Jennifer Morgan und was sonst gut lief: Solidarisches Versaften
Die guten Nachrichten der Woche: Das Klima kriegt eine Lobbyistin, Döpfner enteignet Springer – und den Bundespräsidenten wählt bald jeder Dritte.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: 1.472 Mitglieder in der Bundesversammlung.
Und was wird besser in dieser?
Wenn der Kölner Rosenmontagszug im Stadion stattfindet, sollte das die nächste Bundespräsidentenwahl auch schaffen.
Nach aktuellem Stand kommt Mitte März die Impfpflicht in Kliniken und Pflege. Vergrault man damit nicht Pfleger:innen, die trotz schlechter Bezahlung und Überbelastung noch dageblieben sind?
Das Bundesverfassungsgericht setzt vorläufig das Infektionsrisiko der zu Pflegenden höher an als das Impfrisiko der Pflegenden. Nach der „Kroko“-Befragung des RKI sind im November von rund 16.000 Teilnehmenden 4 Prozent unvollständig und 4 Prozent gar nicht geimpft. Denen lässt das Gericht noch etwas Zeit, weil es in der Hauptsache noch gar nicht entschieden hat. In der Branche arbeiten zu 75 Prozent Frauen, ihre Unterbezahlung ist allgemein unbestritten. Man täte sich leichter, eine Impfpflicht zu unterstützen, wenn es etwa um privilegierte Beamtinnen ginge, die dafür auch besondere Pflichten hätten. Man täte sich auch leichter, wenn die Bayerische Landesregierung sich nicht aufführte wie Meister Söder und sein Impfmuckel.
Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan soll die internationale Klimapolitik der Bundesregierung als Sonderbeauftragte unterstützen. Damit wechselt eine Aktivistin die Seiten. Bleibt sie ihren Idealen in der neuen Position treu oder korrumpiert Macht zwangsläufig?
Morgan ergrünte durch die Lektüre eines Buches von Petra Kelly, schrieb Reden für Umweltministerin Merkel und beriet die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Da können wir doch froh sein, dass sie unter Trump nicht Asyl beantragen musste hier. Ihre Ideale dürften einige Realitäts-Crashtests hinter sich haben. Nun kommen FDP und Union, die zwischen kommerziellem und ideellem Lobbyismus nicht unterscheiden mögen. Dann wird’s ja Zeit!
Altkanzler Gerhard Schröder setzt sich vielleicht vehementer für gute Beziehungen zu Russland ein als Jennifer Morgan fürs Klima. Sollte er also nicht konsequenterweise zum Sonderbeauftragten für die deutsch-russischen Beziehungen ernannt werden?
Wo sind eigentlich diese früher gern gebuchten Talkmöbel mit Russland-Kenne? Thomas Roth durfte 2019 was mit „gegenseitiger Abhängigkeit“ sagen, Fritz Pleitgen im WDR-Radio vorsprechen, Gabriele Krone-Schmalz las man im Weltblatt Passauer Neue Presse zuletzt. Matthias Platzeck wird im Spiegel bereits zur Begrüßung als „Chef-Russen-Versteher“ wegsortiert. Horst Teltschik spricht bei der Deutschen Welle ins Nichts. Schröder dagegen ist überpräsent und günstiger als die Produktionskosten von RT Deutsch. Der Altkanzler ist eine kommunizierende Röhre. Wer Putin eins auswischen will, lädt jemand anderes ein.
Apropos: Die Deutsche Welle macht zurzeit Schlagzeilen. Sendeverbot in Russland und nun droht auch die Türkei mit der Abschaltung des Senders. Was kommt als Nächstes?
RT DE wurde von der deutschen „Kommission für Zulassung und Aufsicht“ untersagt, weil es keine Lizenz in Deutschland hat. Die Türkei legt an die Welle den gleichen Maßstab an, der staatsfinanzierte Auslandssender ist in der Türkei nicht lizensiert. Es war schon leichter, sich aufzuregen. Putin notiert ein Fleißkärtchen für Erdoğan.
Bis zu 14 neue Atomreaktoren will Frankreich bauen, hat Präsident Macron angekündigt. In Deutschland sollen die letzten drei bis Ende 2022 abgeschaltet werden. Ist Deutschland zu blöd oder Frankreich zu geschichtsvergessen?
Ach immer diese Gräben! Wenn die französischen Meiler hochgehen, versaften wir doch mit. Solidarität!
Causa Axel Springer: Recherchen der Financial Times haben gezeigt, dass Sie, Herr Küppersbusch, vom Springer-Vorstand als Teil einer Verschwörung betrachtetet wurden. Wie sieht diese Verschwörung aus und dürfen wir auch mitmachen?
Matthias Döpfner ist gelungen, wovon wir alle geträumt haben: enteignet Springer. Nun lenkt er die Öffentlichkeit ab mit der Fahndung nach u. a. „zwei Satirikern“. Ich tippe auf Heinrich Böll, kann aber auch Christian Wulff sein. Da erklärte Strategie Springers ist, von Machtmissbrauch abzulenken, endet die Antwort hier.
Und was machen die Borussen?
Kaum ist Bayerns Süle vom BVB verpflichtet, spielt er schlecht und holt sich eine Klatsche in Bochum ab. Sollte Freiburgs Schlotterbeck demnächst schwächeln, sehe ich ihn im Sommer beim BVB.
Fragen: Anna Meyer-Oldenburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin