Italienische Kaffeespezialität: Trink Moretta und du bist glücklich
Espresso mit Weinbrand, Rum, Anisschnaps – der italienische Moretta ist großartig. Er lenkt sogar von juckenden Tigermückenstichen ab.
Z ika-, Dengue-, Westnilvirus. Bald auch bei uns! In Deutschland! Klingt gar nicht schön, was Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin, da prognostiziert. Wenn die Temperaturen in unseren Regionen längerfristig so hoch sind, wie das gerade der Fall ist, dann müssen wir laut Wieler damit rechnen, dass die Mücken kommen, diese Viren übertragen und recht üble Krankheiten hervorrufen: Malaria, Denguefieber, Meningoenzephalitis, Hautausschlag, Kopf-, Gelenk-, Muskelschmerzen, Bindehautentzündung.
Noch nennen wir diese Krankheiten Tropenkrankheiten, weil sie bislang vor allem in Asien und Afrika auftraten. Aber das ändert sich gerade. Mich haben kürzlich in Italien asiatische Tigermücken überfallen und so zugerichtet, dass ich tagelang aussah, als hätte ich die Beulenpest. In Italien fühlt sich die asiatische Tigermücke schon seit einigen Jahren sehr wohl, vor allem auf dem Land. Ich saß mit ein paar Freunden friedlich und lustig bei Burrata, Tomaten und Bianchello (Achtung, Werbeblock: Das ist ein Weißwein, den vor allem das Fiorini-Weingut in Barchi in der Region Marken anbietet) zusammen, da setzten die Tigermücken zum Sturzflug an. Auf mich. Nur auf mich! Sie flogen heran, sahen und siegten.
Wenn Arme, Beine, Hals, Gesicht, Hände, ja sogar die Fußsohlen so jucken, dass man sich am liebsten die Haut abziehen will und die Stiche sich infolge von Kratzen in Windeseile entzünden, ist es mit dem Genuss dieser wunderbaren italienischen Rebsorte, den Tomaten und dem Weichkäse vorbei. Und nein, sagen Sie jetzt bitte nicht, ich hätte nicht kratzen dürfen, mich mit Mückenspray schützen oder diesen Elektroschocker verwenden sollen, der das Jucken der Stiche reduziert. Über Mückenspray lacht die asiatische Tigermücke, der Elektroschocker wirkt nur kurz und ist nebenbei bemerkt nicht sonderlich angenehm.
Mein Leiden vergaß ich dann aber doch kurz. Das südafrikanische Ehepaar an unserem Tisch, das seine Heimat demnächst gegen die italienischen Marken tauscht, orderte nach dem Essen für alle Moretta. Das ist eine Art Espresso, nur anders. Denn zum Kaffee kommen noch Weinbrand, Anisschnaps, Rum, Rohrzucker und obendrauf eine hauchdünne Zitronenscheibe. Verrückt, oder?
Anis und Rohrzucker streicheln den hinteren Gaumen
Ich hatte noch nie zuvor von Moretta gehört. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, wozu drei Sorten Schnaps im Kaffee gut sein sollen. Jeder Schnaps einzeln, ja. Rum im Kaffee kennt man, ebenso Weinbrand. Aber Anis? Und dann noch Zitrone?
Was soll ich sagen: Es war ein Geschmackserlebnis der komplett anderen Art. Und ja, der Anis schmeckt vor, und das ist gut so. Nicht so stark wie bei einem französischen Pastis oder griechischen Ouzo. Eher später, nachdem die Bitterstoffe des Kaffees und die Schärfe von Weinbrand und Rum ihre Arbeit erledigt haben, streicheln Anis und Rohrzucker den hinteren Gaumen. Die Zitronenscheibe unterstreicht die Süße des Getränks und nimmt ihm zugleich die Schwere.
Moretta wurde, habe ich anschließend recherchiert, ursprünglich von Seeleuten und Fischern in Fano, einer Hafenstadt an der Adria, getrunken. Damit hielten die Männer sich warm und wach. Die Geschichte dieses Kaffees reicht zurück bis ins Jahr 1892. Damals eröffnete Giuseppe Armanni, ein Kaffeebauer und Likörist, in Fano sein Caffè Cavour. Ein „Moretta Excellent mit Rum“ kostete damals 0,10 Lire. Heute trinken Italiener:innen an der Adria nicht selten am Nachmittag einen Moretta, um nach der Mittagssiesta wach zu werden.
Übrigens: Fano wird auch die Stadt des Glücks genannt.
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