasser und Brot“ ihr eigenes Niveau senken?

     

    Dabei wäre die Sache doch so einfach. Statt mit immer neuen Aktionen Theater zu spielen, könnten doch die Anwälte die angeblichen Beweise für die Unschuld ihrer Mandantin vorlegen. Dann hätten die Proteste für eine Freilassung eine Grundlage. Aber natürlich kann die gute Frau auch lieber verhungern…

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Der letzte Satz ist ein bisschen zynisch.

      • @86548 (Profil gelöscht):

        Warum? Niemand zwingt die Frau zu hungern.

  • Was ist sie jetzt?

    Eine verletzliche Frau in den Händen des dunklen Imperiums ?

    Eine Killermaschine ( Kampfpilotin) die die vorraussehbaren Konsequenzen ihres unmenschlichen Tuns erfährt?

    Eine Nazi-Frau?

    Eine Freiheitskämpferin?

    Ein Symbol für die Emanzipation am Weltfrauentag?

    Ich bin ratlos.

    • @kric:

      Zum faschistischen Aidar Batallion, dem Sawtschenko angehörte, gibt es ein siebenseitiges Papier bei Amnesty:

      (http://www.amnesty.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=167)

       

      In Wikipedia unter:

      (https://de.wikipedia.org/wiki/Bataillon_Ajdar)

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        Na und? Ist sie deswegen einfach automatisch Schuldig? Russische Willkur Justiz vom Feinsten.

        • @87233 (Profil gelöscht):

          Ist sie dann automatisch unschuldig?

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Gilt in Russland keine Unschuldsvermutung?

            http://archive.kremlin.ru/eng/articles/ConstEng2.shtml

             

            Artikel 49, Punkt 2:

             

            "The accused shall not be obliged to prove his (her) innocence."

            • @aho90:

              Natürlich gibt es die. Und es ist Aufgabe eines Gerichtes, zu klären, ob jemand schuldig oder unschuldig ist. Für einige hier ist allerdings jeder grundsätzlich unschuldig, der in Russland vor Gericht steht.

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                "Natürlich gibt es die. Und es ist Aufgabe eines Gerichtes, zu klären, ob jemand schuldig oder unschuldig ist."

                 

                Wirklich? Wie kommen Sie dann zu solchen Aussagen (weiter oben):

                 

                "Statt mit immer neuen Aktionen Theater zu spielen, könnten doch die Anwälte die angeblichen Beweise für die Unschuld ihrer Mandantin vorlegen."

                 

                "Für einige hier ist allerdings jeder grundsätzlich unschuldig, der in Russland vor Gericht steht."

                 

                "Einige" ... "hier" ... ein bisschen schwammig, oder? Hätten Sie da auch ein (Direkt-)Zitat mit Quellenangabe?

                • @aho90:

                  Weiter oben.

                   

                  " Ist sie deswegen einfach automatisch Schuldig? Russische Willkur Justiz vom Feinsten."

                   

                  Um nur ein Beispiel zu nennen. Mit hier meine ich einige Kommentatoren in der TAZ. Sobald es um die russische Justiz geht, findet sich sofort jemand, der laut Willkür schreit. Tatsachen sind dann egal. Es gibt dann übrigens auch noch Kollegen, für die Jeder sofort schuldig ist. Auch ohne Berücksichtigung der Tatsachen.

                   

                  Ich versuche, mich an die veröffentlichten Beweise zu halten. Deshalb ist es mir im vorliegenden Fall schleierhaft, warum die Verteidigung zwar über die Presse allerlei Dinge verbreitet, dem Gericht aber Nichts vorlegt. Für mich ist das Schmierentheater.

                  • @warum_denkt_keiner_nach?:

                    "Weiter oben.

                     

                    ' Ist sie deswegen einfach automatisch Schuldig? Russische Willkur Justiz vom Feinsten.'"

                     

                    Generell geht es, so interpretiere ich das, wahrscheinlich weniger um die russische Justiz allgemein. Es ist einfach bezeichnend, wie ständig in allen möglichen Online-Foren ausgebreitet wird, dass Sawtschenko Mitglied in einem Nazi-Battaltion war/ist. Beweise für die eigentliche Tat kommen dabei nie wirklich zur Sprache. Selbst die russische Presse berichtet, nach dem was ich so finde, in Richtung Beweise äußerst "dünn":

                    http://rbth.com/politics_and_society/2016/03/11/nadiya-savchenko-trial-questions-and-answers_574699

                     

                    Was soll das? Auf mich (und einige andere wahrscheinlich auch) wirkt das ständig so, als wäre man nicht wirklich von den Vorwürfen gegen Sawtschenko bzw. der russischen Justiz überzeugt sein, aber versucht das ganze trotzdem irgendwie moralisch zu rechtfertigen, weil es ja die richtige trifft. Sowas zeichnet für mich, paradoxer Weise, kein gutes Bild der russischen Justiz.

                     

                    "Ich versuche, mich an die veröffentlichten Beweise zu halten."

                     

                    Für Links gibt es hier immer dankbare Abnehmer.

                     

                    "Deshalb ist es mir im vorliegenden Fall schleierhaft, warum die Verteidigung zwar über die Presse allerlei Dinge verbreitet, dem Gericht aber Nichts vorlegt. Für mich ist das Schmierentheater."

                     

                    Wirklich? Für mich ergibt es Sinn... Sawtschenko will frei gelassen werden bzw. zurück in die Ukraine. Einen Freispruch vor Gericht erwartet sie nicht, sie hat, so wie sie es darstellt, kein Vertrauen in dieses oder vielleicht weiß sie auch eben, dass sie doch schuldig ist. Also gibt es aus ihrer Sicht nur noch die Möglichkeit, dass ihre Freilassung aufgrund internationalen Drucks oder eines Deals zwischen der Ukraine / dem Westen und Russland stattfindet. Dafür dreht man halt, salopp gesagt, die Werbetrommel.

                    • @aho90:

                      "Für Links gibt es hier immer dankbare Abnehmer."

                       

                      Das ist das Problem. Es gibt nichts wirklich Ergiebiges. Weder von der Anklage, noch von der Verteidigung. Deshalb finde ich es ja so interessant, dass es immer wieder Menschen gibt, die ihr Urteil schon fertig haben.

                       

                      "Wirklich? Für mich ergibt es Sinn... Sawtschenko will frei gelassen werden bzw. zurück in die Ukraine. Einen Freispruch vor Gericht erwartet sie nicht, sie hat, so wie sie es darstellt, kein Vertrauen in dieses oder vielleicht weiß sie auch eben, dass sie doch schuldig ist. "

                       

                      Versuch macht klug. Außerdem würde es ja den internationalen Druck für ihre Freilassung erhöhen, wenn sie trotz vorgelegter Unschuldsbeweise verurteilt wird. Sie könnte die russische Justiz damit klar entlarven.

                       

                      Statt dessen setzt sie auf melodramatische Momente. Diese sind aber schon deshalb nicht so wirksam, weil es ja nicht der erste Hungerstreik ist.

                       

                      PS: Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich jemanden, der sich freiwillig einer faschistischen Einheit anschließt, nicht alles glaube.

                      • @warum_denkt_keiner_nach?:

                        Wer weiß schon, was genau in Frau Sawtschenkos Kopf vorgeht? Am Ende ist es doch einfach nur eine unüberlegte Prinzipsache.

                         

                        "PS: Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich jemanden, der sich freiwillig einer faschistischen Einheit anschließt, nicht alles glaube."

                         

                        Müssen Sie auch gar nicht. Mit dem ersten Abschnitt meinte ich auch gar nicht Sie, falls Sie sich angesprochen fühlten.