Jobs für die Generation Friday: Irgendwas mit Klimaschutz
Eine Beschäftigung mit Sinn wünschen sich viele. Rund ums Klima gibt es derzeit jede Menge neue Arbeitsplätze, ja sogar einen Fachkräftemangel.
Enzo Weber, Arbeitsmarktforscher
Jetzt will er sich in den Aktivismus stürzen. Er engagiert sich beim Aufstand der Letzten Generation, einer Gruppe mit knapp 100 Mitgliedern, die zuletzt durch Straßenblockaden Schlagzeilen gemacht hat. „Es ist meine moralische Pflicht, gewaltfrei Widerstand zu leisten, um die Bundesregierung von ihrem todbringenden Kurs abzulenken“, findet Pförtner. Auch die Lehrer:innen, die die Abiturprüfung abnehmen sollten, habe er dazu aufgefordert.
Pförtner ist seiner Mitstreiterin Lina Eichler gefolgt, die auch beim „Aufstand“ aktiv ist. Die 19-Jährige hätte ebenfalls dieses Jahr ihr Abitur machen sollen, gibt aber an, die Schule im Januar abgebrochen zu haben. „Wir haben nur noch wenige Jahre – wenn nicht Monate, um das Ruder herumzureißen“, sagt sie. „Es ergibt keinen Sinn, auch nur einen Tag weiter dem normalen Alltag nachzugehen.“
Demonstrativ die Schullaufbahn abbrechen? Das ist nicht für jede:n was. Die gute Nachricht: Wer selbst dazu beitragen will, dass der ökologische Umbau unseres Lebens und Wirtschaftens klappt, der kann das eventuell auch beruflich tun.
Klimaschutz ein Jobkiller?
Dass Klimaschutz ein Jobkiller sei, ist jedenfalls nur ein Schreckgespenst. „Gesamtwirtschaftlich gesehen stimmt das nicht“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Das heißt: Natürlich werden bestimmte Berufe künftig weniger gebraucht. Die Autoindustrie zum Beispiel wird wohl weniger Arbeitsplätze bieten können. Die Anzahl der Autos muss schließlich schrumpfen und die, die noch über die Straße rollen, sollen zunehmend strombetrieben sein. Um ein E-Auto zusammenzubauen, braucht man im Vergleich zu den fossil betriebenen Fahrzeugen weniger Leute.
„Man darf natürlich nicht nur darauf gucken, was wegfällt, sondern muss auch einbeziehen, was hinzukommt“, erklärt Weber. Und das ist den Analysen seines Instituts nach eine ganze Menge. Gerade erst ist eine Studie erschienen, die den Effekt des Ampel-Koalitionsvertrags auf den Arbeitsmarkt aufzeigt. Ab 2025 werden demnach etwa 400.000 zusätzliche Erwerbstätige benötigt – unter anderem für den Klimaschutz.
„Die ganze Transformation, die muss ja auch geleistet werden“, sagt Weber. Ökolandbau braucht zum Beispiel weniger Chemie und mehr Fläche – und damit ein paar mehr Arbeitskräfte. Selbst das Verkehrswesen, das bei den Autos Arbeitskräfte verliert, wird Weber zufolge insgesamt mehr brauchen als bisher. „Momentan ist der Sektor ja stark auf Individualverkehr ausgerichtet – aber wenn ich in mein Auto einsteige und losfahre, dann hängt da unmittelbar erst mal überhaupt kein Job dran“, erklärt Weber. „Das sieht beim öffentlichen Verkehr anders aus.“ Neben den Bus- und Bahnfahrer:innen brauche es auch mehr Personal bei der Steuerung, Logistik und Organisation des ganzen Verkehrssystems. „Da werden Arbeitskräfte auf allen Anforderungsniveaus gebraucht, vom Helfer bis zur hochqualifizierten Verantwortungsträgerin.“
Daneben gibt es noch die klassischen Energiewende-Jobs. Einerseits müssen (Erneuerbare-) Energie-Unternehmen gestartet und geführt werden. Vor allem aber: Solaranlagen, Windräder und Wärmepumpen müssen installiert werden, Häuser saniert.
Nachwuchs fehlt im Handwerk
„Das könnte sogar eng werden, der Flaschenhals bei der Umsetzung der Klimapläne sein“, warnt Weber. Sprich: Es gibt einen Fachkräftemangel, in manchen Branchen schon jetzt.
Vor allem der Nachwuchs im Handwerk fehlt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks wirbt bereits damit, dass eine Karriere in der Branche beim Klimaschutz helfen kann. „Millionen Handwerkerinnen und Handwerker sind bereits jetzt täglich aktive Klimaschützer, wenn sie Solardächer installieren, Ladesäulen für die E-Mobilität und Windparks bauen, wenn sie Heizungen austauschen und Häuser energieeffizient sanieren und bauen“, sagt eine Verbandssprecherin.
Neben Jobs, die unmittelbar mit Klimaschutz zu tun haben, ergrünen auch andere Berufe. Schließlich muss die gesamte Wirtschaft klimaneutral werden: Als Anwältin kann man an Klagen gegen klimaschädliche Unternehmen arbeiten, als Journalist über die Klimakrise berichten, als Stadtplaner die Städte hitzefest machen, als Programmiererin Apps für den neuen digital gesteuerten Verkehr entwickeln.
Und dann gibt es noch die NGO-Szene mit ihren Sprecher:innen, Referent:innen, Fundraiser:innen. Dort kann man Vollzeitaktivist:in mit Gehaltsabrechnung sein.
Etliche dieser grünen Jobs stehen Jakob Pförtner und Lina Eichler vom Aufstand der letzten Generation nun erst einmal nicht mehr offen. „Nicht das fehlende Abitur, sondern die Klimakrise und das Versagen der Regierung macht mich perspektivlos“, argumentiert Pförtner. Sollte er es sich anders überlegen, lässt sich eine Schullaufbahn aber auch auf dem Zweiten Bildungsweg fortsetzen.
Anlagenmechaniker:in Sanitär/Heizung/Klima
Seit Russlands Präsident Wladimir Putin einen Krieg gegen die Ukraine führt, ist es das Topthema: Wie werden wir unabhängig von (russischem) Öl und Gas? Ein wichtiger Teil der Antwort: Die alten Öl- und Gasheizungen müssen raus aus den Häusern – und dürfen erst recht nicht rein, wenn ohnehin eine neue Heizung installiert wird. Erneuerbare Alternativen wie die Wärmepumpe müssen her.
Wer Heizungen einbauen kann, ist also gefragt – das sind Anlagenmechaniker:innen für Heizungs-, Sanitär und Klimatechnik. Die Wärmewende, also die Energiewende beim Heizen, steht vor einigen Hemmnissen. Beispielsweise sind Wärmepumpen teurer als Gaskessel und nicht für alle Gebäude geeignet. Aber das Handwerk kommt auch beim Einbauen kaum hinterher, benötigt also dringend Nachwuchs.
Anlagenmechaniker:in ist ein Ausbildungsberuf. Dreieinhalb Jahre lernt man, wie man Wasserrohre verlegt, Toiletten installiert und Heizungen einrichtet und wartet. Bohren, schrauben und schweißen sind für die Azubis bald keine Fremdwörter mehr, genauso wie der Kontakt mit Kund:innen. Wie man an der aktuellen Lage sieht, ist es mit dem Abschluss aber nicht getan: Anlagenmechaniker:innen müssen sich auch nach der Ausbildung in neue Technologien einarbeiten.
Wer seinen eigenen Betrieb starten möchte, muss noch den Meisterbrief machen. Das erfordert zunächst einige Berufserfahrung und dann einen mehrjährigen Lehrgang, der mit theoretischen sowie praktischen Prüfungen abschließt.
Außerdem gibt es Weiterbildungen wie die zur Fachkraft für Solartechnik. Manche Anlagenmechaniker:innen schließen auch noch ein Studium der Versorgungstechnik an, sofern sie (Fach-)Abitur oder Meister:in haben. Also, Zeit zum Einheizen!
Stadtplaner/in
Mehr als drei Viertel der Deutschen leben in Städten. Wie diese gestaltet sind, betrifft also viele Menschen. Momentan sind die meisten Kommunen nicht fit für die Klimakrise, und zwar in vielerlei Hinsicht. Beispielsweise sind viele Verkehrssysteme stark am Bedarf von Autos ausgerichtet, was Energiewende und Energiesparen im Verkehrswesen erschwert. Aber es geht auch um Anpassung: Städte sind von manchen Folgen der Klimakrise besonders betroffen, zum Beispiel von der Hitze. Die staut sich besonders in großen Metropolen durch den vielen Beton und Asphalt, sodass es immer ein paar Grad wärmer ist als im Umland. Das ist gefährlich. Hitze ist in Deutschland jetzt schon das bei Weitem tödlichste Extremwetter. Vom Hitzeschlag über Nierenversagen bis zu Thrombosen begünstigen extrem hohe Temperaturen alle möglichen Krankheiten, die im schlimmsten Fall zum Tod führen können.
Das gilt es also möglichst zu verhindern – eine der Herausforderungen für Stadtplaner:innen. Die arbeiten zum Beispiel in Behörden oder auch selbstständig oder angestellt in Planungsbüros. Wege zum Job gibt es einige. Manche Hochschulen und Universitäten bieten direkt Studiengänge für Stadtplanung oder Städtebau, Raum- und Regionalplanung an. Zur Eintragung in die Stadtplaner:innenlisten der Architektenkammern ist ein Master- oder Diplomabschluss in solch einem einschlägigen Studiengang nötig – dann darf man sich offiziell Stadtplaner:in nennen.
Um den Titel zu halten, muss man immer wieder nachweisen, dass man sich fachgerecht fortbildet. Es gibt aber auch verwandte Disziplinen, die an Schnittstellen arbeiten. Beispielsweise können sich auch Architekt:innen, Soziolog:innen und Jurist:innen mit der Entwicklung und Planung von Städten befassen.
Nachhaltigkeitsmanager/in
Es gibt Branchen, die haben ganz unmittelbar mit der Energiewende und damit mit Klimaschutz zu tun – aber auch der Rest der Wirtschaft muss klimaneutral werden. Jedes einzelne Unternehmen muss seine Emissionen lieber früher als später auf null bringen und nebenbei bemerkt auch andere Umweltschäden vermeiden. Gleichzeitig soll das im Einklang mit sozialen und ökonomischen Zielen stehen. Dafür beschäftigen besonders die großen Unternehmen gern eine eigene Person: die Nachhaltigkeitsmanagerin. Manchmal gibt es eine ganze Abteilung. Oder es wird ein externes Beratungsunternehmen mit der Aufgabe betraut.
Wie die Arbeit im Einzelfall aussieht, hängt von der Branche und deren Herausforderungen ab. Oft sind Nachhaltigkeits-Manager:innen generalistisch unterwegs, arbeiten von der Produktentwicklung über den Rohstoffeinkauf, die Finanzbuchhaltung bis zur Öffentlichkeitsarbeit mit allen Abteilungen zusammen. Ziel ist, dass sowohl Produkte als auch die internen Abläufe nachhaltig werden.
Ein geschützter Beruf ist der Nachhaltigkeitsmanager nicht. Das heißt: Es gibt keine Berufskammer, die einen bestimmten (Aus-)Bildungsweg vorschreibt. In manchen Unternehmen und Behörden wird es eventuell auch einen Posten mit ähnlichen Aufgaben geben, der ganz anders heißt. Typische Fachrichtungen für solche Tätigkeiten sind die Energie- und Verfahrenstechnik, die Umwelt- oder Nachhaltigkeitswissenschaften. Die Leuphana-Universität Lüneburg bietet sogar direkt einen MBA-Studiengang zum Nachhaltigkeitsmanagement an. Ansonsten gibt es auch Lehrgänge und Schulungen, die mit Nachhaltigkeitsmanagement überschrieben sind und umweltwissenschaftliche, betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse vermitteln. Auch ein Quereinstieg ist aber theoretisch möglich.
Brunnenbauer/in
Wasser ist praktisch die wichtigste natürliche Ressource der Menschheit, noch vor Gold oder Eisen, Öl oder Gas. Aus alldem kann man zwar Energie gewinnen oder Produkte schmieden – aber ohne zu trinken, überlebt kein Mensch. Mal ganz abgesehen davon, dass auch die Industrie Unmengen von Wasser verbraucht. Gerade erst haben die Vereinten Nationen in einem Bericht erneut gewarnt: Weil die Erderhitzung Wasser verdunsten und damit knapper werden lässt, sind wir immer mehr auf das Grundwasser angewiesen.
Da kommen die Brunnenbauer:innen ins Spiel. Sie führen Bohrungen durch, um neue unterirdische Wasserquellen zugänglich zu machen, und legen Brunnen an. Das bedeutet: eine Menge bohren, Schächte anlegen, Pumpen aufbauen – und dabei die Sicherheit auf der Baustelle sowie Umweltschutz und Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren.
Letzteres wird in der Ausbildung immer wichtiger. Daneben lernt man in der Berufsschule alles Wichtige über die verschiedenen Boden- und Gesteinstypen sowie über Baupläne und die technischen Grundlagen. Parallel wird das Wissen gleich in die Praxis umgesetzt, von Anfang an verbringen Auszubildende Zeit auf der Baustelle und packen mit an bei den schweren Bohrmaschinen. Die machen die Arbeit zwar leichter als zu Zeiten, in denen man sich per Hand bis zum Grundwasser durcharbeiten musste – körperlich anstrengend ist der Job dennoch.
Für einen eigenen Betrieb müssen auch Brunnenbauer:innen Meister:in werden. Wen die Selbstständigkeit nicht lockt, der kann beispielsweise auch in Bauämtern unterkommen, also die Verwaltung voranbringen. Oder ein Studium beispielsweise der Ingenieurswissenschaften anschließen – auch ohne Abitur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen