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Jugendliche und das Smartphone„Sinnvolles ist eigentlich nie dabei“

Wer heute 15 ist, erinnert sich nicht an eine Welt ohne Smartphone. Vier junge Menschen protokollieren ihren Alltag zwischen Whatsapp und Strahlen.

„Ich schaue bis Mitternacht Videos. Bevor ich schlafen gehe, schalte ich das Handy aus“ Foto: imago/Westend61

Anja, 15, geht in die 9. Klasse

6 Uhr 13: Ich stehe auf und checke, ob Freunde geschrieben haben. Ich antworte schnell über WhatsApp oder snappe zurück. Bei Snapchat schicken wir uns Bilder von gestern Abend. Wir fotografieren uns meistens einfach beim Fernsehen.

6 Uhr 57: Es regnet draußen. Ich schreibe in die Freundesgruppe. Vielleicht kann uns jemand von den Eltern mit dem Auto zur Schule fahren.

Während des Unterrichts muss das Handy in der Tasche bleiben. Nur in Französisch dürfen wir manchmal damit Vokabeln nachschauen. In meiner Klasse hat jeder ein Handy, wir tauschen uns oft über den Klassenchat aus.

12 Uhr 50: Ich komme nach Hause. Die 20 Minuten bis zum Essen hänge ich am Handy, schreibe über WhatsApp, snappe und schaue mir YouTube-Videos an. Auf Instagram poste ich ein Bild vom letzten Sommer, da war ich in Dänemark.

13 Uhr 45: Ich lege mich ins Bett und schaue mir die nächsten drei Stunden YouTube-Videos an, vor allem Musikvideos und Dokus. Schreiben Freunde, antworte ich. Manchmal schlafe ich nachmittags auch einfach dabei ein. Ich gehe abends spät ins Bett und bin mittags oft ziemlich müde.

17 Uhr: Hausaufgaben mache ich erst abends, danach schau ich fern. Das Handy liegt in der Nähe, damit ich reagieren kann, falls jemand schreibt. Wir handhaben das in unserer Familie ganz locker. Ich kann so lange am Handy sein, wie ich will, wenn die Schule nicht leidet. Beim Essen muss ich es aber ausmachen.

21 Uhr: Ich schaue mir Bilder auf Instagram an und schreibe mit Freundinnen über Hausaufgaben. Hat jemand etwas vergessen, schicken wir es uns.

22 Uhr: Ich schreibe meinem Freund auf WhatsApp, dass ich schlafen gehe. Dann schaue ich YouTube-Videos und snappe nebenher trotzdem noch mit ihm. Nach Mitternacht bin ich zu müde und lege das Handy auf den Boden. Aus mache ich es nie. So kann ich am nächsten Morgen gleich die neuen Nachrichten lesen.

***

Zoe, 16, macht gerade ein Praktikum

9 Uhr 20: Mein Handywecker klingelt, ich drücke ihn weg.

9 Uhr 30: Der Wecker klingelt wieder, ich döse noch ein wenig.

9 Uhr 54: Ich liege im Bett und checke Nachrichten auf WhatsApp. Ein Kumpel schickt mir andauernd Bilder, von denen er meint, sie seien lustig. Ich antworte eher gezwungen darauf, meist schicke ich einfach ein Smiley.

10 Uhr 40: Ich fahre zu meiner Praktikumsstelle und höre übers Handy Musik. Zwischendrin schaue ich, ob es was Neues auf Instagram und Facebook gibt.

Während der Arbeit liegt das Handy in meinem Blickfeld. Wenn es blinkt, will ich sofort wissen, was los ist. Dadurch wird man schon ganz schön kontrolliert. Ich schaue schnell nach, wer geschrieben hat, oder wische die Nachricht weg. Auch wenn ich die Uhrzeit wissen will, tippe ich das Display an.

14 Uhr: Ich habe eine halbe Stunde Pause, nutze sie für Instagram und Snapchat.

15 Uhr 20: Mir ist langweilig, ich schreibe Freunden über WhatsApp.

18 Uhr: Auf dem Heimfahrt höre ich wieder Musik.

Zu Hause wieder WhatsApp. Da ist viel langweiliger Smalltalk dabei. Ich mache das, um Kontakte aufrechtzuerhalten. Einer Freundin helfe ich bei Beziehungsproblemen, und mit einem Kumpel plane ich, was wir morgen unternehmen.

22 Uhr 50: Ich schaue die nächste Stunde YouTube-Videos, Lets-Player wie PietSmiet oder Comedy-Kanäle wie Zeo oder Thadeuz. Ich habe nur noch wenige Kanäle abonniert, im Gegensatz zu der Zeit, in der ich quasi süchtig war. Ich konnte mich locker sechs Stunden am Tag durch Videos klicken. Inzwischen reduziere ich das auf höchstens eine Stunde am Tag unter der Woche.

0 Uhr: Ich checke ein letztes Mal Instagram, Snapchat, Facebook und WhatsApp. Dann wähle ich den Flugmodus und lege das Handy auf den Nachttisch.

***

Niklas, 14, geht in die 9. Klasse

6 Uhr 20: Mein Smartphone schaltet sich automatisch ein.

6 Uhr 25: Der Handywecker klingelt. Ich habe das Telefon ans andere Ende des Raums gelegt, muss also aufstehen, um es auszuschalten. Das macht wach. Vor dem Frühstück checke ich WhatsApp und tippe Antworten. Auf Instagram schau ich nach neuen Fotos von Freunden, meistens posten sie Selfies. Was Sinnvolles ist eigentlich nie dabei.

7 Uhr 25 Uhr: Ich gehe zur Schule. Handys sind im Unterricht nicht erlaubt, ich lasse es zu Hause. Donnerstags ist es extrem. Da komme ich erst abends zurück und kann den ganzen Tag nicht an das Ding.

14 Uhr 15: Nach dem Mittagessen checke ich wieder WhatsApp und Instagram und ziehe mir die nächste Dreiviertelstunde ein paar Videos auf YouTube rein. Ab und zu recherchiere ich auch für die Schule.

15 Uhr 45: Am Nachmittag habe ich Töpfern, das mache ich schon ewig. Das Handy nehme ich mit.

18 Uhr 35: Die nächste halbe Stunde verbringe ich mit Videos und Handynachrichten. In Schulgruppen tauschen wir uns über Hausaufgaben aus und über den anstehenden Spanienaustausch. Mit Freunden chatte ich über Fußball.

19 Uhr 40: Ich gehe mit Freunden kegeln. Währenddessen schaue ich immer wieder aufs Handy. Hat jemand geschrieben?

22 Uhr: Zurück zu Hause checke ich WhatsApp und Instagram. Eigentlich habe ich mit meinen Eltern abgemacht, abends nicht mehr so lange am Handy zu hängen. Das klappt aber nicht immer.

23 Uhr 15: Ich schaue bis Mitternacht Videos. Bevor ich schlafen gehe, schalte ich das Handy aus. Ich werde nachts nicht gerne von Nachrichten geweckt. Außerdem strahlt es.

***

Martha Rusche, 16, ist taz-Schülerpraktikantin

8 Uhr: Mein Wecker klingelt, ich stehe langsam auf und gehe ins Bad.

8 Uhr 3: Ich google, wie das Wetter wird, um zu entscheiden, was ich anziehe.

8 Uhr 32: Ich lege mich ins Bett, checke WhatsApp. Eine gute Nachricht im Gruppenchat: Das Wetter für eine Party soll gut werden.

8 Uhr 40: Endlich Instagram. Ich durchstöbere alle Seiten und like sehr viel. Manchmal wird auch gestalkt. Bilder, die ich mag, speichere ich.

9 Uhr: Ich mache meine Playlist für den Weg zur taz an.

9 Uhr 24: Mit Zeitung, Kaffee und Handy sitze ich in der Morgenkonferenz. Ein Freund schreibt mir, fragt, wie es mir geht, was ich mache, und so weiter.

11 Uhr 50: Kurzes Instagram-Update.

12 Uhr: Ich gehe mittagessen, das Handy lasse ich dabei in der Tasche.

13 bis 17 Uhr: Ab und zu gucke ich, ob ich neue Nachrichten habe, und schreibe oder snappe dann zurück. Auf dem Heimweg höre ich wieder Musik.

18 Uhr bis 19 Uhr 30: Zu Hause. Wenn ich nichts anderes zu tun habe, schaue ich YouTube-Videos. Momentan gucke ich oft YouTuber wie Krancrafter, Eskay oder Joey’s Jungle. Auf YouTube findet man immer etwas. Leider habe ich kein Netflix mehr, sonst würde ich Filme schauen. Danach dusche ich und höre dabei Musik. Zum Mitsingen natürlich.

21 Uhr: Ich liege im Bett und schreibe Freund/innen. Es geht um Jungs, andere Mädchen, was wir unbedingt mal machen sollten, es aber nie auf die Reihe bekommen. Meistens sind es „News“ darüber, wer was gemacht hat und wie wir das finden. Und was uns sonst noch so einfällt.

22 Uhr 30: Ich schließe mein Handy ans Ladekabel, damit es morgen wieder bereit ist. Dann schlafe ich ein.

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10 Kommentare

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  • Ich benutze zwar weder WhatsApp noch SnapChat etc., aber das Smartphone habe ich irgendwie trotzdem ständig in der Hand, vom Wecker am Morgen bis zum letzten taz-Artikel oder Katzenfilm vor dem Einschlafen. Auf der Arbeit kommen immer mehr Anrufe und SMS per Handy rein, weil irgendwie keiner mehr in der Nähe eines Festnetztelefons ist, Emails sowieso.

     

    Ich bin froh, dass ich nicht mehr unter dem sozialen Gruppendruck eines Jugendlichen stehe. Ich kann mir gut vorstellen, dass man da ganz schnell sehr allein ist (oder Schlimmeres), wenn man sich da ganz raushält. Aber eine zeitweise Abstinenz (wie im Artikel in der Schule) ist da garantiert sehr klug, denn sonst ist das wie mit dem Rauchen: Wer damit früh anfängt, hat kaum eine Chance, wieder rauszukommen.

  • Und "dafür" hat der Edward Snowden sich das Leben versaut.

     

    Hätt er mal nix gesagt. Die Facebook-Spaß-Gesellschaft hat wichtigeres zu tun, als sich um ihre Daten zu kümmern.

  • Moderne Gehirnwäsche im Kapital- und Menschenverwertungsinteresse!

     

    „Ich schaue bis Mitternacht Videos. Bevor ich schlafen gehe, schalte ich das Handy" nicht aus und höre mich durch die Nacht, bis zum Zähneputzen und Frühstück, mit Musik-Beschallung ohne Ende, wäre wohl auch eine richtige Antwort, oder? (!)

     

    Ob im Berufsverkehr, in den öffentlichen Verkehrsmitteln [u-, S-, Fern-, Bus, Straßenbahn], beim blinden überqueren der Straßen, vor der Fleischtheke im Supermarkt, überall finden wir junge Menschen, die sich mit ihrer kostbaren Zeit ausschließlich mit den Smartphone beschäftigen. Nicht selten werden andere Vorgänge, auch beim blinden überqueren der Straßen und im Straßenverkehr, nicht mehr wahrgenommen. Aber auch in den Straßenkurven, mit dem PKW, ist häufig gut sichtbar eine Hand am Ohr und der Seitenverkehr wird auch kaum noch wahrgenommen. Vor einiger Zeit zog ein kleines Kind seine Mutti über die Straße. Sie war fixiert auf ihr Smartphone und hatte keinen erkennbaren Blick für den Straßenverkehr. Daraufhin angesprochen, reagierte sie mit wilden Beschimpfungen und setzte danach ihren Blindflug fort. Das Kleinkind behielt wohl den Überblick. Es ist schon eine Seltenheit, dass überhaupt noch persönliche Gespräche, ohne Handy/Smathpone, sowohl im Berufsverkehr und überhaupt noch in der Öffentlichkeit geführt werden. Aber auch nur die wenigsten Abhängigen und bereits auch davon Süchtigen [plus der Vielzahl uns bekannter Drogen], lesen noch ein Buch oder eine Zeitung aus Papier, - in der Öffentlichkeit, aber auch wohl zu Hause nicht mehr. So aber auch nicht über die Internet-Kommunikation. Allenfalls konzentriert sich das Interesse auf Musik und Sport, sowie andere oberflächliche Informationen zur Ablenkung von Alltag und von der (vorgeblichen) Gesellschaftspolitik. Das Kapital hat auch auf diesem Wirtschaftszweig große Teile der Bevölkerung, insbesondere die Jugend, unter nahezu absoluter Bewusstseinskontrolle.

     

    [- unvollständig.]

  • Klingt vielleicht nach alter Sack, aber ich denke, es ist höchste Zeit, dass unsere Form der Zivilisation untergeht. Taugt weder für Menschen, noch für den Planeten....

    • @hessebub:

      Hat man gesagt, als Bücher massentauglich wurden und die Leute nur noch Romane gelesen haben, hat man beim Radio gesagt, beim Kino, beim Fernsehen, dann bei den Spielekonsolen, dem Internet und jetzt eben dem Smartphone. Und jedes Mal ging es weiter.

      Urteilen kann man immer erst mit einigem Abstand. Wie wäre es, einfach bis dahin zu warten?

      Ich bin nicht mit Smartphone aufgewachsen, wohnte in einem kleinen Dorf. Die nächste Stadt nur mit dem Auto zu erreichen. Dort ging ich auf's Gymnasium, in meinem Dorf war ich das einzige Kind in meinem Alter. SMS und Internet waren meine Mittel, um die sozialen Kontakte mit Freunden aus der Schule aufrecht zu erhalten.

      Ohne die wäre ich der Außenseiter schlechthin gewesen.

      Pauschal den Gebrauch zu verurteilen und die Nutzer zu Zombies abzustempeln, ist kurzsichtig und ignorant.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @hessebub:

      "es ist höchste Zeit, dass unsere Form der Zivilisation untergeht"

       

      Alles zu seiner rechten Zeit.

      Wir haben die Epoche der Eloi und Morlocks noch nicht durchlaufen

      (oder doch?)

  • Liest sich zusammengefasst wie: Dauerberieselung und Aufmerksamkeitsdefizit...

     

    Ist ja inzwischen nicht nur bei Jugendlichen so. Locker 2/3 der Menschen, die ich täglich in der Bahn sehe glotzen permanent auf ihr Smartphone oder sind am telefonieren. Ich wage zu behaupten, dass Informationsbeschaffung dabei eher im Hintergrund steht.

     

    Da hat man mobil Zugriff auf die größte Bibliothek der Welt.....doch man fotografiert sich lieber beim Fernsehen und hofft dafür nen Like zu bekommen.

    • @Jan Berger:

      "Alles, was es schon gibt, wenn du auf die Welt kommst, ist normal und üblich und gehört zum selbstverständlichen Funktionieren der Welt dazu.

      Alles, was zwischen deinem 15. und 35. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär und kann dir vielleicht zu einer beruflichen Laufbahn verhelfen.

      Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge."

       

      (Douglas Adams)

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Jan Berger:

      ...es geht deshalb nicht mehr um "Informationsbeschaffung", weil ich bei Bedarf jederzeit die "größte Bibliothek der Welt" aus meiner Hosentasche hervorholen kann.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        "kann", aber man muss auch können und wollen!

         

        Die wenigsten Menschen, so meine jahrelange Beobachtung und persönliche Erfahrung mit allen Altergruppen, besitzen hierfür die psychischen Fähigkeiten. Die absolut übergroße Mehrheit besitzt nicht den Bedarf: jederzeit die "größte Bibliothek der Welt" aus ihrer Hosentasche hervorzuholen! Die Oberfläche regiert den Medien- und Internetkonsum und die entsprechende persönliche Handlungsweise, auch im Umgang mit den modernsten elektronischen Medien! Die psycho-sozialen Folgen kann Frau/Mann schon heute in Familien, Betrieben, Freizeitverhalten, Wohngebiet und Nachbarschaft ausgiebig beobachten, hören und sehen.