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Journalismusforscher über US-Wahlkampf„Es geht nur um Persönlichkeiten“

Seit der Wahl Donald Trumps diskutieren US-Medien: Wie journalistisch umgehen mit so einem Präsidenten? Nun steht der nächste Wahlkampf bevor.

Können Medien sich in einen solchen Unterstützer-Kopf reinfühlen? Und wollen sie das überhaupt? Foto: ap
Interview von Lara Wiedeking

taz am wochenende: Herr Pope, fangen wir ganz am Anfang an: Was ist falsch gelaufen in der amerikanischen Medienberichterstattung über die Präsidentschaftswahl 2016?

Kyle Pope: Ganz generell kann man sagen, dass die Leute sich einfach haben ablenken lassen von Trump, von seiner unorthodoxen Art und diesem historischen Charakter. Die Medien wussten nicht, wie sie über ihn berichten sollten, und haben ihn mit Aufmerksamkeit überschüttet.

Und das war problematisch weil …

… es überhaupt nicht in Relation zu seiner politischen Erfahrung oder seinem Wissen stand, besonders am Anfang. Als dann klar war, dass er der Kandidat der Republikaner wird, versteifte die Presse sich darauf, beide Kandidaten gleich zu behandeln. Wenn sie also über Trumps dubioses Geschäftsgebaren berichtet haben, haben sie auch kritisch über Hillary Clinton berichten wollen.

Die Serie: 2020 in den Medien

Was war? Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA 2016 hat die Nachrichtenmedien in eine Krise gestürzt. Medienprofi Donald Trump schert sich nicht um Konventionen im Umgang mit Journalist*innen, greift renommierte Medienhäuser offen an und treibt mit seinem Twitteraccount die Berichterstattung vor sich her. Redaktionen machten Fehler: Sie veröffentlichten irreführende Prognosen, versagten dabei, die Äußerungen Trumps einzuordnen, und berichteten aus einem beschränkten, urbanen Blickwinkel.

Was kommt? Was haben US-Journalist*innen aus 2016 gelernt? Und welche Erkenntnisse konnten sie in den letzten vier Jahren in Strategien umsetzen, damit es 2020 besser klappt?

Aus diesem Grund gab es diese irre Berichterstattung über ihre E-Mails. Es führte zu einer falschen Gleichwertigkeit: Clintons Skandale gegen Trumps Skandale. Es fehlte einfach tiefergehende Berichterstattung über Inhalte, politische Pläne und Erfahrung. Wobei aber die New York Times und Washington Post natürlich auch anders berichtet haben als CNN und MSNBC.

Inwiefern?

Na ja, die TV-Nachrichtensender haben ihn einfach pauschal auf den Bildschirm gehoben. Sie haben ihr Programm unterbrochen, nur um zu zeigen, wie sein Flugzeug bei einer Wahlkampfveranstaltung landet. Er hat die Sendezeit der liberalen Sender wie MSNBC genauso dominiert wie die der konservativen. Die Tageszeitungen haben ihn ernster genommen, sich schuldig gefühlt, dass sie einen Großteil des Landes nicht verstehen.

Längst ist wieder Wahlkampf, 2020 wird erneut gewählt. Haben die Medien etwas aus 2016 gelernt?

Im Interview: 

Kyle Pope

Chefredakteur und Herausgeber des „Columbia Journalism Review“, des medienpolitischen Magazins der Columbia University in New York.

Es gab jede Menge In-sich-Gehen nach der Wahl: Die Tageszeitungen haben Reporter nach Iowa geschickt, andere haben im ganzen Land Büros aufgemacht. Es gab jede Menge Geschichten über Trump-Wähler, was sie antreibt. Das war aber sehr oberflächlich. Nun scheint es so, als hätten die Medienunternehmen aufgegeben, so nach dem Motto: „Keine Ahnung, wer diese Menschen sind.“

Aber ist das ein gesunder Ansatz für die kommende Wahlperiode?

Auf keinen Fall. Seitdem Trump gewonnen hat, gibt es diese kraftvolle Dynamik: Er ist ein großer Motor für Umsätze, sowohl für große Tageszeitungen als auch für das Fernsehen. Menschen wollen auf ihn wütend sein – und konsumieren darum mehr Medien. Die New York Times zum Beispiel, vor Trumps Sieg machten Anzeigen dort das größte Umsatzwachstum aus, seitdem sind es Abonnenten.

Die Menschen, die abonnieren, lesen die Times, weil sie über Trump schockiert sind und sich über die empörenden Dinge informieren wollen, die er tut. Das hat, glaube ich, die Mission der New York Times etwas verändert – sie wollen für die Menschen da sein, die sich über Trump aufregen. Es ist, glaube ich, nicht abzustreiten, dass sie etwas parteiischer ist als sonst.

Es entwickelt sich also eine „Wir gegen die“-Haltung?

Ja, aber die herrscht ja im ganzen Land – und Trump befeuert sie mit seinen Attacken auf die etablierten Medien. Zu Beginn war die Reaktion der Presse: Soll er doch, wir machen einfach unseren Job. Aber immer mehr entwickelt sich eine Abschottungshaltung. Es gibt ja auch echte Bedrohungen gegen die Presse. Journalisten sind dieses Jahr in ihren Newsrooms umgekommen, CNN bekommt Bomben geschickt – da ist es nur menschlich, so zu reagieren.

Wenn jetzt kritischer über Trump berichtet wird, er als Rassist, Schwindler und sexueller Belästiger bezeichnet wird – erreicht das dann überhaupt die Menschen, die ihn wählen?

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Es ist nicht der Job von Journalisten, die Meinung der Menschen zu ändern und ihnen zu zeigen, dass sie falsch liegen. Aber wir müssen die Bürger so gut es geht aufklären. Ich persönlich finde es gut, dass im Bezug auf Trump das Wort Rassist genutzt wird, denn ich halte ihn tatsächlich für einen. Warum also sprachlich umschreiben, wofür es ein treffendes Wort gibt?

So wie kürzlich in der Diskussion um die vier Kongressabgeordneten?

Trump weiß natürlich auch ganz genau, was er da macht – er ist da deutlich klüger, als Menschen ihm zugestehen wollen. Ihm ist klar, dass ein großer Teil seiner Basis da positiv drauf reagieren wird. Ein Argument ist also, ihm nicht diese Genugtuung zu geben, da dieser Aufschrei in der Presse hilft. Auf der anderen Seite hat er diese Dinge aber nun mal gesagt und es herrscht diese große Angst, wie schlimm es noch werden wird.

Wir sprachen schon drüber – der Wahlkampf für 2020 beginnt allmählich. Arbeitet die Presse jetzt anders?

Frustrierenderweise nein. Es ist so, als hätte niemand etwas gelernt.

Können Sie Beispiele nennen?

Die Leute sind noch immer besessen von ihm. Jeder Tweet ist eine Geschichte, egal ob sie Nachrichtenwert hat oder nicht. Er saugt den Sauerstoff aus dem Raum. Währenddessen stellen die Demokraten ernsthafte und erfahrene Kandidaten auf. Aber es geht wieder nur um Persönlichkeiten, die Strategie, welches Personal stellt ein Politiker ein. Es geht nicht um Bildung, Gesundheit oder Kriminalität.

Welche Rolle haben Desinformation und Fake News im Wahlkampf 2016 gespielt?

Alle reden über Fake News, aber zunächst muss man ja erst einmal genau definieren, was man damit meint: Content-Mühlen aus Estland, Desinformation der politischen Gegenseite … die aktuelle Beweislage lässt mich glauben, dass Russland versucht hat, die Ergebnisse der US-Wahl zu beeinflussen. Wie viel Einfluss hat es tatsächlich auf das Ergebnis gehabt? Ich glaube, nicht so viel.

Die größere Sorge bereitet mir, dass parteiisches Wording und einseitige Information der politischen Akteure ihren Weg in die Informationswelt finden, dass diese Akteure hart daran arbeiten, es mit ernsthaftem Journalismus gleichzusetzen. Und damit bisher auch erfolgreich sind. Dass Leute glauben, Breitbart und die New York Times hätten die gleiche Qualität, ist eine größere Gefahr als irgendjemand, der streut, der Papst würde Donald Trump unterstützen, oder diese anderen verrückten Geschichten, die während der Wahl hochkamen.

Was kann man dagegen tun?

Die Menschen müssen anspruchsvollere Konsumenten von Nachrichten werden. Da haben die sozialen Medien wirklich gegen den Journalismus gearbeitet, denn jeder Beitrag sieht gleich aus, egal woher die Information kommt, sie taucht gleichwertig in Ihrem Feed auf. Da müssen die Nutzer natürlich auch selbst Verantwortung übernehmen, sie können nicht einfach mit den Schultern zucken.

Vergleichen wir das einmal mit deiner Ernährung: Wenn du etwas siehst, das einfach in weißes Papier gewickelt ist, würdest du es ja auch nicht einfach so essen. Aber die Menschen tun das mit Nachrichten. Und das müssen die Qualitätsmedien ernst nehmen, und Aufklärung betreiben.

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1 Kommentar

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  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Auch Herr Pope und Frau Wiedeking haben offensichtlich noch nichts dazu gelernt.

    Auch Sie beschäftigen sich immer noch mit Herrn Trump, damit wie man ihn demaskieren kann, wie die Medien anders über ihn berichten sollten etc.

    Statt sich mit seinen Wählern zu befassen und warum sie ihn gewählt haben. Und wie die Politik der Demokraten, die auf die Wirtschaft und speziell die Wall Street abgestimmt ist, dazu geführt hat, dass sich viele Wähler zurückgelassen fühlen.