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Jüdisch-palästinensischer Protest„Wir müssen uns entscheiden“

In Israel wächst der Unmut über das Vorgehen der Armee in Gaza, sagt der Aktivist Alon-Lee Green. Einen Ausweg aus dem Krieg hält er für möglich.

Tel Aviv, 24. Mai: Israelische Demonstrierende halten Fotos von in Gaza getöteten Kindern Foto: Maya Alleruzzo/AP
Bernd Pickert
Interview von Bernd Pickert

taz: Alon-Lee Green, wie geht es Ihnen?

Alon-Lee Green: Das ist heutzutage eine komplizierte Frage. Beschäftigt. Beunruhigt. Sonnenverbrannt. Wir sind jeden Tag in der Sonne, bei Protesten oder bei der Organisation vor Ort. Aber ich habe auch das Gefühl, dass wir stärker sind, als wir es bisher waren.

taz: Als Sie im Dezember 2023 in Berlin zu Gast waren, haben Sie uns auch gesagt, dass Ihre Bewegung stärker wird. Seitdem sind 18 Monate vergangen, der Krieg dauert an, und der Gazastreifen ist fast vollständig zerstört. Werden Sie nicht gehört in der israelischen Gesellschaft?

Green: Nach dem 7. Oktober haben wir monatelang darum gekämpft, überhaupt einen Raum zu haben, in dem wir unsere Ablehnung der Angriffe auf Gaza zum Ausdruck bringen können, in dem wir ein Abkommen und einen Waffenstillstand fordern können. Es war schon eine große Herausforderung, überhaupt als Israelis und Palästinenser zusammen zu sein. Und natürlich begannen wir von Anfang an zu wachsen, weil es eine große Lücke gab, die wir fast allein füllten. Anderthalb Jahre später können wir die Früchte unserer Arbeit in der Gesellschaft sehen. Es ist uns nicht gelungen, das Töten und die Zerstörung zu stoppen. Aber wir haben es geschafft, unserer Gesellschaft die Frage aufzuzwingen, was für eine Art von Gesellschaft wir sein wollen. Es gibt jetzt eine wirklich heftige Diskussion über das Töten von Kindern in Gaza, über das Aushungern von zwei Millionen Menschen. Auch darüber, ob es in diesem Krieg um unsere Sicherheit geht oder um Vernichtung.

Bild: Standing together
Im Interview: Alon-Lee Green

Geboren 1987 in Tel Aviv, hat 2015 Standing Together mitgegründet. Die Organisation leitet er zusammen mit der Palästinenserin Rula Daood.

taz: Von außen betrachtet scheint es so, dass auch in Israel immer weniger Menschen an die Darstellung glauben, dass es sich noch um einen Verteidigungskrieg handelt.

Green: Vom ersten Moment an nach dem 7. Oktober konnte man die Absichten der Regierungsmitglieder in Israel hören. Sie benutzten Worte wie „Vernichtung“, „in die Steinzeit zurückbringen“, „Gaza auslöschen“, „Tötet sie alle“, „Bombardiert sie mit Atomwaffen“. Die ganze Palette. Und langsam aber sicher gelang es ihnen, diese Absichten auch Teilen der Armee aufzuzwingen, die zurückhaltender waren und sagten, wir müssten auch Zivilisten schützen und so weiter. Es ist jetzt für jeden klar, dass die Absichten, die unsere Regierung schon früh vorgestellt hat, diesen Krieg bestimmen. Und ich glaube, dass viele Teile unserer Gesellschaft jetzt aufwachen und das erkennen.

taz: Wie frustriert sind Sie, dass Menschen das heute erst merken?

Green: In der Politik geht es um Macht. Es geht nicht darum, Recht zu haben. Es geht nicht darum, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Es geht darum, Macht aufzubauen, um zu ändern, was geschieht. Und dafür brauche ich offene Arme, um strategisch zu denken und Koalitionen zu bilden. Koalitionen werden immer mit Menschen geschlossen, die nicht an dieselbe Ideologie oder dieselbe Politik glauben wie man selbst. Aber das ist die einzige Möglichkeit, Macht aufzubauen.

Die Proteste vereinen sehr verschiedene Positionen Foto: Itai Ron/Imago

taz: Und Sie glauben, dass Sie tatsächlich auf dem Weg zu einer breiten Koalition sind, zu einer Machtoption?

Green: Wenn jetzt Wahlen stattfänden, würde Premierminister Benjamin Netanjahu nicht gewählt werden. Allerdings sind Oppositionsführer wie Benny Gantz oder Naftali Bennet zwar gegen Netanjahu, doch vertreten sie keine vollkommen andere Politik. Sie unterstützen in den meisten Fällen die Kriegsverbrechen in Gaza. Sie unterstützen die Einberufung weiterer Reservisten. Dennoch wäre es ein großer Schritt nach vorn, wenn es uns gelänge, Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir von der Macht zu entfernen …

taz: … die rechtsextremen Minister für Finanzen und Innere Sicherheit …

Green: … und sie durch eine Koalition zu ersetzen, die auch nur 20 Grad weiter nach links tendiert. Kompromissbereitschaft ist keine Schwäche. Kompromissbereitschaft ist die Fähigkeit, die Realität zu sehen und den besten Weg zum Ziel zu suchen.

taz: Was heißt das konkret?

Green: Das kann heißen, dass wir mit Teilen der Koalition zusammenarbeiten müssen, die extrem rassistisch sind, die manchmal extrem faschistische Tendenzen haben. Aber wenn so das Töten in Gaza zu stoppen ist, dann ist das ein ausreichender Grund für eine solche Zusammenarbeit.

Nahost-Debatten

Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.

taz: Bei den großen Demos für Demokratie und gegen die umstrittene Justizreform, die es vor dem 7. Oktober gab, wurde die Besatzung fast nie angesprochen. Jetzt gehen die Menschen wieder auf die Straße – gegen Netanjahu, für die Geiseln. Aber auch für ein neues Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern?

Green: Wir müssen jeden Menschen zum Widerstand gegen diese Regierung bewegen, was auch immer der Grund dafür sein mag. Und Sie können jetzt jeden Samstag Hunderte, wenn nicht schon mehr als tausend Israelis sehen, die mit Bildern getöteter palästinensischer Kinder auf den Kundgebungen stehen. Wir führen diese Bilderaktion als Organisation an. Am Anfang kamen die Leute zu uns, sahen uns an und sagten: „Verräter, was macht ihr hier? Es geht um die Geiseln. Ihr beschmutzt unseren Protest!“ Und jetzt sind die Bilder der Kinder von Gaza schon auf einigen Hauptbühnen zu finden, wie bei den Protesten in Sabah und Haifa.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

taz: Benjamin Netanjahu arbeitet seit vielen Jahren daran, eine Zweistaatenlösung unmöglich zu machen. Jetzt ist Gaza zerstört und das Westjordanland wird immer weiter besiedelt. Welche Perspektive können Sie überhaupt noch anbieten?

Green: Es gibt nur zwei mögliche Lösungen. Die eine ist, den Palästinensern einen unabhängigen Staat an der Seite Israels zu gewähren, wo sie die gleichen Rechte wie die Israelis haben. Die zweite ist, allen Palästinensern die is­raelische Staatsbürgerschaft zu gewähren und einfach einen Staat mit gleichberechtigten Bürgern zu haben. Wir müssen uns für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden. Wenn wir das nicht tun, haben wir eine Apartheid, wie wir sie jetzt schon im Westjordanland sehen. Eine kleine Minderheit kontrolliert eine große Mehrheit. Die Minderheit hat Rechte, die Mehrheit hat keine. Diese Realität wird zu mehr Gewalt führen. Wir müssen uns entscheiden.

Der Widerstand in Israel wächst, sagt Alon-Lee Green Foto: Leo Correa/ap

taz: International positionieren sich immer mehr Länder kritisch gegenüber dem israelischen Vorgehen. Hilft das Ihrer Bewegung oder stärkt es eher das Narrativ, dass ohnehin immer alle gegen die Juden sind?

Green: Man kann an den Staat Israel keine anderen Maßstäbe anlegen als an den Rest der Welt. Wir sind nichts Besonderes. Insofern gelten für uns die gleichen Fragen: Begeht die Regierung Kriegsverbrechen? Ist sie für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich? Und die Antwort lautet: Ja, die israelische Regierung ist für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für Kriegsverbrechen verantwortlich. Regierungen in aller Welt, sogar in Europa, entscheiden, nicht mitschuldig zu sein und keine Waffen zu verkaufen. Die deutsche Regierung stolpert dabei. Sie sagt etwas, nur um zu sagen, was gesagt werden muss. Aber hat sie die Macht, diese Verbrechen zu verhindern? Die hat sie. Macht sie von dieser Macht Gebrauch? Das tut sie nicht. Aber Israel ist keine in der Geschichte gefangene Antiquität, die man nicht anfassen darf.

taz: In Deutschland fühlen sich jüdische Menschen auf der Straße unsicher und vermeiden, als jüdisch erkannt zu werden.

Green: Gegen Personen zu protestieren, die ein religiöses Symbol tragen, hat nichts mit unserem Kampf zu tun. Nein, das ist einfach nur Rassismus und Antisemitismus. Was haben die Menschen in der deutschen Synagoge mit dem Staat Israel zu tun? Sind sie verantwortlich, nur weil sie Juden sind? Das ist verrückt. Anders­herum wird auch das Zeigen der palästinensischen Flagge in der Öffentlichkeit in Deutschland verurteilt. Da wird behauptet, jede Person, die sich für die Rettung der Palästinenser einsetzt, sei irgendwie antisemitisch. Das ist eine sehr bösartige Lüge, die gern von der Rechten verbreitet wird.

taz: Aber sind die internationalen Proteste in ihrer Radikalität wirklich immer sinnvoll?

Green: Hass, Gewalt und Antisemitismus haben keinerlei Legitimität, niemals. Sie sind aber auch strategisch falsch. Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen der Verurteilung dessen, was man nicht mag, und dem Aufbau von Macht, um es zu ändern. Was manche tun, ist eine selbstverliebte Selbstdarstellung, die oft sehr hermetisch daherkommt. Wenn man zig Kriterien erfüllen muss, um überhaupt in die Bewegung zu kommen, dann macht man die Bewegung kleiner. Mit dem Ziel, das Töten zu stoppen, werden sich mehr Menschen identifizieren, als wenn ich große Reden gegen Imperialismus, Zionismus und Kolonialismus schwinge. Wenn ihr den Kampf zur Ideologie macht, dann verliert ihr eine Menge Leute.

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17 Kommentare

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  • Bleibt zu hoffen, dass es möglichst bald Neuwahlen in Israel gibt und dann die progessiven Kräfte gewinnen. Nur die Israelis können diesen Wahnsinn beenden. Die Palestinenser in Gaza haben keine Wahl und schaffen es auch nicht die Hamas abzuschütteln.

  • Eine sehr wichtige Perspektive die in dem Artikel gezeigt wird. Es ist sowohl wichtig die israelische als auch palästinensische Seite mit ihrer Perspektive zu zeigen. Und vor allem, dass in Israel selbst ein großer Teil mittlerweile gegen das ist, was die Regierung Netanjahu mit ihrer Kriegshandlung in Gaza an Leid in der Zivilbevölkerung dort anrichtet. Die Regierung Netanjahu und Minister*innen und Minister haben das Land leider in eine sehr missliche Lage gebracht, die rechten Extremismus in Israel und Siedlerideologien fördert (ersichtlich seit der Justizreform 2023). Leider vergiftet dies die demokratische Gesellschaft auch im Land selbst. Aufgabe der deutschen Regierung, aber auch von konservativen Medien wäre das Treiben von Netanjahu und seinen Minister*innen klar zu verurteilen und dazu gehören auch die Kriegshandlungen klar zu benennen und konsequent verurteilen. Die der internationale Straf-Gerichtshof nicht umsonst als Kriegshandlung eingestuft hat. Hier steht leider die deutsche Staatsräson, was die rechte Regierung Israels betrifft leider all zu oft im Weg!

  • "Mit dem Ziel, das Töten zu stoppen, werden sich mehr Menschen identifizieren, als wenn ich große Reden gegen Imperialismus, Zionismus und Kolonialismus schwinge. Wenn ihr den Kampf zur Ideologie macht, dann verliert ihr eine Menge Leute." - da ist viel Wahres dran.

  • Wunderbar klare und realistische Ansage. Vielen Dank dafür und viel Erfolg.

  • Es gibt es sehr wichtiges zu dem Thema über das hier in Deutschland kaum jemand bereit ist zu sprechen.

    Der überwiegenden Teil der jüdischen Bevölkerung Israels akzeptiert Verbrechen wie Vertreibungen etc.

    Zitat Haartetz (große links-liberale Zeitung in Israel) 28.05-2025:

    "Yes to Transfer: 82% of Jewish Israelis Back Expelling Gazans"

    Der Artikel basiert auf einer Meinungsumfrage,



    Quellenangabe:

    "A March 2025 poll of Israeli public opinion, commissioned by Pennsylvania State University "

    Diese weist foglende erschreckende Zahlen aus,



    Zitate mit Zahlenangaben:

    1.) "82% of [Jewish] Israelis want to expel Gazans"

    2.) "47% [Jewish] support killing all Palestinians in Gaza."

    3.) 56% of Jewish Israelis — who are the only ones considered to be true, full citizens — want to expel all Palestinian citizens.



    [Roughly 21% of citizens of Israel are Palestinians]

    Fazit:

    Das Problem ist sehr viel weitreichender und grundlegender als das "nur" die gegenwärtige Regierung Israels "Verbrechen gegen die Menschheit" begeht, wie es in den Haftbefehlen des ICC formuliert wird.

    • @Jörg Heinrich:

      Tatsächlich sprechen Sie hier einen der großen Elefanten im Raum an (bekanntlich gibt es ja für jedes Problem immer mehrere davon).



      Im Kontext der Shoa umschiffen wir das Thema der Mitschuld/Mittäterschaft der deutschen Bevölkerung an den Nazi-Verbrechen gerne im großen Bogen (um wie viel leichter fällt es uns indes, den Bombenkrieg gegen deutsche Städte als alliierte Kriegsverbrechen zu verurteilen). Aber mit der Verurteilung der Mittäterschaft der gesamten russischen Bevölkerung an Putins Krieg in der Ukraine sind wir schnell zur Hand. Oder mit der der palästinensischen Bevölkerung in Gaza am Terror der Hamas vom 7.10.2023.



      Und es würde ja nichts helfen, darüber NICHT zu sprechen, das Thema mit einem Tabu zu belegen, bloß weil wir das Konzept der Kollektivschuld ablehnen.



      82%, diese Zahl aus der Haaretz spricht für sich. Ich interpretiere es auch (!) als das jahrzehntelange erfolgreiche „Wirken“ einer zionistisch-revisionistischen Ideologie in der israelischen Bevölkerung, vor der schon Hannah Arendt 1934 (14 Jahre vor der Gründung des Staates Israel) gewarnt hat.



      Darum ziehe ich meinen Hut vor israelischen Aktivisten wie Aloon-Lee Green in ihrem „Kampf gegen Windmühlenflügel“.

    • @Jörg Heinrich:

      84% der Bevölkerung in Gaza unterstützte den bewaffneten Terror vor dem 7. Oktober.

      www.timesofisrael....oups-in-west-bank/

      So wahnsinnig viel geändert hat sich seitdem nicht.



      www.pcpsr.org/en/node/991

      Der Hinweis, dass die Menschen nicht glauben, was die Hamas am 7. Oktober getan hat, ist wenig hilfreich.

      Auch in Deutschland gibt es noch genug Menschen, die behaupten Auschwitz sei eine Lüge. Oder die Juden seien selbst schuld (diese Meinung vertritt übrigens auch Abbas).

      • @BrendanB:

        Btr. Zitat:

        "84% der Bevölkerung in Gaza unterstützte den bewaffneten Terror vor dem 7. Oktober."

        Das schreibt der Artikel doch etwas andersn,

        Nämlich das 84% in Gaza 72% insgesamt von der Autonomie-Behörde unabhänigen bewaffeneten Widerstand befürworten.



        Nicht zuletzt weil ein Mehrheit mit einer defaco "Total-Annexion" durch Isreal rechnet die jede 2-Staaten Lösunge verunmöglicht.

        Ich denke der exakte Wortlaut ist hier wichtig, Zitat2 Times of Israel 2022:

        "Poll: 72% of Palestinians support forming more armed groups in West Bank



        Backing for two-state solution falls to just 32%, with 69% no longer believing it’s possible due to settlement expansion; majority says next Israeli government will annex West Bank"

        "A clear majority of respondents told PCPSR that they support the formation of armed groups that don’t take orders from the PA and that are not part of the PA security forces, but numbers were higher in Gaza, where 84% of respondents backed the concept, than in the West Bank, where 65% supported the idea."

        P.S.:

        Die UN-Generalversammlung benennt in der Resolution 2649 (30. 11. 1970) ein "Widerstandsrecht" von Völkern gegen "koloniale" Unterdrückung durch andere Völker.

    • @Jörg Heinrich:

      Das müssen Sie im Kontext von über 75 Jahren Vernichtungskrieg und Terror gegen Israel sehen. Und nicht zuletzt im Kontext des genozidalen Massenmordes auf israelischem Boden begangen von Palästinensern. Einstellungen wie die von Ihnen behaupteten haben immer eine Vorgeschichte und entstehen nicht im luftleeren Raum.

      Hinzu kommt, dass dem Denken der Hamas und der Muslimbrüder eine sehr langfristige Perspektive zugrunde liegt. Die denken nicht in Jahren oder Jahrzehnten. Dem kommen Sie mit etwas Sozialromantik und einem Hilfswerk nicht bei.

      • @BrendanB:

        Auch wenn Sie explizit hier nur die Hamas und die Muslim-Brüder erwähnen … mir dünkt, Sie pflegen einen sehr orientalisierenden Blick (im Sinne von Edward Said) auf die politischen Vorgänge in Nahost.



        de.m.wikipedia.org/wiki/Orientalismus

        • @Abdurchdiemitte:

          Nein, nur einen sehr realistischen.

          Letztlich pflegt Said selbst einen essentialistischen Blick, mit dem er anderen ebendiesen vorwirft.

          • @BrendanB:

            75 Jahre „Vernichtungskrieg“ (Ihr Zitat!) gegen Israel?



            Extreme Ideologien - die der israelischen Rechtsparteien (eine unheilvolle völkisch-nationalistische Genese/Pervertierung der zionistischen Idee von Eretz Israel) zähle ich dazu - laufen stets auf den Willen zur totalen Durchsetzung eben dieser Ideologien hinaus … was die Entmenschlichung derjenigen voraussetzt, die dieser Dystopie im Wege stehen. Und das Aufrechterhalten einer permanenten Bedrohungskulisse und Feindbildern.



            Dass auf der anderen Seite des Grabens genau so eine menschenverachtende Ideologie - der eliminatorische Antisemitismus - sich eingenistet hat, macht die Sache freilich nicht besser.



            Ich habe hier schon öfters angemerkt, dass die Todesideologen von Hamas und der israelischen Rechten auf ihre wechselseitige Existenz angewiesen sind, sich gegenseitig bedingen, um ihr nationalistisches rassistisches und antisemitisches Gift erfolgreich versprühen zu können.



            Hören wir doch erst einmal damit auf, solche Ideologien zu verharmlosen oder zu rechtfertigen. Dass die Gräben immer tiefer werden, ist schlimm genug.

            • @Abdurchdiemitte:

              Ja, genau das. Juden selbst sollten schon viel länger ausgelöscht werden. Noch nie davon gehört?

              Die Irgun wurde nach dem Massaker von Hebron 1929 gegründet - als sich wieder mal herausgestellt hatte, dass nichts und niemand den Juden zuhilfe kam.

              Haben Sie sich mal überlegt wie stark die rechtsextreme Fraktion in Israel jetzt wäre, hätten die damaligen Araber 1947/48 einfach ihren eigenen Staat gegründet (angeblich ja das, was jetzt nur bezweckt wird) und Israel in Ruhe gelassen?

              • @BrendanB:

                Die terroristische Irgun gegründet 1931 ist eine Abspaltung der illegalen jüdischen Miliz Hagana die anteilig ebenfalls terroristisch agierte,

                Die Hagana wurde um 1920 gegründet und über die Aktivitäten gingen über "Selbstschutz" Jüdischer Siedler weit hinaus, bis hin zu terroristischen Anschlägen.

                Beispielsweise wurde 1924 der jüdische Anwalt Jacob de Haan von der Hagana ermordet.



                Weil er sich obwohl selbst nach Jerusalem ausgewandert zunehmend gegen "Siedler-Zinonismus" aussprach und dafür einen Krieg gegen die Araber zu verhindern.

                Um auf Begin und Ursachen des Konfliktes zurückzukommen:

                Aus europäischer Sicht war und ist es natürlich sehr bequem jüdische Forderungen nach eigenem Staat und Sicherheit mit arabischem Land zu bedienen und nicht mit europäischem.

                Die betroffenen Arabischen Palästinänser sehen wohl kaum ein warum sie irgend-etwas an Land und Rechten hergeben sollen nur um die Gräul des europäischen Antisimitismus zu kompensieren.

                Das ist ein sehr grundsätzlicher Punkt den man nicht vergessen sollte.

                • @Jörg Heinrich:

                  Ich kann Ihren historischen Ausführungen zum Teil folgen … hilfreich finde ich z.B. Ihre Anmerkung zur Ermordung de Haans, die zeigt, dass der Terror radikaler Zionisten in Palästina sich nicht allein gegen Araber, sondern auch gegen andersdenkende, nicht-zionistische Juden richtete. Und natürlich gegen Angehörige der britischen Mandatsverwaltung.



                  Hervorheben könnte man auch noch, dass Haganah und Irgun (als zionistisch-revisionistischer Ableger der Haganah) sich auch untereinander heftigst bekämpften - das ist wichtig zum Verständnis der heutigen innerisraelischen Konflikte.



                  Die Rolle der Figur des Grossmuftis al-Husseini wird von denjenigen, die lediglich die Araber für die Gewaltexplosion im damaligen Palästina verantwortlich machen wollen, m.E. historisch zu stark überbewertet. Den von den Nazis erhofften arabischen Aufstand im Hinterland des britischen Mandatsgebietes konnte er jedenfalls nicht entfachen - im Berliner Exil blieb er dann eine politische Randfigur.



                  Dennoch bin ich der Meinung, dass der fanatische Antisemitismus dem arabischen Nationalismus von Beginn an inhärent ist - Juden wie Araber waren (und sind) in diesem Konflikt gleichsam Täter UND Opfer.

              • @BrendanB:

                Das Massaker von Hebron 1929, bei dem 67 jüdische Bewohner der Stadt von fanatischen arabischen Nationalisten grausam ermordet wurden, bestätigt doch meine ablehnende Haltung, was nationalistische Ideologien betrifft.



                Ein „rundes“ Bild der historischen Vorgänge von damals ergibt sich nur, wenn zwei Aspekte mit berücksichtigt werden: 1. über 400 Hebroner Juden konnten nur überleben, weil sie von ihren arabischen Nachbarn in deren Häusern versteckt wurden - die unterbesetzte, überforderte britische Mandatspolizei sah sich nicht in der Lage, die bedrohten Juden ausreichend zu schützen. In Hebron existierte damals offenbar ein historisch gewachsenes Zusammenleben von Muslimen, Christen und Juden, das auch durch die Propagandisten des arabischen Nationalismus nicht vollständig zerstört wurde..



                2. das Massaker von Hebron ist auch im Kontext der damaligen Unruhen in Jerusalem und andernorts in Palästina zu sehen - laut Wikipedia verloren bei den Ausschreitungen in Jerusalem 1929 116 Araber und 133 Juden ihr Leben.



                de.wikipedia.org/w..._von_Hebron_(1929)



                Lediglich den arabischen Anteil an der Gewaltexplosion zu benennen, ist also nur die eine Hälfte der Wahrheit.

  • Es ist gut, es ist wichtig, dass israelische Bürgerinnen und Bürger dieses mörderische Vorgehen kritisieren und einen anderen Weg suchen. Wenn ich solche Schlagzeilen lese: www.spiegel.de/aus...-821e-3bcde7299067 kommt mir die Galle hoch. Auch deshalb weil unsere Regierung hier den Blinden spielt und taub bleib.