Junge Alternative wählt Gnauck zum Chef: „Höckejugend“ hat neuen Anführer
Mit 91,7 Prozent hat die Junge Alternative Hannes Gnauck zum Chef gewählt. Der Zeitsoldat ist als Extremist eingestuft und darf keine Uniform tragen.
Das Ergebnis war durchaus radikal: Die Junge Alternative wählte Hannes Gnauck zu ihrem Vorsitzenden: einen Zeitsoldaten, der zuletzt keine Uniform mehr tragen oder Kasernen betreten durfte, weil er vom Militärgeheimdienst MAD als Extremist eingestuft wurde – mit der höchsten Warnstufe: rot.
Der 31-jährige Gnauck kommt aus Prenzlau und sitzt für die AfD Brandenburg im Bundestag. Als JA-Chef löste er Carlo Clemens ab, der nicht wieder angetreten ist und für die JA im Bundesvorstand sitzt. Gewählt wurde Gnauck mit überwältigender Mehrheit: mit rund 91,7 Prozent der gültigen Stimmen.
Wer darüber hinaus wissen will, wie Gnauck politisch tickt, kann sich Bilder der großen AfD-Demo in Berlin vor gut einer Woche ansehen: Dort lief der neue JA-Chef an der Spitze des JA-Blocks, der als zweiter hinter den Spitzenfunktionären den aggressiven Ton der Demo angab. Der Block trat geschlossen und besonders militant auf. Unter Führung von Gnauck skandierte der JA-Block rechtsextreme Parolen wie: „Festung Europa“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation!“
Letzteres ist ein Slogan der Identitären Bewegung. Überschneidungen zu den rechtsextremen Identitären finden sich also nicht nur in der Frisur von Gnauck, sondern auch ideologisch. Und auch im Anschluss auf Twitter klang Gnauck nicht weniger radikal: „Ich werde sowohl im Deutschen Bundestag als auch auf der Straße für mein Volk kämpfen! Zieht euch warm an da oben, das war gerade nur der Anfang!“
Extremist im Verteidigungsausschuss
Ähnliche Zeugnisse Gnaucks gab es auch schon zuvor genug: Bereits im Kreistag schwadronierte er von einer „gesellschaftszersetzenden Asylmaschinerie“ und einer „höllischen Symbiose aus Wirtschaftseliten, radikaler Linken und Erfüllungsgehilfen der Migrationslobby“. Im Bundestagswahlkampf 2021 bekräftigte er seine Aussagen im Wortlaut-Interview mit der Märkischen Oderzeitung. Entsprechend kontrovers war die Entscheidung der AfD-Bundestagsfraktion, Gnauck in den Verteidigungsausschuss zu schicken, wo man guten Einblick in sensible Bereiche erhält.
Das JA-Bundestreffen war weniger besucht als im Vorjahr: Mit rund 170 Mitgliedern kamen 100 weniger als 2021. Nach eigenen Angaben hat die JA rund 1.700 Mitglieder, deutlich weniger als die Jugendverbände anderer Parteien im Bundestag. Nach Einschätzung vieler Expert*innen fungiert die JA als Brückenkopf zur „Neuen Rechten“, Grenzen zur Identitären Bewegung sind fließend – es herrschen noch zugespitzter als in der AfD rassistische, antifeministische, revisionistische und nationalistische Diskurse vor. In Sachsen-Anhalt nannte sich die JA in einem später gelöschten Posting gleich „Höckejugend“.
In einigen Bundesländern wird die JA von den Geheimdiensten als „erwiesen extremistisch“ oder wie die Gesamt-AfD als „extremistischer Verdachtsfall“ eingestuft, letzteres auch in Brandenburg. Von dort gab es Glückwünsche vom in Brandenburg ansässigen Rechtsextremisten Andreas Kalbitz, der sich trotz annullierter AfD-Mitgliedschaft freute, dass die ihm nahestehende JA Brandenburg bestens im JA-Vorstand vertreten sei.
Beim „Bundeskongress“ in Apolda nahmen als Gäste auch Rechtsextreme wie der Österreicher Michael Scharfmüller teil. Beim Aufbau half Neonazi Christian K., der zuletzt die Demo von Gera anmeldete, wo Höcke Putin-Verehrung und Umsturzträume vor Tausenden Menschen ausleben durfte. An Infoständen präsentierte sich das rechte Modelabel „Phalanx Europa“ direkt neben dem rechtsextremen Compact-Magazin und der Organisation „Ein Prozent“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart