Jahresbericht der Bundeswehr: Alarmierende Defizite
Sowohl materiell als auch personell könnte die Bundeswehr laut der Wehrbeauftragten Eva Högl besser aufgestellt sein. Das zeigt sich besonders angesichts der Kriegssituation.
Da die Männer und Frauen in den Streitkräften im Ernstfall ihr Leben riskierten, hätten sie Anspruch auf bestmögliche und vollumfängliche Ausstattung. Berichte der Soldaten dazu machten sie „sehr bestürzt“, schrieb Högl. Wenn dies schon im Einsatz nicht gewährleistet sei, so überrasche es wenig, dass es im Grundbetrieb – also dem Dienst in Deutschland – nicht anders aussehe, so Högl. Es vergehe kein Truppenbesuch und kein Gespräch, bei dem ihr nicht von Mängeln berichtet werde.
Die Wehrbeauftragte des Bundestags hat außerdem dazu aufgerufen, die Bundeswehr nicht bei der Betreuung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland einzusetzen. Högl erklärte, dass zivile Kräfte die Versorgung der Menschen übernehmen müssten. Die Bundeswehr habe aktuell andere Aufgaben, sagte Högl mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Schon jetzt sei klar, dass 2022 ein Jahr werde, in dem die Bundeswehr bei ihrem Kernauftrag, der Landes- und Bündnisverteidigung, so gefordert sein werde wie noch nie.
Personelle Reserven der Truppen sind begrenzt
Neben der materiellen sei auch die personelle Ausstattung ein Thema, das die Truppe beschäftige, so Högl. Zwar ist die Bundeswehr mit 183.695 Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich ausreichend gut aufgestellt. Die vielfältigen Aufgaben und Aufträge und nicht zuletzt außergewöhnliche Einsätze, wie die umfangreiche Amtshilfe oder die Evakuierungsmission in Afghanistan, offenbarten jedoch, dass die personellen Reserven der Truppe begrenzt seien.
Högl begrüßte die zusätzliche Bereitstellung von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Regierung und Parlament müssten nun dafür sorgen, dass das Geld zügig bei der Truppe ankomme und als erstes in eine bessere Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten investiert werde.
Zum Umgang der Bundeswehr mit extremistischen Vorfällen äußerte sich Högl hingegen verhalten optimistisch. Dass die Zahl der Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus gegenüber den Vorjahren im Jahr 2021 erneut gestiegen ist, wertete die Wehrbeauftragte als Zeichen, dass die Bundeswehr für das Thema inzwischen stärker sensibilisiert sei. Högl zufolge wurden im vorigen Jahr 252 Verdachtsfälle bei Rechtsextremismus gemeldet, gegenüber insgesamt 229 Fällen im Jahr 2020. Das Thema Rechtsextremismus bleibe eine Herausforderung für die Truppe, sagte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland