J. D. Vance in Grönland: Der Besuch, der in die Kälte kam
Der US-Vizepräsident wirft Dänemark Versagen vor. Die neue grönländische Regierung will sich dem Druck der USA nicht beugen und demonstriert Einigkeit.

Es habe Grönland nicht ausreichend priorisiert, sagte er laut dem dänischen Rundfunk DR. Dänemark habe versagt, wenn es um Grönlands Sicherheit gehe. Länder wie Russland und China hätten Interessen in der Arktis. „Darum ist es wichtig, dass die USA die Führung in der Arktis übernehmen, sonst füllen andere Länder die Lücke“, so Vance weiter.
Das Land, um das es ihm geht, hatte da gerade seit ein paar Stunden eine neue Regierung, zweieinhalb Wochen nach der Parlamentswahl. In ihrem am Freitagmittag vorgestellten Koalitionsvertrag heiß es: „Es soll niemand daran zweifeln, dass Grönland uns gehört“. Das ist auf Bildern des DR zu sehen. Und weiter: „Wir entscheiden über unsere eigene Zukunft, wir wählen unsere Verbündeten selbst, und wir bestimmen das Tempo.“ Die Regierung beschäftigen auch andere Themen – aber keins drängt gerade so wie der unverändert ausgeübte Druck aus den USA.
Dieser Druck war es wohl auch, der die Parteien zu einer ungewöhnlich breiten Koalition veranlasste: Vier der fünf im Parlament vertretenen Parteien gehören dazu. Sie würden der Welt zeigen, dass sie als Volk zusammen hielten, unabhängig von sonstigen politischen Uneinigkeiten: Auch das steht in ihrem Vertrag.
Neuer Regierungschef wird Jens-Frederik Nielsen von der sozialliberalen Partei Demokraatit, dem großen Wahlsieger mit 30 Prozent. „In dieser Zeit stehen wir als Volk unter Druck“, sagte Nielsen laut DR am Freitag in Nuuk. „Wir müssen zusammenhalten. Gemeinsam sind wir am stärksten.“ Möglichst breit und geschlossen zusammenzustehen, um dem als aggressiv bewerteten Vorgehen der USA besser begegnen zu können – das hatte auch schon der bisherige Regierungschef Múte B. Egede als zentral betont.
Nicht kompatibel
Seine linke Partei IA wird nun also Teil der neuen Regierung, ebenso wie die sozialdemokratische Siumut – beide hatten bei der Wahl stark verloren. Nur eine Partei geht in die Opposition: Die rechte Unabhängigkeitspartei Naleraq, mit ihren 25 Prozent ebenfalls ein Wahlsieger, aber offenbar nicht kompatibel mit den anderen.
Die grönländische Regierung steht und sie hält mit Bestimmtheit an ihrer von Beginn an vertretenen Haltung fest, die Zukunft des Landes werde in Grönland entschieden. Inwieweit das von den USA gehört wird, erscheint unklar. US-Präsident Donald Trump wiederholte diese Woche noch einmal in einem Interview, dass die USA Grönland haben müssten, „so leid es ihm täte, das sagen zu müssen“.
Und nun erscheint am Freitag nach vielem Hin und Her um die Reisepläne also eine hochkarätige Delegation auf dem US-Stützpunkt Pittufik. Auch der Nationale Sicherheitsratgeber Mike Waltz und Energieminister Chris Wright sind dabei – vorübergehend hatte es den Anschein gehabt, es käme nur das Ehepaar Vance.
Die Pläne wurden geändert, nachdem die angekündigte Charme-Offensive mit der Second Lady an der Spitze in Grönland auf Protest gestoßen war. Gegen einen Besuch ihres eigenen Stützpunkts ist offiziell wenig einzuwenden.
Stark attackiert
Einen „taktischen Rückzug, eine Umgruppierung, um dann auf neue Weise anzugreifen“, nannte das aber der frühere dänische Außenminister Per Stig Møller. Die Amerikaner wollten lediglich schlechte PR vermeiden – etwa Bilder, in denen Menschen in Grönland den Limousinen der US-Delegation den Rücken zukehrten, sagte er im dänischen TV-Magazin Deadline.
Der jetzige Außenminister Lars Løkke Rasmussen hatte die Planänderungen der USA als sehr positiv bewertet. In einem Beitrag auf Facebook schrieb er aber auch, frisch zurück von Gesprächen beim UN-Sicherheitsrat: „Das Bekenntnis zum Grundsatz der territorialen Integrität und Souveränität von Ländern ist stark – in Grönland, Europa und darüber hinaus. Wir müssen für diesen Grundsatz einstehen.“
Vance hatte Dänemark bei seiner Ankündigung, nach Grönland zu fliegen, erneut stark attackiert: Es würde nicht für die Sicherheit der einstigen Kolonie gesorgt. Tatsächlich hat die dänische Regierung seit Beginn dieser diplomatischen Spannungen ihre Politik geändert, Investitionen in die Sicherheitsinfrastruktur Grönlands sind beschlossen. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wies nun aber auch erneut darauf hin, dass der Schutz der Arktis gemeinsame Nato-Aufgabe sei.
Vor dem Vance-Besuch erklärte Frederiksen in einem längeren Beitrag auf Facebook, man dürfe sich keine Illusionen machen: „Trumps Interesse an Grönland geht nicht weg.“ Die USA wüssten sehr genau, dass Grönland nicht zu verkaufen sei und auch nicht wünsche, Teil der USA zu werden. Auf deren Äußerungen zu reagieren, verlange manchmal klare Ansagen, manchmal diplomatischere Formulierungen. Und die Hand zur Zusammenarbeit mit den USA bleibe ausgestreckt.
Das Wichtigste sei zu zeigen, dass man dem inakzeptablen Druck, den die Trump-Regierung derzeit ausübe, standhalte – und dass man dabei nicht alleine sei. Dänemark wisse sich in Europa umgeben von Unterstützung, betonte die Ministerpräsidentin. Grönland gegenüber äußerte sie größten Respekt dafür, wie man dort mit der Situation umgehe: „Ihr habt euch nicht einschüchtern lassen.“
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