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Jüdische Geschichte im HarzZeitreise per Appstore

In Seesen stand die früheste reformjüdische Synagoge. Eine App will diese besondere Geschichte der „nächsten Generation“ vermitteln.

„Operation Legendär“: Vier Freunde erforschen Schul-. und Synagogengeschichte Foto: IJN

Hamburg taz | Drückst du auf „Start“, baut sich auf deinem Bildschirm ein Schulhof in 3 D auf. Du kannst durch das Schulgebäude gehen, eine Stimme ist zu hören. Es ist Elisabeth: Sie erklärt dir die ersten Sachen und stellt dir ihre Freunde vor.

Einer dieser Freunde ist Moses, ein leidenschaftlicher Leser. In der Bibliothek findet er eine Beleidigung in eines der Bücher gekritzelt. Das macht die Vier neugierig, sie beginnen zu forschen, und finden immer mehr auch über die Vergangenheit ihrer Schule heraus – des heutigen Jacobson-Gymnasiums in Seesen am Harz. Elisabeth ist angelehnt an die erst Schülerin dort.

Seit Montag ist die App „Operation Legendär“ verfügbar. Mit ihr will das Israel Jacobson Netzwerk (IJN) die Geschichte der ­Jacobson-Schule vermitteln: eine jüdische Schule, gegründet im Jahr 1801, die ab 1805 auch christliche Kinder aufnahm. Direkt nebenan entstand 1810 eine Synagoge – die erste des Reformjudentums überhaupt –, die dann am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde.

Die Schule bestand weiter, seit 1973 residiert das ­Jacobson-Gymnasium in einem Neubau. Die App nun nimmt uns mit in die alte, so nicht mehr existierende Schule. Mit den vier Charakteren finden die User immer mehr über die besondere Geschichte des Ortes heraus.

Von einem „neuen Format moderner Wissensvermittlung“ sprach bei der Vorstellung am Dienstag in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin Jörg Munzel vom IJN: „Wir möchten eine neue Perspektive auf die deutsch-jüdische Geschichte öffnen und die nächste Generation mitnehmen.“ Ob wirklich alle Angehörigen dieser „nächsten Generation“ mit einer App erreicht werden? Lesen Jugendliche wirklich keine Bücher mehr und besuchen keine Ausstellungen?

Lesen Jugendliche wirklich keine Bücher mehr und besuchen keine Ausstellungen?

Ebenfalls dabei war am Dienstag Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte des Bundes. Das App-Projekt, gefördert auch vom Bundesinnenministerium, ist Teil des derzeitigen Jubiläums „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Ein wenig verräterisch: Der Staatssekretär des niedersächsischen Wirtschafts- und Digitalisierungsministeriums, Berend Lindner, betonte die Wichtigkeit der „Digitaliserung von touristischen Produkten“ – für die die App eine Art Ausprobieren zu sein scheint. So soll es bald auch eine englischsprachige Version geben.

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