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Jair Bolsonaro und die Deutsche BankMenschenrechte? Regenwald? Knete!

Brasiliens neuer Präsident strebt einen faschistischen Staat an. Zugleich gilt er als Traummann der Märkte, weil die sich nur für Bilanzen interessieren.

13 Prozent von Brasilien ist als Land Indigener anerkannt. Deren Rechte will Bolsonaro beschneiden Foto: dpa

Angenommen, der neue Präsident Brasiliens wäre Jabba the Hutt. Also nicht Jair Bolsonaro, jener rechtsextreme, Folter befürwortende und Faschisten bewundernde Ex-Militär, der sagt: „Ich bin homophob und sage das mit Stolz.“ Stattdessen hätte also ein froschähnliches Riesenreptil vom Planeten Tatooine die Stichwahl am Sonntag gewonnen.

Was würden wohl die Märkte dazu sagen?

Eigentlich ist das, was gerade in Brasilien passiert, zu tragisch für ein solch albernes Gedankenspiel. „Es wird eine in Brasilien niemals gesehene Säuberung geben“, kündigte Bolsonaro im Oktober an. Homosexuelle und Oppositionelle müssen um ihre Freiheit, vielleicht sogar um ihr Leben fürchten.

Führen wir das Jabba-the-Hutt-Gedankenspiel trotzdem mal zu Ende. Schließlich gilt der rechtsradikale neue Präsident als „Wunschkandidat der Märkte“, so schrieb zum Beispiel die Deutsche Bank. Da stellt sich schon die Frage, ob man Märkte, die sich einen faschistischen Drecksack als Präsident wünschen, nicht mit einem Todesstern vom Orbit aus pulverisieren sollte.

Wichtig ist die wirtschaftspolitische Agenda

Einiges spricht dafür, dass the Hutt sowohl deutlich intelligenter als auch um einiges hässlicher als Bolsonaro ist. Aber Märkte orientieren sich nicht an derartigen Attributen. „Die Kapitalmärkte konzentrieren sich auf die wirtschaftspolitische Agenda seines Beraters Paulo Guedes“, erläutert die Deutsche Bank am Dienstag. Und weil sie zuvor für ihren Wunschkandidaten-Tweet auf Twitter gar sehr viel Anfeindungen einstecken musste, schiebt sie noch vorneweg, Bolsonaros „gesellschaftspolitischen Überzeugungen sind besorgniserregend“.

Es ist davon auszugehen, dass Jabba the Hutt ebenso das Wohlwollen der Märkte erwecken würde, solange nur die wirtschaftspolitische Agenda seines Beraters stimmt. In dem Fall könnte auch eine sabbernde Kröte, ein sprechender Bernhardiner oder Jack the Ripper Präsident werden. Hauptsache, ein Typ wie Paulo Guedes kümmert sich um die fiskalische Bilanz.

Schlagworte wie Deregulierung garantieren Vorschuss-lorbeeren

Guedes hat an der University of Chicago bei Milton Friedman studiert, einem der bekanntesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und Begründer des Monetarismus. Der besagt in Kürze, dass der Staat sich maximal aus der Wirtschaft herauszuhalten und lediglich für Preisstabilität zu sorgen habe.

Nun ein kleiner Ausflug in die Ödnis ökonomischer Fakten:

- Tatsächlich hat Brasilien große ökonomische Probleme. Die Wirtschaft ist ein korrupter Selbstbedienungsladen. Die Staatsschulden sind seit 2012 von 62 auf 84 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen.

- Die OECD meckert, das Land gebe sehr viel Geld für Renten und sein Sozialsystem aus. Die Banken sind überschuldet, und weil die US-Notenbank ihre Zinsen anhebt, kann man in den USA wieder mehr Rendite erwirtschaften, weshalb Investoren ihr Geld aus Ländern wie Brasilien eher abziehen.

- 2015 und 2016 schrumpfte die Wirtschaft, in diesem Jahr wächst sie um 1 Prozent, weniger als in Deutschland.

- Der Internationale Währungsfonds – als Fackelträger der Idee, dass Märkten Menschenrechte und demokratische Grundwerte egal sein können – schrieb Anfang Oktober: „Im Falle von Brasilien: Jede Wahl bietet auch die Chance, ambitio­nierte Reformen anzugehen.“

Darum geht es:

- Guedes will so viele Unternehmen wie möglich privatisieren, etwa in der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasserversorger.

- Außerdem verspricht er, die Ausgaben für Renten zusammenzustreichen.

- Hinzu kommt, dass Bolsonaro die Rechte von Indigenen beschneiden will. 13 Prozent des Staatsgebietes ist als Land Indigener anerkannt, meist Regenwald, der kaum abgeholzt wird. Dort sollen künftig Bergbaukonzerne ihr Unwesen treiben dürfen sowie Konzerne, die für den Export nach China und Europa mit Glyphosat gespritztes Gensoja anbauen. Dann wird bei uns das Tierfutter billiger und damit die Bratwurst der übernächsten Saison. Drum steigen gerade die Kurse von Bergbau- und Agrarunternehmen.

In dieser eisigen Welt der Märkte ist es komplett egal, wer wie herrscht. Diese Erkenntnis ist beileibe nicht neu, schließlich ist die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der letzten Jahre China, eine Ein-Parteien-Diktatur. Märkte brauchen keine Demokratie, sie honorieren auch Faschisten. Es ist ein banales, mechanisches System.

Die Kurse würden eben auch steigen, wenn ein neoliberaler Jabba the Hutt an die Macht käme. Einfach, weil alle wissen, wie die psychologischen Effekte der Märkte funktionieren: Wer gewisse Schlagworte in den Mund nimmt – Deregulierung, Rentenkürzung, garniert mit weniger Öko-Regulierung –, bekommt Vorschusslorbeeren. Ob ein Land langfristig ruiniert wird, wenn ein Präsident mit Unterdrückung droht, ist egal.

Lässt sich das durchbrechen? Eigentlich schon.

Ein Beispiel: Die EU ist ein großer Kunde brasilianischer Agrarprodukte. Egal, welcher Präsident dort herrscht: In Europas Ställen wird Gensoja und damit im Prinzip Regenwald verfüttert.

Es wäre ein Leichtes, in der EU eine Pflicht einzuführen, dass auf jeder Wurstpackung stehen muss, woher das Futter kommt. „TIER GEFÜTTERT MIT GEN-SOJA AUS BRASILIEN“. Würden Sie in die Wurst beißen? Vermutlich nicht. Brasilien müsste ökologischer wirtschaften. Die Märkte würden negativ reagieren, wenn ein Präsident ökologische Standards senkt.

Allerdings wird es solche Warnungen auf der Wurst nicht ­geben, wenn nicht Bilder entstehen, die auf das Problem aufmerksam machen.

Vielleicht sollten Aktivist*innen als Nächstes nicht RWE blockieren, sondern sich am Hamburger Hafen an die Kräne ketten, wenn die genetisch veränderte Futtermittel ausladen.

Kann sein, dass die Brasilianer solche Unterstützung nicht nur aus ökologischen Gründen brauchen. „Ich fürchte um mein Leben“, sagte Dinamam Tuxá, Sprecherin der Vereinigung Brasiliens Indigener, in einem Interview mit Climate Home News im Hinblick auf die Wahl von Bolsonaro.

Die Märkte werden sie nicht schützen.

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9 Kommentare

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  • “… als Fackelträger der Idee, dass Märkten Menschenrechte und demokratische Grundwerte egal sein können … ”

    Das ist eine total irreführende gedankliche Abzweigung. Das was man als Märkte bezeichnet funktioniert in jedem System, ob es nun ein demokratisches, ein faschistisches oder ein kommunistisches ist. Die Märkte sind eine Ausprägung des menschlichen Wesens. Selbst in der UdSSR wurde ein gewisses Maß an Handel gedulet, weil sonst garnichts funktioniert hätte.



    Es gibt keine Verbindung zwischen dem Mechanismus den wir Kapitalismus nennen und Menschenrechten und es ist Idiotie sie miteinander zu verknüpfen. Das ist so wie wenn man seine Kleidung entsprechend der politischen Stimmung und nicht nach dem Wetter auswählt und sich dann darüber beschwert das man bei 30 Grad im Schatten, im Wintermantel, schwitzt.

    Die Politik ist dazu da um sich um Menschenrechte, Ökologie, Sozialstaat,…. Zu kümmern. Sie kann der Wirtschaft grenzen setzen und ihr damit schaden. Ist dann halt die Frage was den Menschen wichtiger ist.



    Meiner Erfahrung nach reden Menschen vor allem gerne über Ökologie, Umverteilung,... handeln dann aber leider fast nie entsprechend. Ökostrom bezahlen oder Spenden an Menschen in Armut? Tun die meisten nicht. Obwohl Ökostrom pro Peron, pro Monat nur ~20€ mehr Kostet und obwohl der deutsche Durchschnittsverdiener international zum 1% zählt. Viele würden erwiedern: Ja aber der Staat solls richten! Und was damit gemeint ist ist: Ich will das sich was ändert aber mehr zahlen will ich nicht und reich sind auch immer nur diejenigen die deutlich mehr haben als ich!

    Und vor allem: Warum wurde der Heini eigentlich gewählt? Da war doch gut 14 Jahre eine linke Partei an der Macht, wie kann es sein das die Menschen diese nicht mehr wollen?

    • @Januß:

      Staatliche Regulierung „schadet nicht der Wirtschaft“, sondern setzt, im besten Fall, den Hauptprofiteuren Grenzen, verhindert Monopol- und Kartellbildung (und senkt die immensen, wenngleich oft kaum kalkulierbaren Folgekosten der Umweltzerstörung), nützt dadurch der Mehrheit der Marktteilnehmer, steigert so den allgemeinen Wohlstand wie auch die Nachfrage nach Konsumgütern und ist damit, summa summarum, für eine prosperierende Volkswirtschaft unerlässlich. Wissen Sie doch eh.

      Die Verantwortung für das Wohl und Wehe der Welt staatlicherseits ans Individuum zu delegieren, kommt einer moralischen Bankrotterklärung des Gemeinwesens gleich. Kann man ideologisch bewerten wie man eben tickt, klar sollte aber sein, dass das eine Kapitulation vor den gigantischen ökologischen und damit verbundenen sozialen Katastrophen der nahen Zukunft bedeuten würde. Denn der Verbraucher, resp. Produzent, wird das Ruder nicht selbsttätig herumreißen, mag man auch noch so dringlich an seine Verantwortung appellieren. Bei uns schon nicht, und bei Milliarden aufstrebenden Chinesen, Indern usw. gleich gar nicht. Absurderweise kommen solche Forderungen ja regelmäßig aus der selben politischen Ecke wie das Geschrei gegen ebendiese moralische Verantwortung. In der Summe also das perfekte Weltuntergangsprogramm, mit dem hohen Lied der Freiheit als Soundtrack.

      • @Ruhig Blut:

        Klar gibt es Regulierungen die auch für die Wirschaft gut sind. Das ist so selbsterklärend das ich es nicht erwähnt habe, doch die meisten Regulierungen sind eben nicht von dieser Art. Die meisten Regulierungen sind für KMU hart zu wuppen, für Konzerne aber kein Problem. Die haben eigene Rechtsabteilungen, die sich zentralisiert um solche Vorgaben kümmern und Programmierer, welche diese dann automatisieren, soweit das geht.



        Ich habe eine ganze Zeit nebenbei als Freiberufler in der Programmierung gearbeitet und der Großteil meiner Aufträge bestand eben darin die Erfüllung schwachsinniger Regulatorien für KMU zu automatisieren. Da mussten milimetergenau bestimmte Informationen auf jede Palette mit Kartoffeln geklebt werden, die vorher niemanden interessierten. Da mussten Heizkessel im Nachhinein mit Energieffizienz-Informationen versehen werden (und alle Kataloge neu gedruckt werden) die kaum ein Händler überhaupt hatte, da musste jedes Bild auf dem irgendwo Tabbak oder Zigaretten zu sehen waren mit Warnhinweisen versehen werden,... kann man sich garnicht vorstellen was das für ein Unsinn war teilweise. Viel kam aus der Kategorie gut gemeint aber keine Ahnung von der Materie.

        Nun zugegeben ich meine das mit der persönlichen Verantwortung auch nicht wirklich ernst, doch die Heuchelei der Menschen, die stets mit erhobenem Finger durchs Leben gehen ist mir einfach unerträglich. Übers 1% Jammern, international selber dazu gehören aber sich genau so verhalten, wie die Menschen, gegen die man demonstriert, sprich nichts abgeben wollen. Selbst ich als guter Kapitalist habe Öko Strom und eine Patenschaft für zwei Kinder in Afrika, viele Menschen in meinem Umfeld reden sehr gerne über diese Themen aber sparen dann doch lieber für den zweiten oder dritten Urlaub im Jahr aber wählen die Grünen. Und in den Urlaub wird natürlich geflogen!!!

        • @Januß:

          Bin ich weitgehend d’accord.

  • So sieht‘s aus, sehr übel. Und danke an den Autor für die Anregungen.

    Mit Abstand am schlimmsten ist tatsächlich die Sache mit den Schutzgebieten und den Indigenen, weil praktisch irreversibel. Es hat sich unter Temer ja schon angebahnt, und jetzt könnte es erst richtig losgehen. Hier ist der Gedanke mit dem Todesstern schon bestechend.

    Äußerer Druck, der tatsächlich etwas bewirkt, kann derzeit wohl nur von der EU kommen. Andere mögliche Akteure fallen aus, denke ich. Und innerer Druck, von der Bevölkerung, könnte dann kommen, wenn er bei Sicherheit und Ordnung versagt, denn dafür wurde er gewählt. Gegen die Machtkartelle in Politik und Wirtschaft und für soziale Verbesserungen wird er ohnehin nichts unternehmen, im Gegenteil, und allzu viele dürften das auch nicht erwarten. Können wir nur auf ein grandioses Versagen und überdies einen gigantischen Korruptionssumpf hoffen, sodass sich die Stimmung bald wieder wendet.

    • @Ruhig Blut:

      Die Brasilianer sollen für ihre Wahl mit Not und Elend bestraft werden? Mahlzeit.

      • @Wurstprofessor:

        Ach was. Not und Elend sind doch der Normalzustand für große Bevölkerungsteile, und der Neue wird da nix verbessern. Offenbar ist die Mehrheit so abgegessen, dass sie darauf eh nicht mehr baut. Nachvollziehbarerweise.



        Allenfalls wird er ein law&order-Regime errichten, damit die Kriminalität senken, ok, aber zugleich eine Menge mehr Elend schaffen. Und und v. a. sich dadurch insoweit legitimieren, dass er und seine Clique nicht bald wieder abgesägt werden. Und das ist den Brasilianern wirklich nicht zu wünschen.

  • "Da stellt sich schon die Frage, ob man Märkte, die sich einen faschistischen Drecksack als Präsident wünschen..."

    Da stellt sich auch die Frage, wie es sein könnte, dass die TAZ jahrelang ein Fangirl von Bolsonaro, die antikubanische Konterrevolutionärin "Yoani Sanchez", hoffiert hat.

    Ist es nicht an der Zeit, dass ihr euch beim kubanischen Volk und seiner rechtmäßigen Regierung entschuldigt?

    www.jungewelt.de/a...-und-der-nazi.html

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Ninetto:

      Ich unterstütze diesen Antrag !!