Jugendlicher über Polizeigewalt: Kein Vertrauen in die Polizei
Ein Hamburger Polizist schlug einem Jugendlichen mit der Faust ins Gesicht. Der 15-Jährige und seine Familie sprechen mit der taz über das Erlebte.
Auch andere Angaben scheinen nicht zu stimmen: Breidenbach ist 15 und nicht, wie bisher überall zu lesen, 16 Jahre alt. Und seinen Schilderungen zufolge haben seine Freund*innen nicht gegen geltende Coronaregeln verstoßen, sondern lediglich laut Musik gehört.
Der 26. Juni in Hamburg, etwa 19 Uhr: Im Stadtpark kommt es in diesen Tagen immer wieder zu Konflikten zwischen Polizeibeamt*innen und Gruppen von Jugendlichen. Auch Philip Breidenbach und seine, wie er angibt, neunköpfige Freund*innengruppe sitzen auf dem abschüssigen Gelände des Parks, unten am Rand des Stadtparksees. Die Polizei spricht von 12 bis 14 Jugendlichen.
Nach kurzer Zeit seien sechs Polizist*innen auf ihre Gruppe zugekommen, erzählt Breidenbach weiter: „Sie haben uns angewiesen, die Musik auszumachen. Dem sind wir nachgekommen. Dann haben sie einen Platzverweis ausgesprochen.“
Anschließend habe er gefragt, warum es den Platzverweis gab. Seine Freund*innen hätten ihn von den Beamt*innen weggeführt, er habe dann einen seiner Freunde beleidigt: „Dann meinte ich, er soll die Fresse halten, er ist eh nur Müll“, erzählt der 15-Jährige. „Eine Polizistin hat das dann angeblich so verstanden, als hätte ich sie beleidigt. Ich erklärte ihr aber, dass ich das nicht zu ihr gesagt habe.“
Polizei eskaliert den Streit
Dann sei Folgendes passiert: Eine Diskussion entbrannte sich an dem Polizeiwagen, der auch im Video zu sehen ist. Es gab gegenseitige Beleidigungen, einen Faustschlag im Stehen, einen, als Breidenbach schon auf dem Boden lag, einen dritten, als ihm über der Motorhaube des Autos Handschellen angelegt werden sollten. Beim Erzählen schlägt Breidenbach mit der Faust dreimal in die Handfläche.
Anwesende Polizist*innen hätten ihrem Kollegen sogar gesagt, er solle es mal langsam angehen lassen. Auf dem Video festgehalten ist der zweite Schlag, von dem Breidenbach berichtet. Der Polizeibeamte kniet über dem Jugendlichen und haut ihm ins Gesicht. In einer längeren Version ist auch der von ihm berichtete dritte Schlag zu erahnen. Im Tumult vor der Motorhaube holt der Polizist mit der geschlossenen Faust aus und stößt sie in Richtung des Jungen. Breidenbach selbst ist zwischen den Beamten nicht zu erkennen.
Die Angaben der Polizei widersprechen seiner Erzählung. Gegenüber dem NDR sagte die Polizei Hamburg, die Gruppe habe sich nicht an die Coronaregeln gehalten. Auf taz-Anfrage möchte sich Polizeisprecher Florian Abbenseth allerdings nicht näher dazu äußern, gegen welche Regeln die Jugendlichen genau verstoßen haben sollen – wegen der laufenden internen Ermittlungen gegen den Polizeibeamten.
Und die Schläge? Einen Faustschlag gab die Polizei zu, nachdem das Video veröffentlicht worden war – und erklärte gegenüber der taz, Breidenbach sei zunächst durch eine „kontrollierte Eingriffstechnik zu Boden gebracht“ worden. Der Schlag auf der Erde sei durch den Widerstand des Jugendlichen gerechtfertigt gewesen.
Der Vorfall im Stadtpark hat Konsequenzen. Noch auf dem Revier, auf das sein Sohn im Anschluss an die Faustschläge und die Auseinandersetzung gebracht wurde, erstattete Philip Breidenbachs Vater Anzeige. Zu dem Zeitpunkt hatte er das Video bereits gesehen, das sich über die Instagram-Profile der Freund*innen ausbreitete, geteilt wurde, einen kleinen Skandal auslöste.
Vater spricht von Polizeigewalt
„Das ist für mich Polizeigewalt“, sagt der Vater, „Da fehlt für mich das Augenmaß. Wir reden hier immer noch davon, dass die Jungs Musik gehört haben. Die haben nicht randaliert, die haben nicht gesoffen oder sonst was. Die haben nur Musik gehört.“ Gegen den Beamten seien interne Ermittlungen eingeleitet worden, sagt Petra Dervishaj, die Anwältin des Betroffenen und der Familie. Der Vorwurf gegen den Polizisten lautet auf Körperverletzung im Amt.
Rechtliche Konsequenzen kommen möglicherweise auch auf Philip Breidenbach zu. Das sei üblich, erklärt Dervishaj. Allerdings gebe es bis jetzt kein Aktenzeichen bei der Polizei wegen Beleidigung oder Widerstands gegen die Staatsgewalt. Die entsprechenden Anträge zur Akteneinsicht seien eingereicht worden.
Der 15-Jährige ist nach dem Vorfall traumatisiert. Er bezeichnet das, was passiert ist, als Polizeigewalt. Er schläft schlecht, traut sich kaum vor die Tür, geht Polizeiautos aus dem Weg. „Ich habe nur noch ein blaues Auge, aber sonst geht es mir nicht gut“, antwortet er auf die Frage nach Verletzungen. „Ich hatte nie was gegen Polizisten und fand es immer gut, dass sie da waren. Das hat sich geändert. Mein Vertrauen in die Polizei ist weg.“
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