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Johanna Roth über den Fall Rainer WendtPeinlich für alle Beteiligten

Während durchchoreografierter Wahlkämpfe ist es umso aufregender, wenn ein Skandal nicht nur eine Partei allein betrifft, auf die die anderen dann immer feste draufhauen, sondern gleich mehrere – wie im Fall Rainer Wendt. An dieser Peinlichkeit haben nämlich Vertreter gleich dreier Parteien ihren Anteil: Da wäre der frühere FDP-Innenminister Nordrhein-Westfalens, Ingo Wolf, während dessen Amtszeit Wendt zur Gewerkschaft wechselte – und weiterhin aus Steuermitteln bezahlt wurde, obwohl er nicht mehr als Polizist arbeitete. Ministerpräsident war damals Jürgen Rüttgers, CDU (in der übrigens auch Wendt Mitglied ist). Und schließlich der aktuelle NRW-Innenminister Ralf Jäger, SPD.

Letzterer ist eine besonders interessante Figur in der Sache Wendt. Er unterband die Besoldungspraxis nicht, sondern ließ sie weiterlaufen. Angeblich, weil es so Usus sei – das dürfte ziemlicher Unsinn sein. Zu Recht muss Jäger sich jetzt unbequeme Fragen gefallen lassen. Hoffentlich auch diese: Ist das Ganze ein Deal? Hoffte man auf Loyalität und Zurückhaltung Wendts in der Öffentlichkeit? Dass nun ausgerechnet die CDU erbost eine Stellungnahme von Jäger verlangt, ist in Anbetracht der Historie wiederum ganz putzig.

Man darf hoffen, dass sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) jetzt einen neuen, ernst zu nehmenden Vorsitzenden organisiert. Denn: Die Sorgen der Polizisten schienen nie Rainer Wendts erstes Interesse bei seiner Arbeit als Gewerkschaftsboss zu sein. Im Mittelpunkt stand Rainer Wendt selbst. Der Durchgreifer, der Saubermann, der Wenigstens-einer-sagt-die-Wahrheit-Populist: dieses Image hat Wendt mit großem Genuss und Zeitaufwand gepflegt. Gerne klagte er, die Politik habe „den öffentlichen Dienst kaputtgespart“. Dass er jetzt, gar nicht so sauber, bei einer dicken Lüge (auch auf Nachfrage!) vor laufender Kamera erwischt und als Nutznießer staatlicher Gelder enttarnt wurde, ist Ironie in bitterschönster Folgerichtigkeit.

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