Jugendliche und Gewalt: Starker Zulauf zu rechten Gruppen
Fünf Prozent der 15-jährigen Jungen sollen Mitglied in einer rechtsextremen Gruppe sein, so eine neue Studie. Jeder 7.Jugendliche gelte als "sehr ausländerfeindlich".
Knapp 5 Prozent der männlichen Neuntklässler sind nach eigenen Angaben Mitglied einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft. Bei den Mädchen sind es 2,6 Prozent. Das ist eines der Ergebnisse einer neuen Studie, die am Dienstag der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, vorgestellt hat.
Glaubt man den Zahlen, wäre demnach fast jeder 20. Fünfzehnjährige Mitglied einer rechtsextremen Gruppe. Bundesweit wären das insgesamt über 20.000 Jungen. Sollte dies wirklich stimmen, müsste der Verfassungsschutz seine Angaben korrigieren. Denn dieser geht bislang insgesamt von etwa 31.000 Mitgliedern in rechtsextremen Parteien und subkulturellen Gruppen aus.
Auffallend seien die starken regionalen Unterschiede, sagte Pfeiffer. Besonders betroffen sei der Osten, aber auch der Süden Deutschlands. In Norddeutschland dagegen sei der Anteil der Jugendlichen, die in rechten Gruppen organisiert sein, unterdurchschnittlich. Allerdings gebe es auch im Osten und im Süden Regionen, in denen solche Jugendlichen so gut wie nicht zu finden seien. Jugendliche, deren Eltern von Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe leben, die elterliche Gewalt erlebt haben, gewalttätige Computerspiele nutzen, mehrmals die Woche Alkohol trinken und die Hauptschule besuchen, sind laut Studie häufiger Mitglied in rechten Gruppierungen als andere Jugendliche.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nannte die neuen Befunde zum Rechtsextremismus erschreckend. Als Gegenmaßnahme gelte es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, sagte der CDU-Politiker. Es sei nicht akzeptabel, dass in manchen Gegenden Deutschlands die Rechtsextremisten die besten Freizeitangebote machten.
Insgesamt hat das KFN in den vergangenen zwei Jahren im Auftrag des Bundesinnenministeriums 44.610 Neuntklässler aus 61 repräsentativ ausgewählten Landkreisen und kreisfreien Städten zum Thema Jugendgewalt befragt. Die Jugendlichen waren im Schnitt 15 Jahre alt.
40 Prozent von ihnen müssen laut Studie als ausländerfeindlich eingestuft werden, 14 Prozent davon gar als sehr ausländerfeindlich.
Eine gute Nachricht aber hatte Pfeiffer auch zu verkünden: Einen drastischen Anstieg der Jugendgewalt, wie teilweise in den Medien berichtet, gebe es nicht, sagte der Kriminologe. Das Ausmaß der Gewalt bleibe in den meisten Regionen gleich oder nehme sogar ab. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen hätten im Jahr vor der Befragung keine Gewalt erfahren. 17 Prozent wurden mindestens einmal Opfer einer Gewalttat, am häufigsten durch einfache Körperverletzung. 2,9 Prozent aller Jugendlichen verübten schwere Körperverletzungen. Neu dabei sei, dass jeder fünfte Täter seine Tat auch fotografiere oder filme, sagte Pfeiffer.
Für den Rückgang der Jugendgewalt führte Pfeiffer ein ganzes Ursachenbündel an: Seit 1998 habe die Akzeptanz von Gewalt zur Durchsetzung von Interessen deutlich abgenommen. Zugleich gaben die Jugendlichen weit häufiger als noch vor zehn Jahren an, dass ihr soziales Umfeld gewalttätiges Verhalten missbillige. Auch das Ausmaß von in den Familien erlebter Gewalt ging im Vergleich zu früheren Befragungen zurück, sagte Pfeiffer. Dies wirke sich auf die Zahl der von Jugendlichen begangenen Gewalttaten aus.
Was die Schulen angehe, gebe es die klare Botschaft: "Die Gewalt geht zurück." Zugleich wiesen die Ergebnisse der Studie aber darauf hin, dass Mobbing an Schulen "ein ernstzunehmendes Problem darstellt".
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