Jugend protestiert in Mongolei: Gegen Korruption mit Kohle
In der Hauptstadt Ulan Bator protestieren junge Menschen gegen massiven Kohleschmuggel nach China. Das setzt Regierung und Parlament unter Druck.
In dem massiven Gebäude sind die Büros des Staatspräsidenten, des Regierungschefs und das Parlament untergebracht. Bis zu 13 Polizisten wurden verletzt, als die Demonstranten überraschend Absperrgitter niederrissen, wie Aufnahmen vom Platz in den sozialen Medien zeigten.
Am Montagabend war das Parlament zu einer Online-Sitzung zusammengekommen und hatte sogar über die Verhängung des Ausnahmezustands mit dem Nationalen Sicherheitsrat diskutiert, der aus Präsident, Parlamentssprecher und Premierminister besteht. Doch am Ende wurde entschieden, den Ausnahmezustand vorerst nicht zu verhängen. Da hatte sich der Protest auf dem zentralen Platz zunächst weitgehend aufgelöst.
Doch gehen die Proteste weiter. Premierminister Luvsannamsrain Oyun-Erdene von der dominierenden Mongolischen Volkspartei (MVP) sprach am Mittwoch eine Stunde direkt mit den Demonstran:innen auf dem Platz. Seine Aufforderung, der Regierung zu vertrauen, die massive Korruption beim Export von Kohle nach China aufzuklären und Verantwortliche zu belangen, konnte aber die Gemüter nicht beruhigen. Und am Donnerstag demonstrierten mehr Menschen als an den Tagen zuvor, am Wochenende könnten es noch mehr werden.
Massiver Widerspruch in der Statistik des Kohlehandels
Vor zwei Monaten war bekannt geworden, dass die südlich der Mongolei gelegene Volksrepublik China nach ihrer Handelsstatistik viel mehr Kohle von dort importiert als die offiziellen mongolischen Ausfuhrzahlen angeben. Entsprechende Gerüchte über massiven mongolischen Kohleschmuggel kursierten schon seit Jahren.
Bis zu 385.000 Tonnen Kohle sollen am mongolischen Fiskus vorbei exportiert worden sein, hauptsächlich vom Bergbauunternehmen Erdenes Tavan Tolgoi. Da solche Mengen aus dem staatlichen Berbau nur mit großem logistischen Aufwand exportiert werden können, wird dahinter ein millionenschweres Korruptionsnetzwerk aus Bergbaumanagern, Transportunternehmern und Zöllnern mit guten Verbindungen in die Politik vermutet.
Über Tage kursierten Informationen, dass die Regierung die Namen von 20 bis 30 beschuldigten Personen nennen wollte, berichtet Benedikt Ivanovs der taz. Er leitet das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Ulan Bator und beobachtet die lokale Politik. Doch als die Regierung dann aber doch keine Namen nannte, habe dies die Proteste ausgelöst, so Ivanovs. Die Demonstranten fordern Namen, Aufklärung und die Auflösung des Parlaments.
Hintergrund der Proteste seien die angespannte wirtschaftliche Lage und die geringen beruflichen Perspektiven junger Menschen bei gleichzeitiger Empörung über die Selbstbedienung von Politikern. Erst habe die Mongolei stark unter der Corona-Pandemie gelitten, dann trafen die Auswirkungen von Moskaus Krieg gegen die Ukraine das zwischen Russland und China gelegene Land schwer. Mittlerweile beträgt die Inflation mehr als 15 Prozent.
Jugend sucht Perspektiven und Gerechtigkeit
„Die jungen Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie und seine Institutionen“, fürchtet Ivanovs. „Sie erleben, dass der natürliche Reichtum des Landes ungleich verteilt ist.“ Dass es jetzt sogar im Winter zu Protesten komme, sei sehr ungewöhnlich, normalerweise werde vor allem im Frühsommer protestiert. So habe sich schon im April bei Demonstrationen die Unzufriedenheit gezeigt. Organisierte Kräfte seien hinter den Protesten jetzt jedoch noch nicht zu erkennen.
Die extrem dünn besiedelte Mongolei mit nur 3,2 Millionen Einwohnern, von denen die Hälfte in der Hauptstadt leben, ist zwischen Russland und China eingeklemmt. Wurde das sozialistisch regierte Land bis zum Ende der Sowjetunion politisch von Moskau bevormundet, gehen heute 86 Prozent seiner Exporte nach China, die Hälfte davon Kohle. Drei neue Eisenbahnlinien sollen den Handel mit China weiter forcieren. Zugleich bleibt die Mongolei von russischen Energielieferungen abhängig.
Das Land habe sich seit Anfang der 1990er Jahre recht erfolgreich demokratisiert, bilanziert Ivanovs. Doch der Rohstoffreichtum, der die wirtschaftliche Transformation des einstigen Agrarstaates erst möglich mache, berge von Klimagefahren bis Korruption seine ganz eigenen Probleme.
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