Jugendliche und das Smartphone: „Sinnvolles ist eigentlich nie dabei“
Wer heute 15 ist, erinnert sich nicht an eine Welt ohne Smartphone. Vier junge Menschen protokollieren ihren Alltag zwischen Whatsapp und Strahlen.
Anja, 15, geht in die 9. Klasse
6 Uhr 13: Ich stehe auf und checke, ob Freunde geschrieben haben. Ich antworte schnell über WhatsApp oder snappe zurück. Bei Snapchat schicken wir uns Bilder von gestern Abend. Wir fotografieren uns meistens einfach beim Fernsehen.
6 Uhr 57: Es regnet draußen. Ich schreibe in die Freundesgruppe. Vielleicht kann uns jemand von den Eltern mit dem Auto zur Schule fahren.
Während des Unterrichts muss das Handy in der Tasche bleiben. Nur in Französisch dürfen wir manchmal damit Vokabeln nachschauen. In meiner Klasse hat jeder ein Handy, wir tauschen uns oft über den Klassenchat aus.
12 Uhr 50: Ich komme nach Hause. Die 20 Minuten bis zum Essen hänge ich am Handy, schreibe über WhatsApp, snappe und schaue mir YouTube-Videos an. Auf Instagram poste ich ein Bild vom letzten Sommer, da war ich in Dänemark.
13 Uhr 45: Ich lege mich ins Bett und schaue mir die nächsten drei Stunden YouTube-Videos an, vor allem Musikvideos und Dokus. Schreiben Freunde, antworte ich. Manchmal schlafe ich nachmittags auch einfach dabei ein. Ich gehe abends spät ins Bett und bin mittags oft ziemlich müde.
17 Uhr: Hausaufgaben mache ich erst abends, danach schau ich fern. Das Handy liegt in der Nähe, damit ich reagieren kann, falls jemand schreibt. Wir handhaben das in unserer Familie ganz locker. Ich kann so lange am Handy sein, wie ich will, wenn die Schule nicht leidet. Beim Essen muss ich es aber ausmachen.
21 Uhr: Ich schaue mir Bilder auf Instagram an und schreibe mit Freundinnen über Hausaufgaben. Hat jemand etwas vergessen, schicken wir es uns.
22 Uhr: Ich schreibe meinem Freund auf WhatsApp, dass ich schlafen gehe. Dann schaue ich YouTube-Videos und snappe nebenher trotzdem noch mit ihm. Nach Mitternacht bin ich zu müde und lege das Handy auf den Boden. Aus mache ich es nie. So kann ich am nächsten Morgen gleich die neuen Nachrichten lesen.
***
Zoe, 16, macht gerade ein Praktikum
9 Uhr 20: Mein Handywecker klingelt, ich drücke ihn weg.
9 Uhr 30: Der Wecker klingelt wieder, ich döse noch ein wenig.
9 Uhr 54: Ich liege im Bett und checke Nachrichten auf WhatsApp. Ein Kumpel schickt mir andauernd Bilder, von denen er meint, sie seien lustig. Ich antworte eher gezwungen darauf, meist schicke ich einfach ein Smiley.
10 Uhr 40: Ich fahre zu meiner Praktikumsstelle und höre übers Handy Musik. Zwischendrin schaue ich, ob es was Neues auf Instagram und Facebook gibt.
Während der Arbeit liegt das Handy in meinem Blickfeld. Wenn es blinkt, will ich sofort wissen, was los ist. Dadurch wird man schon ganz schön kontrolliert. Ich schaue schnell nach, wer geschrieben hat, oder wische die Nachricht weg. Auch wenn ich die Uhrzeit wissen will, tippe ich das Display an.
14 Uhr: Ich habe eine halbe Stunde Pause, nutze sie für Instagram und Snapchat.
15 Uhr 20: Mir ist langweilig, ich schreibe Freunden über WhatsApp.
18 Uhr: Auf dem Heimfahrt höre ich wieder Musik.
Zu Hause wieder WhatsApp. Da ist viel langweiliger Smalltalk dabei. Ich mache das, um Kontakte aufrechtzuerhalten. Einer Freundin helfe ich bei Beziehungsproblemen, und mit einem Kumpel plane ich, was wir morgen unternehmen.
22 Uhr 50: Ich schaue die nächste Stunde YouTube-Videos, Lets-Player wie PietSmiet oder Comedy-Kanäle wie Zeo oder Thadeuz. Ich habe nur noch wenige Kanäle abonniert, im Gegensatz zu der Zeit, in der ich quasi süchtig war. Ich konnte mich locker sechs Stunden am Tag durch Videos klicken. Inzwischen reduziere ich das auf höchstens eine Stunde am Tag unter der Woche.
0 Uhr: Ich checke ein letztes Mal Instagram, Snapchat, Facebook und WhatsApp. Dann wähle ich den Flugmodus und lege das Handy auf den Nachttisch.
***
Niklas, 14, geht in die 9. Klasse
6 Uhr 20: Mein Smartphone schaltet sich automatisch ein.
6 Uhr 25: Der Handywecker klingelt. Ich habe das Telefon ans andere Ende des Raums gelegt, muss also aufstehen, um es auszuschalten. Das macht wach. Vor dem Frühstück checke ich WhatsApp und tippe Antworten. Auf Instagram schau ich nach neuen Fotos von Freunden, meistens posten sie Selfies. Was Sinnvolles ist eigentlich nie dabei.
7 Uhr 25 Uhr: Ich gehe zur Schule. Handys sind im Unterricht nicht erlaubt, ich lasse es zu Hause. Donnerstags ist es extrem. Da komme ich erst abends zurück und kann den ganzen Tag nicht an das Ding.
14 Uhr 15: Nach dem Mittagessen checke ich wieder WhatsApp und Instagram und ziehe mir die nächste Dreiviertelstunde ein paar Videos auf YouTube rein. Ab und zu recherchiere ich auch für die Schule.
15 Uhr 45: Am Nachmittag habe ich Töpfern, das mache ich schon ewig. Das Handy nehme ich mit.
18 Uhr 35: Die nächste halbe Stunde verbringe ich mit Videos und Handynachrichten. In Schulgruppen tauschen wir uns über Hausaufgaben aus und über den anstehenden Spanienaustausch. Mit Freunden chatte ich über Fußball.
19 Uhr 40: Ich gehe mit Freunden kegeln. Währenddessen schaue ich immer wieder aufs Handy. Hat jemand geschrieben?
22 Uhr: Zurück zu Hause checke ich WhatsApp und Instagram. Eigentlich habe ich mit meinen Eltern abgemacht, abends nicht mehr so lange am Handy zu hängen. Das klappt aber nicht immer.
23 Uhr 15: Ich schaue bis Mitternacht Videos. Bevor ich schlafen gehe, schalte ich das Handy aus. Ich werde nachts nicht gerne von Nachrichten geweckt. Außerdem strahlt es.
***
Martha Rusche, 16, ist taz-Schülerpraktikantin
8 Uhr: Mein Wecker klingelt, ich stehe langsam auf und gehe ins Bad.
8 Uhr 3: Ich google, wie das Wetter wird, um zu entscheiden, was ich anziehe.
8 Uhr 32: Ich lege mich ins Bett, checke WhatsApp. Eine gute Nachricht im Gruppenchat: Das Wetter für eine Party soll gut werden.
8 Uhr 40: Endlich Instagram. Ich durchstöbere alle Seiten und like sehr viel. Manchmal wird auch gestalkt. Bilder, die ich mag, speichere ich.
9 Uhr: Ich mache meine Playlist für den Weg zur taz an.
9 Uhr 24: Mit Zeitung, Kaffee und Handy sitze ich in der Morgenkonferenz. Ein Freund schreibt mir, fragt, wie es mir geht, was ich mache, und so weiter.
11 Uhr 50: Kurzes Instagram-Update.
12 Uhr: Ich gehe mittagessen, das Handy lasse ich dabei in der Tasche.
13 bis 17 Uhr: Ab und zu gucke ich, ob ich neue Nachrichten habe, und schreibe oder snappe dann zurück. Auf dem Heimweg höre ich wieder Musik.
18 Uhr bis 19 Uhr 30: Zu Hause. Wenn ich nichts anderes zu tun habe, schaue ich YouTube-Videos. Momentan gucke ich oft YouTuber wie Krancrafter, Eskay oder Joey’s Jungle. Auf YouTube findet man immer etwas. Leider habe ich kein Netflix mehr, sonst würde ich Filme schauen. Danach dusche ich und höre dabei Musik. Zum Mitsingen natürlich.
21 Uhr: Ich liege im Bett und schreibe Freund/innen. Es geht um Jungs, andere Mädchen, was wir unbedingt mal machen sollten, es aber nie auf die Reihe bekommen. Meistens sind es „News“ darüber, wer was gemacht hat und wie wir das finden. Und was uns sonst noch so einfällt.
22 Uhr 30: Ich schließe mein Handy ans Ladekabel, damit es morgen wieder bereit ist. Dann schlafe ich ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin