Jetzt doch bei Spotify: „Die Ärzte“ geben nach
Nun kann man doch Songs der Punkband bei Spotify anhören. Damit endet ein langer, trotziger Widerstand gegen Streamingdienste.
„Wenn ich jemandem etwas schenken möchte, dann mache ich das persönlich“, hat Farin Urlaub geantwortet, auf die Frage, warum die Songs seiner Band „Die Ärzte“ nicht auf Spotify sind. Etwas mehr als drei Jahre ist es her, dass dieser Satz gefallen ist, in einem Interview mit der Westfälischen Zeitung.
Es ist ein Satz, ohne den kaum ein Artikel auskommt, der nun berichtet, dass nun auch dieser Widerstand gebrochen ist: seit heute gibt es „Die Ärzte“ eben doch bei Spotify. Vom ersten Album (1984) bis zum jüngsten (2002). Und nicht nur hier: auch bei den Streaming-Diensten Deezer und Apple Music sind ihre Songs jetzt verfügbar.
Weswegen auf Twitter nun fröhlich herumgekräht wird, wie wundervoll es ist, Songs wie „Zu spät“ und „Westerland“ und „Schrei nach Liebe“ wiederzuentdecken, wie garstig es ist, dass Index-Lieder wie „Geschwisterliebe“ nicht zu finden sind und natürlich: „endlich im 21. Jahrhundert angekommen“.
Klassischer Fan-Schnack ist das, wenig berichtenswert. Wären die Ärzte nicht eine der letzten großen deutschen Bands gewesen, die noch Widerstand gegen das Musikstreaming-Wesen geleistet hatten. Eine Art gallisches Dorf, das herumbockte, als all die Toten Hosen und Grönemeyers schon längst klein bei gegeben hatten und sich eben doch still und leise in den Katalog von Spotify hatten einspeisen lassen. Ergo erzählt Farin Urlaub in eben jenem Interview von 2015 auch, wie Spotify sich ungefragt bei ihren Songs bediente, bis Anwälte der Ärzte sie zurückpfiffen. Und das damals 200.000 Abrufe gerade einmal 16 Cent eingebracht hätten.
Musik als Hintergrundgeräusch
Ein Statement auf der offiziellen Seite der Band betont den Hang der Band zu „Schönheit und Haptik“, weswegen es CDs, Vinyl und „heiße und sehr laute Konzerte“ natürlich trotzdem weiter geben werde.
Nun ist das alles richtig: Streamingdienste bieten Musik in komprimierten Formaten an – da gibt es natürlich Einbußen in der Tonqualität. Die umso gravierender werden, wenn man Songs dann auch noch frecherweise in der kreischenden U-Bahn hört, neben der Baustelle oder um Menschenlärm zu übertünchen. Nur ist das eben die Art und Weise, wie sehr viele Menschen diese Musik in ihr Leben einbauen möchten. Weil die Qualitätseinbuße den Zugewinn an Freiheit nicht aufwiegen.
Was auch stimmt: Spotify macht Musiker nicht reich. Viele Musiker beklagen, wie wenig bei ihnen ankommt. Manche legen sogar en detail offen, welche Summe sie für wie viele Abrufe bekommen haben. Es kursieren verschiedene Zahlen, wie viel Geld unter welchen Umständen pro Streaming-Abruf eines Songs an den Künstler fließen – meist sind es irgendwas zwischen 0,3 und 0,9 Cent.
Spotify selbst bestätigt das nicht. Verträge habe man mit den Rechteinhabern, Musiklabel also, oder mit der Gema. An sie flössen auch etwa 70 Prozent der Einnahmen, die Spotify erzielt. Wie viel davon an die Künstler ausgeschüttet wird, machen sie mit ihren Labels aus. Nicht mit Spotify. Der Sprecher erklärt weiter: wie viel an Rechteinhaber ausgeschüttet werde, variiere – abhängig davon, wie häufig die Songs einer Band im Verhältnis zum Gesamtvolumen aller Streams gehört wurden. Wie hoch die Werbeeinnahmen in einem Monat waren. Und ob die Songs von zahlenden oder nichtzahlenden Spotify-Nutzern gehört wurden.
Kein Extra-Deal mit den Ärzten
Da die Ärzte seit 1998 alle ihre Platten beim eigenen Label „Hot Action Records“ herausbringen, dürften sie demnach vergleichsweise gut wegkommen. Denn, das betont der Spotify-Sprecher gegenüber der taz: einen besonderen Deal hat es mit den Ärzten nicht gegeben – sie werden nach den gleichen Prinzipien vergütet wie andere Bands auf Spotify auch.
Heisst: die Ärzte werden nicht verhungern, nur weil ihre Songs bei Spotify sind.
Weil sie dort immer noch besser gestellt sind als aufmerksamkeitsschwächere Musiker, die sich mit den Streaming-Einnahmen zufrieden geben müssen, die ihre Labels ihnen zugestehen.
Weil sie Fans haben, die ihnen treu ergeben sind, die zu ihren Rock am Ring und Park-Konzerten kommen werden und von denen einige wahrscheinlich auch die 330 Euro teure Gesamtwerkausgabe „Seitenhirsch“ kaufen werden, die zufällig zeitgleich zum Spotify-Start erscheinen wird.
Streaming-Plattformen – und allen voran Spotify – haben in den vergangenen zehn Jahren umgekrempelt, wie Musik gehört wird; wo; wie sie gefunden wird; und wie die, die sie machen, vergütet werden.
Einst gebar das Internet den Traum, dass das Internet alles einfacher machen werde, zwischen Künstler und Fan: keine fiesen Plattenlabel mehr dazwischen, die sich Gewinnmargen rausschneiden, statt dessen direkte Unterstützung. Heute ist klar: es sind nicht weniger, sondern mehr Mittelsmänner und -frauen geworden, die mitverdienen: Streamingplattformen, Labels, sogar Crowdfunding-Seiten, wo die Künstler sich das Geld für die nächste Platte von den Fans zusammenstoppeln lassen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Das zwingt alle zur offensiven Selbstvermarktung und manche kleine bis mittelständische Musiker unter Umständen ins Prekäre. Auf der anderen Seiten haben heute mehr Musiker denn je die Chance, sich im Netz zu präsentieren – wesentlich mehr jedenfalls, als es waren, als man es noch durch den Flaschenhals von Labels drücken musste, um auf CD gepresst zu werden.
Überhaupt, CD, das gab's ja auch noch. Damals. Vor Spotify. Haben all die Menschen, die die Ärzte jetzt streamen bestimmt auch noch irgendwo rumfliegen.
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