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Journalistin Julia Karnick über Kolumnen„Männerdominiert“

Julia Karnick hat 252 Kolumnen geschrieben. Jetzt hat sie die Kolumnen-Landschaft deutscher Print-Medien ausgewertet. Ergebnis: Verdammt viele Männer.

Kein Mann weit und breit: Sieht so die Zukunft der Kolumne aus? Foto: plainpicture
Interview von Patrick Wagner

taz: Frau Karnick, wer ist Ihr Lieblings-Kolumnist?

Julia Karnick: Ich lese kaum noch Kolumnen von Männern. Zumindest nicht regelmäßig. Ich lese auch nicht mehr so viel Print, lieber Online und da dann hauptsächlich Frauen.

Und welche Kolumnistinnen lesen Sie?

Katharina Schmitz finde ich gut mit „Helikoptermutter“ im Freitag oder Samira El Quassil von Übermedien. Die Senioren-Kolumne von Dorothea Wagner und Mechthild Grossmann im SZ-Magazin Online fand ich auch ganz toll, aber die gibt’s ja leider nicht mehr.

Sie haben in einem Blogbeitrag die Print-Kolumnen-Landschaft analysiert. Warum?

Ich habe mich auf die größten, überregionalen Zeitungen konzentriert, die Titel mit großer Reichweite und großem Renommee. Gefühlt haben Kolumnen dort meistens Männer geschrieben. Also habe ich angefangen, genauer hinzuschauen und zu zählen.

Was ist Ihr Fazit?

Vor allem die Königsdisziplin ist krass männerdominiert: Also die Kolumnen, die mindestens einmal in der Woche erscheinen und immer von derselben Person geschrieben werden. Meine Zählung kam auf 44 Kolumnen dieser Art, neun davon stammen von Frauen. Wenn man Cartoon- und Grafikformate ausklammert und nur reine Text-Kolumnen anschaut, sind es sogar nur sieben.

Wieso schauen Sie eigentlich gerade auf Kolumnen?

Natürlich gibt es andere relevante Formate. Aber Kolumnen waren schon immer Aushängeschilder. Da steht jemand mit Gesicht, Namen, Stil und seiner Haltung für ein Medium. Ein Zeit-Magazin ohne Harald Martenstein oder das SZ-Magazin ohne Axel Hacke sind kaum vorstellbar. Da wird der Autor selbst zur Marke. Der Kolumnist wird von der Leserin oder dem Leser erkannt. Vielleicht wird er geschätzt, vielleicht regt man sich über ihn auf.

Gibt es einen Unterschied hinsichtlich der Themenauswahl zwischen Frauen und Männern?

Tatsache ist, dass unter den neun Kolumnen von Frauen sich gerade mal zwei explizit mit gesellschaftspolitischen Themen befassen. Der Rest beschäftigt sich mehr oder minder mit Psychologie- und Lifestyle-Themen. Ich will nicht über besser oder schlechter urteilen. Ich selbst habe bei der Brigitte lange auch über Familie und Beziehung geschrieben. Das hat absolut seinen Stellenwert. Ich habe einfach nur gezählt, jeder kann sich da selber seine Schlüsse raus ziehen.

Gleichzeitig gibt es immer mehr männliche Kolumnisten, die über vermeintlich „softe“ Themen schreiben, „Prüfers Töchter“ im Zeit-Magazin zum Beispiel.

Wenn Frauen über Familie schreiben, ist das eine Frauenzeitungs-Kolumne, wenn Männer das machen, kommt es ins Zeit-Magazin. Außerdem: Prüfers älteste Tochter ist ja bereits eine junge Frau. Eigentlich will ich lieber eine Kolumne von ihr lesen, anstatt von ihrem Vater. Ich finde es absolut begrüßenswert, wenn Männer über Familie schreiben. Aber wenn solche Themen als typisch weiblich gelten und deshalb alle auf einmal gerührt sind, sobald ein Mann über Gefühle, Kinder oder Liebe schreibt, dann ärgert mich das. Online sieht es anders aus. Da gibt es viele erfolgreiche Autorinnen, die über Gesellschaft und Politik schreiben, Margarete Stokowski beim Spiegel oder Teresa Bücker beim SZ-Magazin zum Beispiel. Also an Frauen, die sich mit vermeintlich „harten“ Themen auseinandersetzen, mangelt es nicht.

Im Interview: 

Julia Karnick Jahrgang 1970, ist ­Autorin und Journalistin. Sie war 12 Jahre lang Kolumnistin bei „Brigitte“ und zwei Jahre stellvertretende Chefredakteurin bei „Brigitte ­Woman“.

Wieso gibt es diesen Unterschied zwischen Print und Online?

Online kann man unendlich viele Kolumnen ausprobieren. Bei Print ist das hingegen anders: Da ist der Platz eine begrenzte Ressource, mit der die Chefredaktion haushalten muss. Und wenn man die verteilen muss, dann schneiden die Männer offensichtlich besser ab. Print-Texte werden oft besser bezahlt als Online-Texte und besitzen immer noch ein großes Renommee.

Was sagt dieser Umstand über Redaktionsstrukturen aus?

Es ist naheliegend, dass die fehlende Präsenz von Kolumnistinnen in den Print-Medien damit zu tun hat, dass dort immer noch vor allem Männer das Sagen haben. Bei Online-Medien sieht das besser aus, dort ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte deutlich größer. Vermutlich hängt es auch damit zusammen, dass es dort mehr Kolumnen von Frauen gibt.

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3 Kommentare

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  • Zu einem Teil mag es daran liegen, dass viele Chefredakteure Frauen im journalistischen Beruf unterschätzen. Es kann aber auch am Verhältnis 65% Männer 35% Frauen in dem Berufsfeld liegen. Und nein, nichts und niemand hindert Frauen daran, den Beruf zu ergreifen und darin zu arbeiten.

    • @Hampelstielz:

      Jein. Frau wird sicherlich nicht gesetzlich o.ä. gehindert, aber als ich damals nach dem Studium in diese "Szene" wollte, war ich schockiert angesichts des Chauvinismus in den (ausschließlich männlichen) Abteilungsleitungen etc. Ich habe dann beschlossen, dass ich keine Lust habe, täglich im Job mit anzüglichen Bemerkungen umzugehen und beweisen zu müssen, dass ich nicht per Haarfarbe und -länge automatisch dümmer bin als männliche Kollegen, und habe mir ein anderes Berufsfeld gesucht.

    • @Hampelstielz:

      Zitat: „Und nein, nichts und niemand hindert Frauen daran, den Beruf zu ergreifen und darin zu arbeiten.“

      Äh... und was ist mit den Personalern, die unter zehn Bewerbern immer denjenigen auswählen, von dem sie sich für ihren Arbeitgeber den größtmöglichen Gewinn versprechen - unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen also (fast) immer den nicht mehr ganz jungen Mann ohne erkennbaren Migrationshintergrund?