piwik no script img

Jahrhundert-Hochwasser an der OstseeDas Aufräumen nach der Flut beginnt

An der Ostsee hat ein Hochwasser mit Rekordwerten Millionenschäden verursacht. Zum letzten Mal gab es ähnlich hohe Wasserstände 1904.

Kennt man sonst nur von der Nordsee: überschwemmter Bootshafen an der Schlei Foto: Frank Molter/dpa

Rendsburg taz | Nach der Jahrhundertflut an der Ostsee beginnt das Aufräumen: Die betroffenen Regionen melden Schäden in Millionenhöhe. Betroffen sind Privatleute ebenso wie die öffentliche Infrastruktur. Straßen wurden überschwemmt, mehrere Deiche sind nach der Flut in besorgniserregendem Zustand. Auch die Nordsee war von dem Sturm betroffen. Eine Frau auf Fehmarn starb in ihrem Auto, das von einem Baum getroffen wurde.

Auf 2,27 Meter über dem Normalmaß stiegen die Wasserstände in Flensburg – ein Rekordwert, den es so ähnlich zuletzt 1904 gab. Auch in Eckernförde wurde der Pegel von zwei Metern überschritten. Am Ostseefjord Schlei und in Lübeck drang das Wasser in Häuser und Straßen ein.

Bei Arnis, mit 300 Ein­woh­ne­r*in­nen die kleinste Stadt Deutschlands, brachen zwei Deiche, in mehreren Orten musste evakuiert werden. Der Kieler Sporthafen Schilksee gleiche einem Schiffsfriedhof, teilt die Stadtverwaltung mit. An der Nordseeküste drückte der Wind dagegen das Wasser weg. Wegen des extremen Niedrigwassers fielen zahlreiche Fähren aus.

Die Landesregierung verspricht rasche Hilfen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte aber auch, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Land sei. Der Flensburger Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) verwies auf die Solidaritäts- und Soforthilfereserve der Europäischen Union.

Große Katastrophe 1872

Sturmfluten sind an der Ostsee mit ihrem geringen Tidenhub seltener als an der Nordsee, kommen aber durchaus vor: 1872 starben bei einer solchen Flut mindestens 271 Menschen an der deutschen und dänischen Küste, stand in der taz. Zum Jubiläum im vergangenen Jahr gab es dazu eine Ausstellung im Museum für Regionalgeschichte Pönitz.

Dennoch sehen Wis­sen­schaf­le­r*in­nen auch hinter solchen einzelnen Wetterphänomenen den Einfluss des Klimawandels. So hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Jahr 2021 eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Dauer von Wetterlagen befasst. „Allein in Europa sind bereits rund 70 Prozent der Landfläche von länger an einer Stelle verharrenden Wetterlagen betroffen“, sagt Peter Hoffmann, Erstautor der Studie.

Es lasse sich nachweisen, dass lang anhaltende Wetterlagen – wie in diesem Fall ein Hochdruckgebiet über Skandinavien, das viele Tage stabil blieb und damit für Wind aus einer Richtung sorgte – über dem Nordatlantik, Europa und Sibirien immer häufiger werden. „Sie begünstigen letztlich extreme Wetterereignisse“, so der Forscher.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Das Katastrophenmanagement in Schleswig-Holstein hat gut funktioniert. Mit solchen Lagen lebt man an der Küste.



    Der Sturm an der Ostsee hat erneut die Dringlichkeit der Bergung der verklappten Chemie ( Munition und chemische Kampfstoffe) gezeigt. Wieder wird Phospor am Strand liegen. Einmal 100 Million Euro für ein Pilotprojekt sind nur ein klitzekleiner Anfang, um die Hinterlassenschaften des kriegen zu entschärfen .

  • "Fehmarn: Erstes Todesopfer durch umstürzenden Baum

    Auf der Insel Fehmarn ist am Freitagnachmittag eine 33 Jahre alte Frau auf Kreisstraße zwischen Burg und Puttgarden ums Leben gekommen."

    Quelle: www.ndr.de/nachric...flutostsee114.html

  • "Auf 2,27 Meter über dem Normalmaß stiegen die Wasserstände in Flensburg – ein Rekordwert, den es so ähnlich zuletzt 1904 gab. Auch in Eckernförde wurde der Pegel von zwei Metern überschritten. Am Ostseefjord Schlei und in Lübeck drang das Wasser in Häuser und Straßen ein."

    --------------

    Dafür erreichten die Pegelstände in Warnemünde und Kiel keine beunruhigenden Werte. Normales "Mittelfeld" und weit entfernt von Extremwerten.

    Wir sprechen hier also von einem einzelnen örtlich begrenzten Rekordwert. Um es nochmal zu verdeutlichen : Der Sturm war nicht so "extrem", wie er hier dargestellt wird. An der Nordsee war es halt ein bissl windiger als sonst, und an der Ostsee hatte man moderat erhöhte Pegelstände.

    Also alles im Grunde wie immer, hier im Norden. Der Panikmodus kann wieder abgeschaltet werden.

  • "Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte aber auch, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Land sei. Der Flensburger Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) verwies auf die Solidaritäts- und Soforthilfereserve der Europäischen Union."

    In beiden Fällen bezahlen letztendlich die Opfer die Täter.

    Wie mit dieser nicht hinnehmbaren Ungerechtigkeit umzugehen ist, wird eine der großen juristischen Fragen dieses Jahrhunderts werden.

    Es ist ungefähr so, als wenn Polen nach dem 2. Weltkrieg den Wiederaufbau der BRD bezahlt hätte. Wer so etwas vorgeschlagen hätte, wäre für bekloppt erklärt worden.