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Juso-Chefin warnt vor Koalition mit CDU„Der SPD droht die Verzwergung“

Die Jusos kündigen Widerstand gegen Schwarz-Rot in Berlin an. Gegen Franziska Giffey richte sich die Kampagne nicht, so die Co-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke.

Zu sehen: Taşan-Funke (unten rechts) und eine Palastrevolte im Willy-Brandt-Haus Foto: Fabian Sommer
Timm Kühn
Interview von Timm Kühn

taz: Frau Taşan-Funke, am Samstag haben die Jusos eine große Kampagne angekündigt, um für ein „Nein“ der SPD-Basis zum schwarz-roten Koalitionsvertrag zu werben. Warum ist die CDU ein untragbarer Koalitionspartner?

Sinem Taşan-Funke: Eine CDU-geführte Regierung wäre ein Rückschritt für diese Stadt. Ihr konservatives Menschenbild ist mit unserem Grundverständnis der SPD als linke, progressive Volkspartei nicht vereinbar. Die CDU Berlin kann die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern. In ihrem destruktiv geführten Wahlkampf hat sie Berlin schlechtgemacht, ist mit rassistischen Tönen auf Stimmenfang gegangen und hat Au­to­fah­re­r:in­nen gegen die Mobilitätswende aufgebracht. Wer sich so unversöhnlich gibt, kann keine Interessen zusammenbringen und nicht für Fortschritt stehen.

Was droht Berlin – und der SPD – unter einer schwarz-roten Koalition?

Die Stadt würde in einer Law-and-Order-Politik versinken, die alle kriminalitätsbelasteten Orte – etwa in Neukölln – videoüberwachen lässt. Die CDU sucht die Probleme dieser Stadt bei Minderheiten, wie Kai Wegner im Wahlkampf vorgemacht hat. Der SPD droht die Verzwergung. Vor allem drohen wir den Anschluss an die jüngeren Menschen dieser Stadt zu verlieren. Bei den unter 24-Jährigen haben ja nicht einmal 23 Prozent CDU und SPD gewählt.

Auch Franziska Giffey ist Fan von Law-and-Order-Politik. Unter Rot-Grün-Rot hat sich die SPD-Spitze immer wieder gegen linke Politikansätze gestellt, etwa beim Umgang mit dem Enteignen-Volksentscheid, bei der Verkehrswende oder eben in der Innenpolitik. Ist da eine Koalition mit der CDU nicht eigentlich folgerichtig?

Ich teile die Grundannahme dieser Analyse nicht. Die vergangene Koalition hat Leuchttürme linker Politik durchgesetzt. Sie hat in der Energiekrise beispielhafte Entlastungen für die Bür­ge­r:in­nen verabschiedet und sich im Bundesrat zum Beispiel für eine Übergewinnsteuer eingesetzt. Das waren wichtige Signale, die es unter konservativer Regierungsbeteiligung nie gegeben hätte. Auch die Weiterführung des 9-Euro-Tickets ist ein Meilenstein linker Regierungsarbeit.

Was müsste sich in einer Fortführung von Rot-Grün-Rot denn ändern?

Im Interview: Sinem Taşan-Funke

ist Juristin und seit 2020 Co-Landesvorsitzende der Berliner Jusos. Sie wohnt in Tempelhof-Schöneberg, wo sie auch aufgewachsen ist.

Wir müssen uns wieder auf eine gemeinsame Erzählung verständigen. Das ist zuletzt verloren gegangen. Der Krach, den es in der vorherigen Koalition gegeben hat, hat der Zukunftsfähigkeit von linken Bündnissen nicht gutgetan. Da tragen aber alle drei Parteien eine Mitschuld. Wir glauben deshalb, dass es personell bei allen Parteien so nicht weitergehen kann. Wenn Vertrauen verspielt wurde, müssen Köpfe ausgetauscht werden.

Also richtet sich die Juso-Kampagne auch gegen die amtierende SPD-Parteispitze?

Nein. Unsere Kampagne ist darauf ausgerichtet, das Rückschrittsbündnis Schwarz-Rot zu verhindern. Personaldiskussionen kann man zu einem anderen Zeitpunkt führen.

Wenn das Ziel der Jusos aber Rot-Grün-Rot ist, dann steht vor allem Franziska Giffey im Weg.

Zunächst müssen wir ausloten, was Schwarz-Rot im Weg stehen kann. Und da erlebe ich, dass die Personalfrage an der Basis eine eher untergeordnete Rolle spielt. Es geht um die Frage, ob wir uns hier in Berlin an die CDU ketten, die von den eigenen Reihen eher auf der Linie von Friedrich Merz und Hans-Georg Maaßen und nicht etwa von Angela Merkel beschrieben wird.

Laut Giffey ist ein „Nein“ zu Schwarz-Rot ein „Ja“ zur Opposition, weil die CDU dann mit den Grünen koalieren würde. Angenommen, das stimmt: Ist es immer noch besser, unter Schwarz-Grün in die Opposition zu gehen, als mit der CDU zu koalieren?

Ja. In einer Regierung braucht man immer eine eigene Idee, wo es hingehen soll. Eine Regierungsbeteiligung aus einer Verhinderungslogik heraus lehne ich ab. Wir haben keine Angst vor der Opposition.

Sie und die Jusos wollen Schwarz-Rot „mit allen Mitteln“ verhindern. Wie soll das konkret aussehen?

Wir haben eine Kampagnenseite gelauncht, wo sich Menschen als Un­ter­stüt­ze­r:in eintragen können, um zu zeigen: Nicht nur die jüngeren Mit­glie­der:in­nen lehnen die CDU ab. Dort wird es bald auch Testomonials bekannter SPDler geben. Wir werden außerdem in alle Untergliederungen der SPD gehen, um dort für unsere Sache Werbung zu machen. Wir verstehen das explizit als breit angelegten Diskussionsprozess. Wir wollen auch mit Menschen in Kontakt kommen, die eine Koalition mit der CDU befürworten.

Wie nehmen Sie die Stimmung an der Basis wahr?

Als sehr kritisch. Auf einem Mitgliederforum in Tempelhof-Schöneberg habe ich kürzlich mit vielen langjährigen Ge­nos­s:in­nen gesprochen, die wissen, wie es ist, mit der CDU zu regieren. Niemand war enthusiastisch für Schwarz-Rot. Die SPD-Spitze in Berlin verkalkuliert sich, was die Stimmung an der Basis angeht.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die Eigensicht von Frau Funke scheint mir zu selbstgewiss. Diese Standpunkte vertreten ohne Frage Millionen Menschen. Jedoch sind andere Millionen unsicher, ob z.B. die Energieentlastungen oder ein 9-Euro-Ticket ihnen langfristig wirklich helfen. Ob Energie und Bahn direkt vom Kunden oder indirekt über seine Steuern bezahlt werden, hat komplexe Vor- und Nachteile, die nicht jeder überblickt.

    Nochmal andere Millionen (ich denke auch Migranten) fühlen sich von Standpunkten der Jusos eher angegriffen als vertreten. Frau Funke hat etwa den Rassismus in der CDU erwähnt. Viele (ich denke, auch Migranten) sind unischer, ob sie selber noch alle richtigen Codes zum Thema Rassismus einhalten können.

    Viel mehr als in der Darstellung von Frau Funke scheint es mir um normale Politik zu gehen. "Normal" heißt dabei, dass die CDU die Interessen bestimmter Menschen und Gruppen gegen die Interessen anderer Gruppen vertritt. Genau das machen Frau Funke und die Jusos auch. Um das auszudiskutieren haben wir unser politisches System, zu dem z.B. Wahlen und Koalitionen gehören.

  • Ja wollen denn die Jusos keine Kriminalitätsbekämpfung? Es kann ja sein, dass die CDU die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern wird, die Zeit wird es zeigen. RRG jedenfalls hat es bewiesen, sie kann es nicht.

    • @Stoffel:

      Die Bereitschaft zur Kriminalitä von Teilen der Bevölkerung ist ein Problem. Wenn auch ein geringeres. Ich lebe seit 30 Jahren in einer der friedgertigsten Großstätte der Welt. Die Relation wird hier oft hochgejazzt. Die Probleme sind in den meisten Fällen auf familiäre und soziale Hintergründe und Gesellschaftliche Chancengleichheit sowie Teilhabe und Zukunftsaussichten und der schlechte Zustand der Bildungseinrichtungen grade in den Problemvierteln zurückzuführen. Das in die Richtige Richtung zu führen ist keine Kernkompenz einer CDU, denn soziales Engagement höre ich in keinem Wort. Polizei bedeutet hier eher eine Verschärfung und Polarisierung die das Kiminalitätspotenzial aus meiner Sicht verstärkt.

  • 2RG ganz klar. Die Wahlen haben gezeigt, dass die Menschen das noch wollen. Die CDU hat es geschafft Ängste zu schüren



    Vor der Verkehrswende und vor Gewalt die von zivilen Gruppen aus geht. Das sind mediale Schlachten, wenn kleinere Ausschreitungen von Jugendlichen zur Sylvesternacht, oder linke Gruppierungen als radikal und gewaltbereit dargestellt werden. Oder wenn das Wahldebakel als Unfähigkeit des Senats deklariert wird. Marathon, Volksentscheid usw. haben unerwartete Schwierigkeiten gemacht.

    Es gibt viele Probleme in der Stadt. Und ich würde mir wünschen die kommende Regierung packt da beherzt an. Nur sollte die Richtung eine unterstützende, Verständnis schaffende eine die der Diversität dieser Stadt entgegen kommt und Freude darüber empfindet.



    Das alles kann ich mir nur unter 2RG vorstellen.

    • @llorenzo:

      "Marathon, Volksentscheid usw. haben unerwartete Schwierigkeiten gemacht."

      Erstens steht so ein Marathontermin deutlich länger fest als ein Wahltermin, wer das "unerwartet" fand, hat vorher sehr viel Zeit unter einem Stein verbracht. Zweitens haben die Verantwortlichen mit desaströser Vorbereitung (zu wenige und viele falsche Wahlzettel) erst die Grundlage dafür gelegt, dass der Marathon "im Weg" war. Drittens haben die Verantwortlichen den Zeitbedarf pro Person in der Kabine massiv unterschätzt und daher viel zu wenige Wahlkabinen bereit gestellt, aber auch der Volksentscheid kam nicht wirklich überraschend.



      Immer wieder lustig, die Verantwortung irgendwie wegzuschreiben.

  • Die Jusos sollten mal Berliner Realitäten anerkennen. Was Bitteschön ist den die letzten Jahre unter RGR wirklich gut gelaufen? Ich könnte das jetzt nicht mal an zwei Fingern abzählen.

  • Wenn man sich die letzten Wahlergebnisse ansieht, ist die Verzwergung der SPD doch schon ziemlich weit fortgeschritten, zumindest in Berlin.



    Den Grünen ist die Koalition mit der SPD dagegen nicht schlecht bekommen, sie blieben ja relativ stabil.



    Giffey liegt ja nicht falsch mit ihrer Schlußfolgerung, daß trotz SPD-Führung eher Politik gemacht wurde für das Grünen-Klientel als für sozialdemokratisch orientierte Wähler.



    Deshalb sind diese in Scharen zur CDU übergelaufen, und mit noch mehr grüner Klientel-Politik wird man die nie mehr zurückbekommen. Und genau das haben die Grünen angesichts ihres eigenen Erfolges und der Verluste des Koalitionspartners gefordert.



    Giffey hat endlich die Notbremse gezogen, aber viele SPD- und Juso-Funktionäre standen den Grünen schon immer deutlich näher als ihrer eigenen Wählerschaft, deshalb die parteiinterne Kritik an Giffeys Kurswechsel.

    • @Don Geraldo:

      "Giffey liegt ja nicht falsch mit ihrer Schlußfolgerung, daß trotz SPD-Führung eher Politik gemacht wurde für das Grünen-Klientel als für sozialdemokratisch orientierte Wähler."

      Das mag richtig sein, aber das originäre sozialdemokratische Politik nicht gemacht wurde, liegt ja auch an Giffey, wie z.B. bei der Enteignungsdebatte zu sehen ist.

  • Wenn nicht Schwarz-Rot kommt, dann kommt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Schwarz-Grün.

    Das würde auch zu einer Verzwergung der SPD führen.

    Wer wählt schon eine Partei, die nicht regieren will?

    Von außen betrachtet hätte die SPD in der Opposition die Chance, sich programmatisch zu erneuern.

    Aus SPD-Sicht ist es gefährlich.



    Die CDU kann ein Lied davon singen, wie lange man dort bleiben kann.

    • @rero:

      Die größte Koalition wäre nach wie vor r2g

      • @KnorkeM:

        Nö.

        Die größte Koalition wäre sr2g. (Tut mir leid, ich mag die AfD nicht. Deshalb habe ich sie völlig willkürlich ausgeklammert.)

        Die größte Drei-Parteien-Koalition wäre schwarz-rot-grün.