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Jurist über die Deutsche Umwelthilfe„Die DUH hat Rechtslücken offengelegt und geschlossen“

Ohne den Umweltverband, der nun seinen 50. Geburtstag feiert, sähe das deutsche Rechtssystem heute anders aus, sagt Experte Michael Zschiesche.

Die DUH trägt Umweltfragen immer wieder in die Gerichtssäle: Oberverwaltungsgericht NRW verhandelt über Gewässerschutz Foto: dpa/picture alliance
Nick Reimer
Interview von Nick Reimer

taz: Ob Feinstaub, Mehrwegsystem oder Dieselskandal – bei vielen Verbraucherschutzfragen ist ein Verband in Deutschland besonders auffällig, auch wegen seiner Medienpräsenz: die Deutsche Umwelthilfe DUH. An diesem Donnerstag feiert sie ihren 50. Geburtstag. Was zeichnet sie aus?

Michael Zschiesche: Die DUH hat erkannt, dass es wichtig ist, nicht nur Ziele in der Umweltpolitik zu formulieren, sondern diese auch zu kontrollieren. Dafür beschreitet sie den Klageweg und zieht vor Gericht. Besonders in zwei Bereichen ist die Umwelthilfe damit sehr erfolgreich: Der eine ist die Luftreinhaltung: Immer wieder verklagt sie Kommunen, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Der zweite Bereich ist die Klimapolitik: Die DUH hat mehrere Prozesse gegen die Bundesregierung gewonnen.

taz: Welches war der spektakulärste?

Zschiesche: Sicherlich die Entscheidung 2021 durch das Bundesverfassungsgericht: Weil die Regierung mit ihrer Politik die Rechte kommender Generationen verletzt, musste die damalige Bundesregierung das Klimaschutzgesetz deutlich nachbessern.

Bild: UfU
Im Interview: Michael Zschiesche

ist Jurist, Diplo-Ökonom und Geschäftsführer des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen UfU. Er forscht unter anderem zur Klagetätigkeit von Umweltverbänden.

taz: Hat die Deutsche Umwelthilfe mit ihren Klagen das deutsche Rechtssystem verändert?

Zschiesche: Tatsächlich hat die DUH die Durchsetzung des EU-Rechts gefördert. Sie hat Rechtschutzlücken offengelegt und geschlossen: Dort, wo es keine Klagemöglichkeit gab, nach EU-Recht aber hätte geben müssen, hat die Umwelthilfe eine mögliche Überprüfung vor Gericht erstritten. Ihre Arbeit ist immer fachlich gründlich, auf sehr hohem wissenschaftlichen Niveau.

taz: Es gab immer wieder die Androhung aus der Politik, der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Ist das Beweis für den Erfolg ihrer Arbeit?

Zschiesche: Das waren Fouls von der Seitenlinie! Die Europäische Union hat schon um 2000 konstatiert, dass sich Regierungen und staatliche Einrichtungen von der Zivilgesellschaft überprüfen lassen müssen – auch vor Gericht, weil ansonsten die häufig ambitionierten Umweltziele nicht eingehalten werden. Aber natürlich sind solche Vorstöße auch ein Zeichen, dass die Deutsche Umwelthilfe die Mächtigen ärgert.

taz: Ist die Arbeit vor Gericht ein Alleinstellungsmerkmal der Deutschen Umwelthilfe?

Zschiesche: Nein. Wir sammeln und analysieren Umweltklagen von Umweltverbänden, von der Anzahl her klagen etwa der BUND oder der Naturschutzbund wesentlich häufiger. Die Deutsche Umwelthilfe schaut sich sehr genau an, in welchen Bereichen sie klagt, und oft hat sie auch gute Argumente, die vor Gericht verfangen.

taz: Gibt es einen Trend, nach dem die Klage im Kampf der Umweltverbände immer wichtiger wird?

Zschiesche: Die Daten geben das nicht her, zumal einige Umweltverbände ja gar kein Klagerecht besitzen, der WWF zum Beispiel und auch Greenpeace nicht. Klar ist aber, dass der Weg vor Gericht einen sehr effektiven und öffentlich gut sichtbaren Erfolg bringen kann.

taz: Warum haben der WWF oder Greenpeace kein Klagerecht?

Zschiesche: Der WWF ist eine Stiftung, weshalb ihm das Verbandsklagerecht derzeit nicht offen steht, da nur gemeinnützige Vereine antragsberechtigt sind. Auch Greenpeace ist kein gemeinnütziger Verein. Allerdings hat das Kontrollgremium der Aarhus-Konvention, das Aarhus Compliance Committee, entschieden, dass das in Deutschland im Sinne von WWF und Greenpeace geändert werden muss. Die deutsche Regierung muss das jetzt auch umsetzen.

taz: Zurück zum Geburtstag: Gibt es etwas, das Sie der Deutschen Umwelthilfe wünschen?

Zschiesche: Ich wünsche ihr weitere spektakuläre gerichtliche Erfolge im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes. Und eine vielleicht noch etwas bessere Abstimmung mit der übrigen umweltrelevanten Zivilgesellschaft, denn die Erfolge der DUH sind ohne die Arbeit der übrigen Umweltverbände nicht vorstellbar.

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2 Kommentare

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  • Die Deutsche Umwelthilfe sollte sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren und nicht durch öffentliche Gelder. Ich verstehe nicht wie der Beklagte den Kläger finanziert, gibt es so etwas auch in anderen Ländern?

  • Chapeau, an deutsche Umwelthilfe für Ihr engagiertes arbeiten und alles Gute für die nächsten 50 Jahre!



    So gut das es euch gibt und Ihr euch für die Belange der Umwelt und der Lebewesen einsetzt.