Jahreswirtschaftsbericht: Keine weitere Rezession in diesem Jahr
Die Konjunktur könnte laut Jahreswirtschaftsbericht um 0,2 Prozent wachsen. Wirtschaftsminister Habeck sagte, es sei gelungen, eine Wirtschaftskrise abzuwehren.
Die Inflation geht laut dem am Mittwoch veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht in diesem Jahr zurück. Die Regierung rechnet mit einer Teuerung von 6,0 Prozent. 2022 waren die Verbraucherpreise im Jahresschnitt noch um 7,9 Prozent gestiegen. Habeck sagte, dass besonders bei den Energiepreisen mit einer Entlastung zu rechnen sei. Das liege an den gesunkenen Preisen auf dem Weltmarkt und dem derzeit guten Füllstand der Speicher sowie den Alternativen zu russischem Gas – etwa Flüssigerdgas.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundestag, die Bundesregierung habe die Wirtschaftskrise „abgepfiffen“. Einen „Wut-Herbst“, einen „Wut-Winter“ und ähnliche Dinge habe es nicht gegeben.
Die Unternehmen fassten wieder Vertrauen, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht weiter: Die Stimmung habe sich spürbar verbessert, Unternehmen investierten in moderne Anlagen und Maschinen. Die Ausrüstungsinvestitionen sollen laut Projektion der Regierung um 3,3 Prozent steigen, 2022 hatte der Anstieg bei 2,5 Prozent gelegen.
Mit Blick auf die wichtige Exportwirtschaft heißt es in dem Bericht, erwartet werde eine Erholung der Weltwirtschaft im Jahresverlauf. Die Exporte könnten demnach um 2,2 Prozent wachsen, die Importe um 1,6 Prozent.
Zum Arbeitsmarkt sagte Habeck, die Wirtschaft arbeite derzeit nicht unter Vollauslastung, es gebe 800.000 offene Stellen. Dabei müssten die Potenziale im Inland besser genutzt und die Qualifizierung der Menschen „auf höchstem Niveau“ fortgesetzt werden. Außerdem gehe es darum, den Zuzug aus dem Ausland zu stärken.
Die Regierung rechnet damit, dass sich der Beschäftigungsaufbau fortsetzt, und zwar um 160.000 Menschen. 2022 hatte die Erwerbstätigkeit mit 45,7 Millionen Menschen schon einen Höchststand erreicht. Die Arbeitslosenquote soll von 5,3 Prozent 2022 nur leicht auf 5,4 Prozent 2023 steigen.
2022 war die deutsche Wirtschaft um 1,9 Prozent gewachsen. Nach dem leichten Wachstum in diesem Jahr erwartet die Regierung für 2024 dann einen deutlicheren Anstieg des BIP um 1,8 Prozent.
„Insbesondere konsequentes staatliches Handeln hat die Krise beherrschbar gemacht“, heißt es im Bericht der Regierung weiter. „Schlimmste Szenarien“ infolge des Ukraine-Kriegs seien vermieden worden, sagte Habeck, etwa ein Wirtschaftseinbruch im zweistelligen Bereich. Die deutsche Wirtschaft habe sich anpassungs- und widerstandsfähig gezeigt. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher hätten durch große Energieeinsparungen ihren Beitrag geleistet, damit Deutschland gut durch den Winter kommt.
In diesem Jahr steht zur Sicherung der Energieversorgung der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Mittelpunkt, wie es weiter heißt. Der Staat werde zudem „gezielt“ in den Aufbau einer grünen Wirtschaft investieren. Industrie und Mittelstand will die Regierung etwa durch verbesserte steuerliche Abschreibungsregelungen zu Investitionen anreizen. Unnötige Bürokratie soll abgebaut werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte, die wirtschaftliche Erholung „nicht durch einen öffentlichen Sparkurs oder übertriebene Zinserhöhungen der Zentralbank abzuwürgen“. Angekündigte Investitions- und Fördermaßnahmen müssten „schnell kommen und dabei an soziale Kriterien gebunden sein“. Fördergelder sollten zudem nur an Unternehmen gehen, die tarifgebunden sind und Standorte hierzulande sichern.
Der WWF kritisierte, dass Klima und Natur „nur ein Randthema“ im Wirtschaftsbericht seien. Sie seien aber „das Fundament unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten“ und gehörten fest in den Bericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann